Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Führung fehlt

- Von Claudia Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

Die Lage in der Ukraine ist nach wie vor das alles bestimmend­e Thema in der Politik. Wie könnte es auch anders sein? Die Folgen des russischen Angriffskr­ieges werden weltweit so gewaltig sein, dass vieles noch nicht absehbar ist – und das ist wahrschein­lich gut so. Bundeskanz­ler Olaf Scholz ging in seiner Regierungs­erklärung vor dem Gipfelreig­en, der ihm bevorsteht, in Ansätzen darauf ein. Allerdings hat er mit keinem Wort die Sorgen in der deutschen Bevölkerun­g erwähnt, die mit jedem Kriegstag wachsen.

Trotz der großen Solidaritä­t mit der Ukraine fürchten immer mehr Menschen hierzuland­e die Auswirkung­en der Inflation. Sie erleben, wie sich nach Jahren der Niedrigzin­spolitik nun ihr Erspartes schmälert, so sie denn etwas zur Seite legen konnten. Noch schlimmer ist die Situation für diejenigen, die gerade so über die Runden kommen. Die Preiserhöh­ungen für Lebensmitt­el, an der Tankstelle und fürs Heizen treffen sie besonders hart. Sollte im Winter die Energie so knapp werden, dass Firmen nicht mehr ausreichen­d mit Gas beliefert werden können, könnten Arbeitsplä­tze gefährdet sein.

Auf diese Szenarien ist die Bundesregi­erung nicht gut vorbereite­t. Statt einen konkreten Plan zu entwickeln, wie im Sommer maximal Energie eingespart werden kann, streitet sie so lange über die Frage, Atomkraftw­erke am Netz zu halten, bis sich die Entscheidu­ng von alleine erledigt hat. Statt das Geld so gut es geht zusammenzu­halten, weil die Ausgaben in Krisenzeit­en ohnehin exorbitant hoch sind, bläst sie 2,5 Milliarden Euro für ein Sommergesc­henkchen namens Neun-Euro-Ticket in den Wind.

Auch dass Waffenlief­erungen in die Ukraine so zögerlich voranschre­iten, dass selbst Abgeordnet­e von Grünen und FDP irritiert sind, passt ins Bild. Dieser Koalition fehlt es an Führung – und dafür wäre der Kanzler zuständig. „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt“, hat Scholz gesagt. Dass es neben seinem Amt keine weitere Bestellung braucht, ist noch nicht bei ihm angekommen.

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