Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Absturz des einstigen Popstars R. Kelly
Einst hatte er Hits wie „I believe I can fly“– Nun wird das Strafmaß im Missbrauchsprozess verkündet
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NEW YORK (dpa) - Gekleidet in einen blauen Anzug und mit weißer Corona-Maske nahm R. Kelly das Urteil gegen ihn im vergangenen September mit heruntergebeugtem Kopf und weitgehend bewegungslos auf: Schuldig in allen neun Anklagepunkten – darunter sexuelle Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung. Immer wieder hatte der frühere Pop-Superstar die Vorwürfe über seine Anwälte zurückweisen lassen, aber die Jury aus sieben Männern und fünf Frauen glaubte ihm nicht.
Am Mittwoch, 29. Juni, will Richterin Ann Donnelly nun das Strafmaß gegen den „I Believe I Can Fly“Sänger verkünden, der vom gefeierten Pop-Superstar zum verurteilten Sexualstraftäter wurde und seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt.
„Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzliche und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigung auszubeuten“, hatte die zuständige Staatsanwältin Jacquelyn Kasulis nach der Urteilsverkündung gesagt. Mehr als 25 Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft nun für den Musiker. Unter anderem angesichts „der Schwere der Vergehen, dem Bedarf für Prävention und Schutz der Bevölkerung vor weiteren Verbrechen des Angeklagten“sei eine solche Strafe angemessen, hieß es. Zusätzlich werde noch eine Geldstrafe zwischen 50 000 und 250 000 Dollar gefordert. Die Anwälte des Musikers fordern dagegen eine deutlich geringere
Strafe und haben bereits angekündigt, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.
Das Verfahren ist – nach Fällen wie denen von Filmproduzent Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby – eine weitere viel beachtete juristische Aufarbeitung der MeToo-Ära. Vertreter der MeToo-Bewegung hatten das Urteil gegen Kelly gefeiert. Der Ex-Superstar sei „der Schlimmste“der vielen Sexualstraftäter gewesen, die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, hatte Frauenrechtsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinnen in dem Verfahren vertrat, gesagt. Er habe seine Berühmtheit dazu benutzt, Minderjährige zu missbrauchen, einzuschüchtern und zu demütigen.
Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung im vergangenen Jahr die Missbrauchsvorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnten detailliert ausgebreitet, auseinandergenommen und ihre Argumente dargelegt.