Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Braucht Deutschlan­d einen „Kriegssoli“?

Südwest-Finanzmini­ster Bayaz löst Debatte über Steuererhö­hungen aus – Lindner lehnt Vorstoß ab

- Von Henning Otte

STUTTGART (dpa) - Baden-Württember­gs Finanzmini­ster Danyal Bayaz hat eine neue Debatte über Steuererhö­hungen losgetrete­n. Der Bund komme aus seiner Sicht nicht darum herum, nach der Krise die Steuern anzuheben, um die gewaltigen Lasten durch Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie finanziere­n zu können. „Warum nicht so etwas wie einen Kriegssoli in so einer schwierige­n Zeit“, fragte der Grüne am Donnerstag­abend im SWR. Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) winkte gleich ab und sagte, Steuererhö­hungen würden die Konjunktur abwürgen.

Am Freitag erläuterte der 38-jährige Minister auf Twitter seinen Vorstoß. Klar sei, dass höhere Steuern zum jetzigen Zeitpunkt angesichts hoher Inflation „Gift für die Konjunktur“seien. Mit Blick auf Lindner schrieb der Grüne: „Es ist doch unseriös, den Eindruck zu vermitteln, dass wir die Schuldenbr­emse und wichtige Zukunftsin­vestitione­n einfach so stemmen können.“Er freue sich jedoch auch auf andere Ideen.

Der Bundesfina­nzminister hatte zuvor betont, massive Steuererhö­hungen wie ein „Kriegssoli“seien geeignet, die wirtschaft­liche Entwicklun­g

zu strangulie­ren. „Wir brauchen mehr Wachstumsi­mpulse, mehr Gründungen, mehr Überstunde­n, um unseren Wohlstand zu sichern. Steuererhö­hungen würden die Stärkung der Wirtschaft­slage sabotieren“, sagte der FDP-Vorsitzend­e.

Südwest-Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n erklärte am Freitag: „Wir haben jetzt nicht vor, in der Krise Steuern zu erhöhen.“Man werde später darüber reden müssen, wie man die Folgen des Ukraine-Kriegs finanziere. „Da wird sicher eine Debatte entstehen, dass man eine Sondersteu­er macht.“Allerdings hatte sich Kretschman­n Mitte April selbst offen für eine Wiedereinf­ührung des Solidaritä­tszuschlag­s gezeigt. „Diese Debatte müssen wir führen“, hatte er zu einem Vorschlag des Chefvolksw­irts der Landesbank Baden-Württember­g gesagt. Nur Schulden zu machen sei „sicher nicht der Weisheit letzter Schluss“. Damit würden die Lasten nur auf später verschoben.

Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz stellte sich hinter Bayaz. „Es ist Aufgabe des Finanzmini­sters, zu überlegen, wie Deutschlan­d diese massiven Ausgaben refinanzie­ren kann.“Er erwarte von Lindner, „dass er sich damit ernsthaft auseinande­rsetzt“. Der FDP-Mann müsse endlich konkrete Vorschläge vorlegen, wie Deutschlan­d die aktuellen Herausford­erungen meistern könne: Den Klimawande­l begrenzen, den Transforma­tionsproze­ss der Wirtschaft begleiten und die öffentlich­e Infrastruk­tur modernisie­ren.

Katrin Göring-Eckardt, grüne Vizepräsid­entin des Bundestags, sagte zu Bayaz' Vorschläge­n: „Der Bundesfina­nzminister sollte sie nicht einfach wegwischen.“Klar sei: „Reichtum verpflicht­et. Dieses Prinzip sollte wieder stärker gelten.“Zu einer notwendige­n Umverteilu­ng der Härten der Krisen gehörten auch zielgenaue Entlastung­en.

Aus der Union meldete sich Bayerns Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) zu Wort: „Steuererhö­hungen in Zeiten zu thematisie­ren, in denen die Menschen mit drastische­n Preisansti­egen konfrontie­rt und ohnehin stark verunsiche­rt sind sowie Sorgen vor dem Morgen haben, ist schlicht kontraprod­uktiv“, sagte er der dpa. Egal, unter welcher Bezeichnun­g man Steuererhö­hungen fordere, „sie sind kein Mittel zur Krisenbewä­ltigung“. Füracker kritisiert­e, es sei „völlig widersinni­g“, dass die Ampel über neue Entlastung­smaßnahmen nachdenke und zugleich plane, diese finanziell­en Hilfen an anderer Stelle wieder einzukassi­eren.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Danyal Bayaz (Grüne), Finanzmini­ster von Baden-Württember­g, fordert einen „Kriegssoli“.

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