Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wie Orchideen im Kreis Sigmaringen geschützt werden
Naturschutzbehörde baut Population der Pflanzen behutsam wieder auf
KREIS SIGMARINGEN (sgr) - Orchideen bilden einen ganz eigenen Bereich in der Welt der Pflanzen, die weltweit mit rund 1000 Gattungen und bis zu 30 000 Arten vertreten sind. Von den Königinnen dieser Blütenpflanzen gedeihen auch einige in heimischen Gefilden wie beispielsweise der Frauenschuh oder das Waldvöglein. Diese Orchideenarten brauchen aber für ihr erfolgreiches Wachstum eine besondere Umgebung.
Der Frauenschuh gilt nach der Roten Liste als gefährdet und ist nach der Bundesartenschutzverordnung streng geschützt und fällt auch unter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Bei einer Exkursion mit Jürgen Zimmerer von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Sigmaringen und dem Pflanzenexperten des BUND und Sigmaringer Stadtrat, Gerhard Stumpp, erläuterten die Kenner die Besonderheiten dieses seltenen Gewächses und welche Anstrengungen bisher unternommen wurden, um dessen Ausbreitung im Landkreis zu fördern. Zimmerer unterstrich bei der Begehung, dass Stumpp und sein Team sich seit Jahrzehnten für den Erhalt dieser seltenen Art engagiert: „Stumpp und seine Leute haben sich große Verdienste im hiesigen Naturschutz erworben“.
Dank dieses Engagements haben dieses Frühjahr rund 250 Frauenschuhe im Bereich zwischen Unterund Oberschmeien geblüht. Bei der Begehung des Gebiets, dass aus Gründen des Pflanzenschutzes nicht näher bezeichnet werden soll – „es gibt Leute, die trampeln wegen eines Fotos alles nieder oder schlimmer noch, sie schneiden die Pflanze ab oder graben sie aus!“– verweisen Zimmerer und Stumpp auf die Eigenheiten des Areals, einer einstigen, am Hang liegenden Wachholderheide.
„Einen Großteil des dichten verbuschten Geländes haben wir vom hohen Bewuchs befreit“, sagte Stumpp. Denn der Frauenschuh bevorzuge lichte Wälder: „Ist es zu dunkel, wächst er nicht“Außerdem brauche diese Orchidee eine bestimmte Pilzart, mit der sie in Symbiose lebt. Ohne diesen Pilz kann der Frauenschuh nicht überleben, sich nicht fortpflanzen und nicht blühen. Bis ein Frauenschuh blüht, kann es übrigens bis zu 16 Jahre dauern.
Diese Orchideen bilden zahlreiche sehr kleine Samen, die in der Regel
nicht ohne die Symbiosepilze keimfähig sind. „Der Erhalt und die Förderung von Frauenschuhbeständen ist eine komplexe Angelegenheit“, so Stumpp, „Einzelne Pflanzen können zwar uralt werden, aber irgendwann sterben sie ab“. „Deshalb“, ergänzt Zimmerer, „müssen wir auch dafür sorgen, dass das bestäubende Insekt, eine spezielle Sandbiene, im Lebensraum des Frauenschuhs vorkommen kann“. Und diese Biene brauche gut besonnte, offene Bodenstellen, wo sie ihr Nest reinbauen kann.
Er zeigt auf eine Stelle am Hang, wo der Untergrund kalkig, trocken und ohne Bewuchs ist. Hier fließe das Wasser gut ab, es trockne schnell, also gut für die Sandbiene. Erst kürzlich hat die Schwäbische Zeitung über einen Orchideenliebhaber geschrieben. Dabei ist berichtet worden, dass bei einem Frauenschuhstandort bei Jungnau das Areal durch Ziegen beweidet und damit auch die Orchideen abgefressen werden. Die Kritik, dass die staatliche Naturschutzverwaltung mit einer Beweidung auch Frauenschuhe abfressen lässt, wollen die beiden Experten so nicht stehen lassen. „Mit der Beweidung durch die Ziegen haben wir bewusst in Kauf genommen, dass einzelne Exemplare abgefressen werden“, sagte Zimmerer. Diese seien dann aber nicht verloren, sondern würden im kommenden Jahr wieder neu austreiben. „Mit der Beweidung schaffen wir die Verhältnisse, die sowohl der Frauenschuh als auch die Sandbiene braucht“, lösten die Pflanzenkenner den scheinbaren Widerspruch auf.
Seit über zehn Jahren habe sich der Landkreis Sigmaringen im Rahmen des Aktionsplanes der damaligen Landesregierung „Biologische Vielfalt – 111-Arten-Korb“verpflichtet, sich besonders um den Erhalt dieser sehr seltenen, aber im Kreis noch an etlichen Stellen vorkommenden, auch nach dem FFH-Recht der EU geschützten, Orchidee zu kümmern. „Seither kümmern wir uns jedes Jahr darum, dass entsprechende Landschaftspflegeaktionen zu Gunsten dieser Art durchgeführt werden“, so Zimmerer. Insgesamt sei in diesem Zeitraum eine fünfstellige Summe an Mitteln aus dem Landschaftspflegetopf Baden-Württembergs zur Förderung dieser Orchidee in den Landkreis geflossen. „Ein besonderes Beispiel für die Förderung dieser Art ist die Pflege des BUND Sigmaringen unter der Leitung von Stadtrat Gerhard Stumpp“, betonte Zimmerer. In rund zwanzigjähriger Arbeit sei ein fast erloschener Bestand durch behutsames und kenntnisreiches Auflichten des Gehölzbestandes in eine Erfolgsgeschichte verwandelt worden. Durch diese enge Zusammenarbeit zwischen privatem und staatlichem Naturschutz sei es gelungen, dass sich bei Oberschmeien derzeit wieder 250 Exemplare dieses botanischen Kleinodes zuhause fühlen.