Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kleine Gruppe, große Ziele
Mit neun Fahrern starten so wenige Deutsche wie zuletzt vor 20 Jahren bei der Tour de France
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KOPENHAGEN (dpa) - Die großen Namen sind in Rente, die neuen Hoffnungsträger gehen auf Etappenjagd. Nach den Rücktritten von Tony Martin und André Greipel sind Nils Politt, Lennard Kämna und Co. endgültig zu den Protagonisten im deutschen Radsport aufgestiegen. Bei der am Freitag in Kopenhagen beginnenden 109. Tour de France stehen allerdings maximal neun deutsche Radprofis am Start und damit so wenige wie noch nie in den vergangenen 20 Jahren. Qualität statt Quantität.
„Wir fahren mit unseren besten acht Rennfahrern zur Tour. Ob das dann ein Deutscher ist oder drei sind, das ist egal. Es gibt keine Vorgaben der Sponsoren“, sagt Ralph Denk, Chef des besten deutschen Teams Bora-hansgrohe. Im deutschen Meister Politt, mit Kämna und Maximilian Schachmann hat der Oberbayer drei Profis an Bord, die jeweils eine Etappe gewinnen können.
Und mit einer nur einstelligen Zahl an Fahrern ist Deutschland nicht unbedingt in schlechter Gesellschaft. Eine Radsport-Nation wie die Niederlande ist auf demselben Niveau, einst boomende Länder wie Großbritannien und die USA wohl noch darunter. Und Denk möchte von der Anzahl der Tour-Starter nicht zwingend auf den Status quo im deutschen Radsport schließen.
Doch der Manager sorgt sich massiv um die Zukunft. „Was das Volumen betrifft, ist der deutsche Radsport nicht gesegnet. Im Nachwuchs haben wir in Straßenrennen sehr kleine Starterfelder“, sagt der 48-Jährige. Vereinen werde es durch behördliche Auflagen immer schwerer gemacht, Rennen zu veranstalten. „Wenn wir Hochleistungssport und irgendwann mal wieder einen Tour-Sieger haben wollen, sind bessere Regularien gefragt. Belgien oder Italien zeigen, wie es besser geht“, betont Denk. Bora selbst scoutet im Nachwuchs mittlerweile beim Mountainbike, weil dort mehr Talente am Start stehen.
Die Öffentlichkeit nimmt solche Entwicklungen meistens erst wahr, wenn es zu spät ist. Wenn nämlich eines Tages wie in den 1980er-Jahren weniger als fünf Deutsche bei der Tour starten. Um das zu verhindern, müssen Kräfte gebündelt werden. Behörden und Vereine müssen die Rahmenbedingungen schaffen, die aktuellen Tour-Starter mit Erfolgen für die nötige Begeisterung beim Nachwuchs sorgen. Dann könnte das System erst einmal grundlegend funktionieren.