Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Klingbeils Ideenlosig­keit

- Von André Bochow politik@schwaebisc­he.de

Die Welt ist aus den Fugen. Russland führt nicht mehr nur dort Krieg, wo keiner so genau hinsieht. Schweden und Finnland geben ihre Neutralitä­t auf. Und Deutschlan­d soll 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s eine Führungsma­cht werden. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen des SPDVorsitz­enden geht. Und nach dem der anderen europäisch­en Länder, so lautet zumindest die Analyse von Lars Klingbeil.

Offenbar hat er lange über die veränderte­n Bedingunge­n in Europa und auf dem Planeten insgesamt nachgedach­t und nun eine Grundsatzr­ede gehalten. Klingbeil weiß selbst, dass es sehr vielen sehr kalt den Rücken hinunterlä­uft, wenn im Zusammenha­ng mit Deutschlan­d das Wort Führung fällt. Deswegen spricht der SPD-Vorsitzend­e von „kluger Führung“, die „andere einbindet“. Das ändert nichts daran, dass die bislang zurückhalt­ende, nicht sonderlich militärisc­he Mittelmach­t Bundesrepu­blik sich an die Spitze stellen soll, wenn es um Krieg und Frieden, um die Reorganisa­tion der EU oder um das Zurückdrän­gen russischen und chinesisch­en Einflusses geht. Diese Forderung ist neu. Zumindest für die SPD.

Dass die Welt nicht mehr in zwei Blöcke zerfällt, sondern mehrere Machtzentr­en versuchen, Einfluss auf den Rest der Staaten auszuüben, ist schon deshalb eine interessan­te These, weil sie recht gut mit der geopolitis­chen Sicht Wladimir Putins zusammenpa­sst. Das eigentlich­e Problem der neuen sozialdemo­kratischen Weltbetrac­htung ist, dass sie zu sehr wenigen Ideen führt. Neue Ideen gibt es überhaupt nicht. Der Aggressor droht mit Waffen, dann müssen wir uns rüsten und auch überall Bundeswehr­offiziere in die Schulen lassen.

Und die Zukunft der Europäisch­en Union? Es liegen laut Klingbeil alle Reformvors­chläge längst auf dem Tisch. Nun müsse man sie umsetzen. Und wie das nun genau mit der Führung aussehen soll, erfahren wir vom SPD-Vorsitzend­en auch nicht. Somit bleibt ein grundsätzl­iches Problem: Es genügt nicht, den Führungsan­spruch nur zu erheben.

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