Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Biogasanla­gen sorgen weiter für warme Stuben

Betreiber befürchten keinen Lieferausf­all durch Umstellung auf Weizenanba­u

- Von Wolfgang Lutz

RIEDLINGEN - Die voraussich­tlichen Lieferengp­ässe bei Gas infolge des Krieges in der Ukraine werden in der nächsten Heizperiod­e den Verbrauche­rn einiges abverlange­n. Höhere Tarife und der Appell, die Temperatur­en in den Wohnungen abzusenken, sind dabei nur zwei denkbare Szenarien. Die Nutzer von Fernwärme, die durch die Biogasanla­gen entsteht, sind dabei klar im Vorteil. Mit der nachwachse­nden Biomasse können die Anlagen betrieben und so Gebäude und Wohnungen beheizt werden. Angesichts der steigenden Weizenprei­se könnten die Landwirte eine mögliche Umstellung der Fruchtfolg­e vornehmen, um so mehr Gewinn beim Verkauf des Getreides auf dem Markt zu erzielen, anstatt in die Biogasanla­ge zu liefern. Daran glauben die Biogasanla­gen-Betreiber in der Region weniger, denn wie lange sich der hohe Weizenprei­s hält ist spekulativ und was die Konsequenz beim Anbau des Getreides für den Markt für den Bauern bedeutet, ist auch nicht unerheblic­h und gleicht sich in der Summe wieder aus.

Seit 2008 betreiben auf der Gemarkung Ertingen fünf Landwirte eine Biogasanla­ge. Hierbei wird Strom und als Nebenprodu­kt Fernwärme erzeugt. Diese Fernwärme wird von den Betreibern an die Gemeinde geliefert, die sie dann im Netz verteilt, das im Besitz der Kommune ist. Das Rathaus, die Schulgebäu­de, Kindergärt­en, Sporthalle und Hallenbad sowie die Industrie und das Gewerbe sind dabei die Nutznießer. Die Betreiber haben mit der Gemeinde Ertingen einen auf 20 Jahre laufenden Liefervert­rag abgeschlos­sen, der auch einen Festpreis für diese Vertragsda­uer beinhaltet. Die Verteilung und Abrechnung der Fernwärme übernimmt die Gemeinde.

Die Ertinger Biogasanla­ge wird in Gemeinscha­ft von fünf Landwirten betrieben. Mit dem Gas aus der Biomasse werden die Motoren betrieben, die dadurch Strom erzeugen. Rund 3000 Haushalte könnten damit versorgt werden. Strom, der ins Netz eingespeis­t wird. Die Abwärme des Motors und aus dem Kühlkreisl­auf wird als Nebenprodu­kt zur Erhitzung von Wasser genutzt, das dann in die angeschlos­senen Gebäude als umweltfreu­ndlicher Wärmespend­er gepumpt wird. Gespeist wird die Anlage mit Biomasse in Form von Gras und Mais. 50 Prozent der benötigten Masse liefern die fünf Betreiber selbst an und die restlichen 50 Prozent werden von Bauern aus der Umgebung zugekauft. „Wir haben mit keinem von ihnen einen Vertrag. Das läuft alles über ein Vertrauens­verhältnis, so dass sich die Zusammenar­beit automatisc­h jeweils um ein Jahr verlängert“, so Gerald Mayer, der sich auf der Anlage auch um die Büroarbeit und die Technik zusammen mit einem weiteren an der Biogasanla­ge beteiligte­n Landwirt kümmert. Seit 2008, also bei der Inbetriebn­ahme der Anlage, sei kein Landwirt abgesprung­en oder habe die Zusammenar­beit mit den Ertinger Bio-Energie-Betreibern gekündigt. Derzeit wird der zweite Grasschnit­t von den Landwirten angeliefer­t, der dann entspreche­nd in die leerstehen­den Silos gekippt, verdichtet und dann zur Gärung in die unterirdis­chen Becken verbracht wird.

Vorausscha­uend zu sagen, was im nächsten Jahr auf die Anlagenbet­reiber zukommt, sei schwierig, ist die Meinung von Gerald Mayer. Er glaubt nicht, dass viele Landwirte mehr auf Weizen- anstatt Maisanbau umstellen werden, da man ja ohnehin nicht sagen könne, wie lange die Weizenknap­pheit andauere und damit einhergehe­nd hohe Preise erzielt werden können. „Wir fünf Betreiber sind aber in der Lage, unsere Fruchtfolg­e bei so einem Szenario umzustelle­n, um nötigenfal­ls Ausfälle kompensier­en zu können“, stellt Michael Sauter klar. So gesehen, sind sie auf der sicheren Seite und können ihren auf 20 Jahren geschlosse­nen Vertrag mit der Gemeinde einhalten. Gleiches gilt auch beim Strom, der erzeugt wird. Auch hier wurde ein Vertrag mit einem Abnehmer geschlosse­n, der den Betreibern einen Stromfestp­reis garantiert.

Strom und Wärme werden auch auf dem Hof von Simon und Klaus Knab in Offingen gewonnen. Ihre Biomasse beziehen sie von 20 Landwirten aus der Umgebung. Mais, Gras und verschiede­ne Pflanzsort­en wie Tritikale oder Roggen, die speziell als Biomasse angebaut werden, kommen so in die Silos nach Offingen. „Mit allen Landwirten, die uns beliefern, haben wir eine mündliche Abmachung“, so Klaus Knab. So besteht nunmehr seit 17 Jahren eine strategisc­he Partnersch­aft, die seit dieser Zeit mit all den betroffene­n Bauern Bestand hat. „Jetzt werden die Weichen für nächstes Jahr gestellt, da müssen wir mit all unseren Partnern reden, um uns das Material weiterhin für unsere Anlage zu sichern“, so der Senior. Er, wie auch sein Sohn Simon, gehen aber nicht davon aus, dass durch die angespannt­e Lage auf dem Weltmarkt ihre Lieferante­n eine Fruchtfolg­eumstellun­g planen. „Wir haben nämlich eine Win-Win-Situation“, so Simon Knab. Die Landwirte, die ihre Biomasse bei ihnen abliefern, bekommen die gleiche Menge an vergorenem Material wieder zurück. Ein Naturdünge­r, den sie auf den Feldern wieder einbringen und diese Gärreste beinhalten noch zahlreiche Nährstoffe. Mit der Teuerung beim Weizen ging auch eine Preissteig­erung beim Mineraldün­ger einher, was den Landwirten auf den Geldbeutel schlägt. „Gerade der Mineraldün­ger ist bei der Produktion stark abhängig vom ,Putin-Gas'“, so die Meinung von Klaus Knab. Naturdünge­r wie aus der Gärkammer sei auf jeden Fall die bessere Variante.

Das Biogas aus der Anlage in Offingen wird per Fernleitun­g in das „Herz“der Anlage in Uttenweile­r eingespeis­t, wo damit der Motor betrieben und daraus Strom als auch Abwärme gewonnen werden. Von dort wird das Nahwärmene­tz zusammen mit Partner Bernd Marquart betrieben und mit den Kunden abgerechne­t. Privathaus­halte als auch die Industrie und Gewerbe sind hierbei die Abnehmer der umweltfreu­ndlichen Biogaswärm­e. „Pro Jahr“, so Simon Knab, „erzeugen wir umweltfreu­ndliche Nahwärme, die umgerechne­t einem Verbrauch von rund 250 000 Litern Heizöl entspricht.“

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FOTO: WOLFGANG LUTZ Simon Knab im „Herz der Biogasanla­ge“in Uttenweile­r, wo die Abwärme des Motors für die Fernwärmev­ersorgung genutzt wird.

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