Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Klima, Handel und eine Botschaft aus dem Krieg
Die G7-Staatschefs suchen in Elmau den Schulterschluss der demokratisch regierten Staaten
GARMISCH-PARTENKIRCHEN - Die G7-Treffen beziehen ihr Gewicht aus der Machtposition der teilnehmenden Länder. Deren Einfluss ist enorm. Und wenn sie gemeinsam etwas beschließen, dann hat das großes Gewicht. Deswegen blickt die Welt gespannt auf das oberbayerische Elmau – denn an drängenden Problemen herrscht kein Mangel.
Krieg in der Ukraine
Der Auftakt des zweiten Gipfeltags stand ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Gleich zu Beginn wurde der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet – wie immer im tarnfarbenen TShirt. Mitten rein in die bayerische Bilderbuchwelt schickte er seine Botschaft aus dem Kampfgebiet; seinen Wunsch nach weiteren Waffen, vor allem Raketenabwehr, aber auch nach Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Krieg sowie Hilfe beim Wiederaufbau seines Landes. Selenskyj hofft, wie danach zu hören war, auf ein Ende des Kriegs mit Russland noch in diesem Jahr. Jedenfalls wies er, während über Elmau die Hitze brütete, auf die Härte des kommenden Winters hin, der die Gefechte erschweren werde.
Bei der Frage nach weiteren Waffenlieferungen war Scholz allerdings schon zuvor gewohnt schmallippig geworden und hatte auf die gerade erst eingetroffenen sieben deutschen Panzerhaubitzen sowie die kürzlich gestartete Ausbildung an den Raketenwerfern MARS verwiesen. In einer gemeinsamen Erklärung sagten die G7 der Ukraine dann ihre Unterstützung zu „solange es nötig ist“. Die USA preschten zudem mit der Ankündigung weiterer Sanktionen im Rüstungsbereich vor.
Einem ebenfalls von den USA schon am Vortag bekanntgegebenen Goldimportstopp schlossen sich vorerst nur vier der G7-Staaten an. Deutschland, Frankreich und Italien als EU-Mitglieder wollten sich zunächst im europäischen Rahmen abstimmen. Der G7-Gipfel könne deshalb nicht „abschließend“über die Frage entscheiden, sagte Scholz.
Infrastruktur
Als eine Art Konkurrenzinitiative zur chinesischen „Neuen Seiden„Das straße“wurde in Elmau eine „Partnerschaft für Globale Infrastruktur“ins Leben gerufen. Diese soll ein Gegengewicht schaffen zu dem chinesischen Projekt, mit dem das autoritär regierte Land neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließt. Insbesondere die USA machten sich dafür stark.
Fünf G7-Staaten sowie die EU traten dazu zusammen vor die Kameras. Frankreich und Großbritannien allerdings fehlten, und das, obwohl die Initiative im vergangenen Jahr unter britischer G7-Präsidentschaft gestartet worden war. „Gemeinsam wollen wir bis 2027 fast 600 Milliarden Dollar durch die G7 mobilisieren“, kündigte US-Präsident Biden an. Die USA würden in den nächsten fünf Jahren 200 Milliarden Dollar an öffentlichem und privatem Kapital für diese Partnerschaft mobilisieren.
ist keine Wohltätigkeit“, betonte Biden, sondern werde „auch unsere Volkswirtschaften ankurbeln“.
Klima
Ein kostenintensives Thema ist auch der Klimaschutz. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will als Gastgeber sein Vorhaben eines „Klimaclubs“voranbringen. Er soll verhindern, dass Unternehmen aus Ländern, die sich ehrgeizige Ziele beim Klimaschutz setzen, unfaire Konkurrenz aus Staaten mit niedrigen Umweltstandards erhalten.
Mitglieder des Klimaclubs sollen Staaten werden, die sich dem 1,5Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens verschrieben haben und das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 anstreben. Scholz will dabei nach und nach die größten CO2Verursacher an Bord holen. Im Visier hatte er von Anfang an neben europäischen Ländern zunächst die USA und weitere G7-Staaten, die für 21 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes stehen. Erst später sollen auch China, Indien und andere G20Länder mit in die Initiative einbezogen werden.
Gäste
Schon bei früheren G7-Gipfeln waren auch Staats- und Regierungschefs aus Schwellenund Entwicklungsländern dabei. Diesmal allerdings legte Gastgeber Scholz besonderen Wert auf die Geste, Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien mit an den Tisch zu holen. Man dürfe „nicht in die Falle tappen, die Putin aufgestellt hat“, so Scholz. Die Falle, das ist die Putinsche Lesart, es sei der „demokratische Westen“allein, der sich gegen den Krieg stelle – und damit zugleich für dessen verheerende Folgen von Weizenkrise bis Energiepreisexplosion verantwortlich sei.
Dieser Schulterschluss aber bedeutet zugleich, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die sich den Sanktionen gegen Russland verweigern und teilweise nicht einmal Putins Angriffskrieg im Rahmen der Uno verurteilen mochten. Offen ist dabei das Format des G20-Gipfels im Herbst in Indonesien, wo womöglich auch Putin anwesend sein wird. Ob er in einem solchen Fall teilnehmen möchte, ließ Scholz offen. Er versicherte aber, es sei „die gemeinsame Überzeugung, dass wir die G20 nicht torpedieren wollen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor mit Blick auf Putin betont: „Es ist auch wichtig, ihm ins Gesicht zu sagen, was wir von ihm halten.“Die G20 dürften nicht lahmgelegt werden.