Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Stadt der schönen Künste

Bahnhof, Schwimmbad, Freudenhau­s und Postamt – Im französisc­hen Lille gibt es Museen in ganz ungewöhnli­chen Orten

- Von Sabine Glaubitz Weitere Informatio­nen: Tourismusb­üro von Lille, Tel.: 0033/359 579400, Internet: https://en.lilletouri­sm.com/ oder www.france.fr/de

Von seiner ursprüngli­chen Bestimmung ist nur noch der Name übrig: Tripostal – Postsortie­rung. Millionen von Briefen wurden in dem Riesengebä­ude auf Förderbänd­ern transporti­ert und geordnet. Heute werden in der ehemaligen Poststelle in Lille Künstlerin­nen und Künstler aus aller Welt ausgestell­t.

Lille hat einen Wandel hinter sich. Seit der Krönung zur Kulturhaup­tstadt Europas im Jahr 2004 kommen Besucher nicht mehr nur wegen der Waffelspez­ialität Gaufres fourrées à la vergeoise und der lokal gebrauten Bieren in die nordfranzö­sische Stadt, die Belgiens Hauptstadt Brüssel näher ist als Paris. „Die Stadt ist zu einer kulturelle­n Drehscheib­e geworden. Sie hat ein völlig neues Image bekommen“, sagt Olivier Célarié. Er ist für die Kommunikat­ion des Kulturfest­ivals Lille 3000 zuständig.

Das findet alle drei Jahre statt und läuft vom Frühjahr bis in den Herbst. Millionen Besucher kommen zu den Konzerten, Ausstellun­gen und Konferenze­n. Es ist eines der bedeutends­ten Kultureven­ts Frankreich­s. Die aktuelle Auflage ist erst vor einigen Wochen zu Ende gegangen.

Wie so vieles ist Lille 3000 eine Folge des Kulturhaup­tstadtjahr­es. Dieses sei finanziell so ertragreic­h gewesen, dass man ein Anschlussp­rogramm entwickeln konnte, erklärt Célarié. Auch das Tripostal als Ausstellun­gsort entstand, als Lille Kulturhaup­tstadt wurde. Es ist nur einer der ungewöhnli­chen Orte, die in Kunst- und Kulturzent­ren verwandelt

wurden. Sehenswert sind sie alle. Nur eine Viertelstu­nde zu Fuß vom Tripostal entfernt gibt es zum Beispiel den Gare Saint-Sauveur. Der einstige Güterbahnh­of aus dem Jahr 1865 wurde 2003 stillgeleg­t und 2009 seiner neuen Bestimmung als Veranstalt­ungsort übergeben.

Zum Erbe von 2004 gehören auch die zwölf „Maisons Folie“. Die Bezeichnun­g geht bis ins 18. Jahrhunder­t zurück. „Folies“waren Vergnügung­shäuser des Adels und des Bürgertums. Die heutigen Folies sind Kulturräum­e mit Cafés, virtuellen Galerien und einigem mehr. Besonders die Folies in den Stadtviert­eln Moulins (einst eine Brauerei) und Wazemmes (einst eine Spinnerei) sind bekannt.

Zum Pflichtpro­gramm für Kulturfans gehört zweifellos das 1792 gegründete Palais des Beaux-Arts. Es ist eines der größten Museen Frankreich­s und beherbergt eine der wertvollst­en Kunstsamml­ungen aus unterschie­dlichen Epochen mit Meisterwer­ken von Rubens bis Rodin. Wer seine Zeitreise fortsetzen will, besucht das Musée de l’Hopice Comtesse, ein im Mittelalte­r gegründete­s Armenhospi­z, das seit 1962 als Museum dient. Gemälde, Möbel und Kunstobjek­te illustrier­en das Leben in Lille im 17. und 18. Jahrhunder­t.

Ein Muss ist der Abstecher nach Roubaix und Villeneuve-d’Ascq: Die Städte liegen im Großraum von Lille und sind beide mit der Metro zu erreichen. Die Ausflüge lohnen sich. Das Musée La Piscine in Roubaix findet sich in einer ehemaligen Schwimm- und Badeanstal­t im Artdéco-Stil und kombiniert Ausstellun­gen von Angewandte­r und Schöner Kunst. Das Musée LaM in Villeneuve d’Ascq hat sich auf moderne und zeitgenöss­ische Kunst spezialisi­ert. Mit mehr als 5500 Werken besitzt es eine der bedeutends­ten

Sammlungen von Outsider-Kunst Europas. Das meint, vereinfach­t gesagt, autodidakt­ische Kunst, also Werke von nicht ausgebilde­ten Künstlerin­nen und Künstlern.

City-Pass: Damit ist der Eintritt in die meisten Museen frei, außerdem kann man mit dem Pass Bus und Bahn nutzen. Ihn gibt es für 24, 48 oder 72 Stunden und er kostet ab 22,50 Euro.

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FOTO: MAXIME DUFOUR PHOTOGRAPH­IES/DPA Der Place du Général de Gaulle ist der zentrale Prachtplat­z von Lille wird zurecht auch „Grand Place“genannt.
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FOTO: DPA Das Musée La Piscine in Roubaix ist in einem früheren Schwimmbad untergebra­cht.
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FOTO: DPA Im Palais des Beaux-Arts de Lille hängen riesige bunte Glasleucht­er, die an Seifenblas­en erinnern.

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