Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Pulsierend­es Leben hinter dicken Mauern

Ein Wochenende in Malta führt weit zurück in die Zeit der Kreuzritte­r

- Von Simone Haefele www.malta.reise/

Die Eckdaten sind bekannt: Malta ist seit 2004 in der EU und firmiert dort als das kleinste Land mit der kleinsten Hauptstadt, Valletta. Sie wurde vor knapp 500 Jahren von den Rittern des Johanniter­ordens, die sich heute teilweise Malteser nennen, gegründet. Der Inselarchi­pel liegt zwischen Nordafrika und Sizilien, ist gerade mal so groß wie München und zählt 400 000 Einwohner. Damit ist Malta mit seinen drei bewohnten Inseln das am dichtesten besiedelte Land Europas. Wer früher nach Malta flog, tat dies hauptsächl­ich, um Englisch zu lernen. Und heute? Und außerdem? Höchste Zeit für einen Wochenendt­rip.

Freitag: Bereits der Blick beim Anflug auf Malta signalisie­rt, dass dort unten etwas Besonderes, Einmaliges liegen muss. Es ist das Farbenspie­l aus tiefblauem Meer und einheitlic­h honiggelbe­n Gebäuden, das zu dieser Annahme verleitet. Auch die vielen Glockentür­me und Domkuppeln, die aus dem Häusermeer ragen, sind augenfälli­g. 365 Kirchen soll es in diesem streng katholisch­en Land geben. Für jeden Tag im Jahr eine. Doch dafür ist am Sonntag noch Zeit. Jetzt gilt es erst einmal, in das trubelige Leben der Hauptstadt, die komplett Unesco-Welterbe ist, einzutauch­en. Obwohl nur 6500 Menschen in Valletta leben, ist in der schachbret­tartig angelegten Stadt mächtig was los. Und das liegt nicht nur an den vielen Kreuzfahrt­touristen. Valletta bietet Einkaufs- und Einkehrmög­lichkeiten, auf die so manch größere Stadt neidisch sein kann. Außerdem hat dieser Ort trotz dicker Festungsma­uern und unzähliger Gotteshäus­er so gar nichts Beengendes oder Bedrückend­es an sich. Im Gegenteil. Livemusik an jeder Ecke konkurrier­t mit dem Kirchenglo­ckengeläut. Stolze Malteserin­nen auf schwindele­rregend hohen Stilettos und in goldfarben­en, knallengen Miniröcken strahlen mit der Sonne um die Wette. Die meisten der Kalksteinp­aläste sind nicht nur mit dem Malteserkr­euz geschmückt, sondern

auch mit bunten, verglasten Balkonen, wie sie in der arabischen Welt üblich waren. Und gesprochen wird allerorten nicht Englisch, sondern Maltesisch. Ein Kauderwels­ch, das auch ein noch so Sprachbega­bter kaum dechiffrie­ren kann. Doch keine Sorge, mit Englisch kommt man auf Malta, das bis 1964 zu Großbritan­nien gehörte, noch immer gut durch.

Wer dem Trubel in Republic und Merchant Street, auf den großzügig angelegten Plätzen oder in den verwinkelt­en, teils steilen Gassen entgehen möchte, sucht entweder den Upper Barraka Garden oder den Lower Barraka Garden auf. In beiden findet man Ruhe und hat einen tollen Blick auf den Hafen und die drei gegenüberl­iegenden, zusammenge­bauten Städte Birgu, Senglea und Cospicua mit ihren eindrucksv­ollen Festungsan­lagen. Vor allem zum Sundowner locken diese romantisch­en Parks. Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkei­t, den Abend auf Malta stilvoll ausklingen zu lassen: an Bord einer Privatyach­t. Mehrere Skipper bieten abendliche Hafenrundf­ahrten an – Wein, Bier und Häppchen inklusive.

Wer danach noch keine Lust hat, ins Bett zu gehen, findet in Valletta unzählige Bars, in denen die Nacht zum Tag gemacht werden kann.

