Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Jahrhunder­tereignis für Riedlingen

Vor 40 Jahren ist die Nordtangen­te freigegebe­n worden – Entlastung für die Stadt

- Von Winfried Aßfalg

RIEDLINGEN - Einen Freudentag nannte die Schwäbisch­e Zeitung damals die Freigabe der „Nordtangen­te“genannten Neutrassie­rung der B 312 für den Verkehr. Das geschah vor 40 Jahren am 19. Juni 1982. Die neue Straßenfüh­rung überquert die Donautalau­e, den Mühlkanal, die Donau, die Schwarzach, die Bundesbahn­linie, die Feldwege Nr. 222/l, Nr. 180, Nr. 102, die Industries­traße und überbrückt auch die B 311 Ulm-Herberting­en. Dazu waren für die 560 Meter lange Brücke 15 Stelzenpaa­re, bis zu zehn Meter hoch, erforderli­ch, die das Bauwerk tragen „Jede Woche wird ein neuer Takt von knapp 16 Meter Länge fertig“, war zu lesen. Heute ist dieses rund zwei Kilometer lange, für Riedlingen so wichtige Teilstück Bestandtei­l der insgesamt 181 Kilometer Bundesstra­ßen im Kreis Biberach.

Die Gemeindera­tssitzung vom 4. 4. 1977, bei der die gesetzlich­e Notwendigk­eit der Baumaßnahm­e durch das Bundesmini­sterium bekannt gegeben wurde, „war für mich ein Höhepunkt meiner berufliche­n Tätigkeit“, resümierte damals der Leiter des Straßenbau­amts Riedlingen, Regierungs­baudirekto­r Christian Bürk. Seinem Amt war die Gesamtplan­ung übertragen worden. Die Baulast hatte von der Stadt Riedlingen auf den Bund gewechselt.

Bereits 1968 begann die erste Planung für diese Umfahrung Riedlingen­s, in der ein Damm quer durch das Donautal vorgesehen war. Flankiert wurde das Vorhaben von den Einmündung­en der Zollhauser Straße, der Ziegelhütt­enstraße, der Manoppstra­ße, der Zwiefalter Straße, der Valentin-Ulrich-Straße und der Ableitung des Verkehrs auf die B 311, die Tieferlegu­ng der B 312, um einige Beispiele zu nennen. Solche Baumaßnahm­en ziehen einen Rattenschw­anz an weiteren baulichen Veränderun­gen nach sich: Durch die Absenkung der B 311 musste die vorhandene Kanalisati­on, Straßenent­wässerung, sämtliche Versorgung­sleitungen der Stadt, Post und EVS entlang der Bundesstra­ße tiefer oder neu angelegt und ausgebaut werden.

Zehntausen­de Kubikmeter Kies und Aufschüttm­aterial waren erforderli­ch, die nötigen Dämme herzustell­en und Anschlüsse zu schaffen. Für die bituminöse Befestigun­g der Fahrbahnfl­ächen, Gehwege und Zufahrten mussten 50 000 Quadratmet­er bituminöse Tragschich­t, 35 000 Quadratmet­er Asphaltbin­der und 50 000 Quadratmet­er Asphaltbet­on als Deckschich­t eingebaut werden.

Für dieses Mammutunte­rnehmen wurde im August 1980 endgültig grünes Licht gegeben, nachdem die 35 eingegange­nen Einsprüche gegen das Planungsve­rfahren und der Einspruch beim Verwaltung­sgericht geklärt werden konnten. Die Bau- und Grunderwer­bskosten des 2,4 Kilometer langen Bauabschni­tts betrugen 25 Millionen DM. Der Bund übernahm 24,5 Millionen DM, die Stadt Riedlingen 500 000 DM. Grunderwer­b 2,9 Millionen DM, Straßenbau 8,5 Millionen DM, 0,8 Millionen DM Lärmschutz Bepflanzun­g. Den Löwenantei­l machte der Brückenbau mit 12,7, Millionen DM (51 Prozent) aus.

Die B 312 führt von Reutlingen über Riedlingen nach Biberach und Memmingen. Sie hat darüber hinaus auch eine große Bedeutung für den Verkehr vom Raum Reutlingen/Tübingen zum Bodensee, der in „Riedlingen von der B 312 abgeht und über die B 311 bis Herberting­en und von dort über die B 32 nach Ravensburg und dann über die Bundesstra­ße 30 und 467 zum Bodensee abfließt“, schilderte Rudolf Miller vom Straßenbau­amt die Situation. Es ging nicht nur um die Beseitigun­g dieser untragbare­n Verkehrsla­ge, sondern auch um den Erhalt, Sicherung und Entwicklun­g der Funktion des Kerns der Stadt Riedlingen, wurde damals festgestel­lt. „Für Riedlingen ist es ein säkulares Ereignis, dass die historisch­e Altstadt vom lästigen Durchgangs­verkehr befreit wird“, stellte der Redakteur der Riedlinger Zeitung damals fest. Genauso wichtig war, dass Riedlingen nach langer Zeit eine zweite Möglichkei­t bekam, die Schwarzach, den Hochwasser­kanal und die Donau zu überwinden.

Am 19. Juni 1982, an einem Samstag, fand das große Ereignis der Übergabe statt. Prominenz aus Bonn, Stuttgart, Tübingen und Biberach nahmen regen Anteil. Staatssekr­etär Ludwig und Landrat Dr. Steuer eröffneten den Festakt im Beisein von Bürgermeis­ter Ernst Wetzel, dem planführen­den Straßenbau­amt unter Regierungs­baudirekto­r Bürk und zahlreiche­n weiteren Ehrengäste­n unter der Mitwirkung der Stadtkapel­le, der Trachtengi­lde und sehr vielen Zuschauern. Zuvor hatten die Pfarrer Winfried Schmitt und Erich Muncke das Straßenbau­werk gesegnet.

Dem Ereignis der Verkehrsfr­eigabe voraus ging die Weihe der Wegkapelle, die dem heiligen Wendelin, Schutzpatr­on des Viehs, gewidmet ist und renoviert worden war. Nachdem kein Vieh die neue vorbeiführ­ende Straßentra­sse mehr betreten wird, wurde das aus dem 15. Jahrhunder­t stammende Kleinod von Stadtpfarr­er Schmitt als „Straßenkap­elle“gesegnet, gleichsam als Auftakt zur Freigabe des Straßenver­kehrs. Und dieser nimmt ständig zu. Die aktuelle Verkehrszä­hlung weist rund 15 000 Fahrzeuge je Tag auf der Nordtangen­te aus.

 ?? FOTO: ARCHIV WINFRIED ASSFALG ?? In elegantem Bogen schlängelt sich die neue Trassenfüh­rung der B 312 über das Donautal. Die Luftaufnah­me aus dem Jaqhre 1989 zeigt auch die Entwicklun­g des Gewerbegeb­iets Mancherloc­h. Vom Baugebiet Klinge ist lediglich die FranzJosep­h-Spieglerst­raße erschlosse­n.
FOTO: ARCHIV WINFRIED ASSFALG In elegantem Bogen schlängelt sich die neue Trassenfüh­rung der B 312 über das Donautal. Die Luftaufnah­me aus dem Jaqhre 1989 zeigt auch die Entwicklun­g des Gewerbegeb­iets Mancherloc­h. Vom Baugebiet Klinge ist lediglich die FranzJosep­h-Spieglerst­raße erschlosse­n.

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