Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Biogasanlagen sorgen weiter für warme Stuben
Betreiber befürchten keinen Lieferausfall durch Umstellung auf Weizenanbau
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RIEDLINGEN - Die voraussichtlichen Lieferengpässe bei Gas infolge des Krieges in der Ukraine werden in der nächsten Heizperiode den Verbrauchern einiges abverlangen. Höhere Tarife und der Appell, die Temperaturen in den Wohnungen abzusenken, sind dabei nur zwei denkbare Szenarien. Die Nutzer von Fernwärme, die durch die Biogasanlagen entsteht, sind dabei klar im Vorteil. Mit der nachwachsenden Biomasse können die Anlagen betrieben und so Gebäude und Wohnungen beheizt werden. Angesichts der steigenden Weizenpreise könnten die Landwirte eine mögliche Umstellung der Fruchtfolge vornehmen, um so mehr Gewinn beim Verkauf des Getreides auf dem Markt zu erzielen, anstatt in die Biogasanlage zu liefern. Daran glauben die Biogasanlagen-Betreiber in der Region weniger, denn wie lange sich der hohe Weizenpreis hält ist spekulativ und was die Konsequenz beim Anbau des Getreides für den Markt für den Bauern bedeutet, ist auch nicht unerheblich und gleicht sich in der Summe wieder aus.
Seit 2008 betreiben auf der Gemarkung Ertingen fünf Landwirte eine Biogasanlage. Hierbei wird Strom und als Nebenprodukt Fernwärme erzeugt. Diese Fernwärme wird von den Betreibern an die Gemeinde geliefert, die sie dann im Netz verteilt, das im Besitz der Kommune ist. Das Rathaus, die Schulgebäude, Kindergärten, Sporthalle und Hallenbad sowie die Industrie und das Gewerbe sind dabei die Nutznießer. Die Betreiber haben mit der Gemeinde Ertingen einen auf 20 Jahre laufenden Liefervertrag abgeschlossen, der auch einen Festpreis für diese Vertragsdauer beinhaltet. Die Verteilung und Abrechnung der Fernwärme übernimmt die Gemeinde.
Die Ertinger Biogasanlage wird in Gemeinschaft von fünf Landwirten betrieben. Mit dem Gas aus der Biomasse werden die Motoren betrieben, die dadurch Strom erzeugen. Rund 3000 Haushalte könnten damit versorgt werden. Strom, der ins Netz eingespeist wird. Die Abwärme des Motors und aus dem Kühlkreislauf wird als Nebenprodukt zur Erhitzung von Wasser genutzt, das dann in die angeschlossenen Gebäude als umweltfreundlicher Wärmespender gepumpt wird. Gespeist wird die Anlage mit Biomasse in Form von Gras und Mais. 50 Prozent der benötigten Masse liefern die fünf Betreiber selbst an und die restlichen 50 Prozent werden von Bauern aus der Umgebung zugekauft. „Wir haben mit keinem von ihnen einen Vertrag. Das läuft alles über ein Vertrauensverhältnis, so dass sich die Zusammenarbeit automatisch jeweils um ein Jahr verlängert“, so Gerald Mayer, der sich auf der Anlage auch um die Büroarbeit und die Technik zusammen mit einem weiteren an der Biogasanlage beteiligten Landwirt kümmert. Seit 2008, also bei der Inbetriebnahme der Anlage, sei kein Landwirt abgesprungen oder habe die Zusammenarbeit mit den Ertinger Bio-Energie-Betreibern gekündigt. Derzeit wird der zweite Grasschnitt von den Landwirten angeliefert, der dann entsprechend in die leerstehenden Silos gekippt, verdichtet und dann zur Gärung in die unterirdischen Becken verbracht wird.
Vorausschauend zu sagen, was im nächsten Jahr auf die Anlagenbetreiber zukommt, sei schwierig, ist die Meinung von Gerald Mayer. Er glaubt nicht, dass viele Landwirte mehr auf Weizen- anstatt Maisanbau umstellen werden, da man ja ohnehin nicht sagen könne, wie lange die Weizenknappheit andauere und damit einhergehend hohe Preise erzielt werden können. „Wir fünf Betreiber sind aber in der Lage, unsere Fruchtfolge bei so einem Szenario umzustellen, um nötigenfalls Ausfälle kompensieren zu können“, stellt Michael Sauter klar. So gesehen, sind sie auf der sicheren Seite und können ihren auf 20 Jahren geschlossenen Vertrag mit der Gemeinde einhalten. Gleiches gilt auch beim Strom, der erzeugt wird. Auch hier wurde ein Vertrag mit einem Abnehmer geschlossen, der den Betreibern einen Stromfestpreis garantiert.
Strom und Wärme werden auch auf dem Hof von Simon und Klaus Knab in Offingen gewonnen. Ihre Biomasse beziehen sie von 20 Landwirten aus der Umgebung. Mais, Gras und verschiedene Pflanzsorten wie Tritikale oder Roggen, die speziell als Biomasse angebaut werden, kommen so in die Silos nach Offingen. „Mit allen Landwirten, die uns beliefern, haben wir eine mündliche Abmachung“, so Klaus Knab. So besteht nunmehr seit 17 Jahren eine strategische Partnerschaft, die seit dieser Zeit mit all den betroffenen Bauern Bestand hat. „Jetzt werden die Weichen für nächstes Jahr gestellt, da müssen wir mit all unseren Partnern reden, um uns das Material weiterhin für unsere Anlage zu sichern“, so der Senior. Er, wie auch sein Sohn Simon, gehen aber nicht davon aus, dass durch die angespannte Lage auf dem Weltmarkt ihre Lieferanten eine Fruchtfolgeumstellung planen. „Wir haben nämlich eine Win-Win-Situation“, so Simon Knab. Die Landwirte, die ihre Biomasse bei ihnen abliefern, bekommen die gleiche Menge an vergorenem Material wieder zurück. Ein Naturdünger, den sie auf den Feldern wieder einbringen und diese Gärreste beinhalten noch zahlreiche Nährstoffe. Mit der Teuerung beim Weizen ging auch eine Preissteigerung beim Mineraldünger einher, was den Landwirten auf den Geldbeutel schlägt. „Gerade der Mineraldünger ist bei der Produktion stark abhängig vom ,Putin-Gas'“, so die Meinung von Klaus Knab. Naturdünger wie aus der Gärkammer sei auf jeden Fall die bessere Variante.
Das Biogas aus der Anlage in Offingen wird per Fernleitung in das „Herz“der Anlage in Uttenweiler eingespeist, wo damit der Motor betrieben und daraus Strom als auch Abwärme gewonnen werden. Von dort wird das Nahwärmenetz zusammen mit Partner Bernd Marquart betrieben und mit den Kunden abgerechnet. Privathaushalte als auch die Industrie und Gewerbe sind hierbei die Abnehmer der umweltfreundlichen Biogaswärme. „Pro Jahr“, so Simon Knab, „erzeugen wir umweltfreundliche Nahwärme, die umgerechnet einem Verbrauch von rund 250 000 Litern Heizöl entspricht.“