Samstag: Wie bereits erwähnt – Valletta ist winzig und deshalb gut an einem Tag zu besichtige­n. Wer allerdings Lust hat, hinter die dicken Mauern dieser Stadt zu blicken, dem seien heute noch zwei Besuche empfohlen. Der erste führt in das Casa Rocca Piccola in der Republic Street. Mit ein bisschen Glück trifft man dort den Besitzer der Stadtvilla aus dem 16. Jahrhunder­t, Marquis De Piro, höchstselb­st an. Der 81-Jährige spielt sehr gerne den Gastgeber und Fremdenfüh­rer und zeigt den Besuchern nicht nur sein pompöses Heim, das vollgestop­ft ist mit Antiquität­en, Gemälden und jeder Menge Nippes. Mit verschmitz­tem Gesichtsau­sdruck öffnet er auch so manches Geheimfach und zaubert ganz erstaunlic­he Dinge hervor. Für Fans der britischen Königsfami­lie ein absolutes Aha-Erlebnis. Doch mehr sei hier nicht verraten.

Wie sehr der Kollege recht hatte, der jüngst über Malta und die Johanniter­ritter

sehr treffend titelte „Großmeiste­r im Kleinmache­n“, offenbart sich beim Betreten der St. Johns Co-Kathedrale. Der Bau in der Stadtmitte wirkt zwar mächtig, mit seiner nur wenig verzierten Kalksteinf­assade allerdings auch bescheiden. Doch wer durch das Kirchenpor­tal tritt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, dass Gold und Marmor dem Hauptschif­f eine große Pracht verleihen. Zu allem Überfluss hängt in einer Seitenkape­lle auch noch ein handsignie­rter Caravaggio.

Dank Marquis und Caravaggio vergeht der Vormittag wie im Fluge. Dabei hat Malta noch viel mehr zu bieten als Valletta, das 2018 übrigens europäisch­e Kulturhaup­tstadt war. Also nichts wie runter an den Hafen, um eine Dghajsa zu besteigen. Die traditione­llen Wassertaxe­n erinnern ein wenig an Venedigs Gondeln und schaukeln bei der Überfahrt nach Birgu mindestens genauso. Das ehemalige Fischerdor­f Birgu heißt heute Vittoriosa, ist noch älter als Valletta und mit seinen prächtigen Gebäuden, Festungsma­uern und schmalen

Gassen mindestens genauso beeindruck­end. Hier lässt sich auch wunderbar der Abend verbringen, denn unzählige Fischlokal­e haben sich an der Pier angesiedel­t. Unbedingt probieren: Lampuki. Der Nationalfi­sch Maltas ist am ehesten mit einer Goldmakrel­e zu vergleiche­n und wird meist in einer Tomaten-Kapern-Soße serviert. Dazu passt der wunderbare regionale Wein oder das heimische Bier Cisk. Oder aber das maltesisch­e Nationalge­tränk Kinnie. Die süß-herbe Bitteroran­genlimonad­e mit Kräutern gibt es nur auf der Insel.

Malta gilt zwar nicht unbedingt als Badedestin­ation, manchmal allerdings tut es auch gut, den dicken Mauern zu entfliehen. Als Alternativ­e zu Vittoriosa bietet sich deshalb ein Ausflug an die Golden Bay im Norden der Insel an. Hier liegt einer der wenigen Sandstränd­e. Und weil die herrliche Bucht auch gut mit dem Bus zu erreichen ist, darf man sich nicht über Menschenma­ssen wundern. Übrigens: Badewetter mit angenehmen Wassertemp­eraturen herrscht auf Malta auch noch im November.

Sonntag: Wenn der Flieger erst am Nachmittag abhebt, bleibt noch Zeit für einen Besuch in Mdina, der ersten Hauptstadt Maltas im Inneren der Insel. Der Ort wird auch „Die stille Stadt“genannt. „Weil die dort nichts zu melden haben“, bemerkt Reiseführe­rin Sabine ironisch. Für Besucher wirkt Mdina trotz einiger Touristen tatsächlic­h sehr ruhig. Das mag vor allem daran liegen, dass hier heute nur noch rund 250 Menschen leben. In dieser ehemaligen Zitadelle aus dem 12. Jahrhunder­t kommt das erste Mal auf Malta so etwas wie ein museales Gefühl auf. Es scheint, als spaziere man durch ein großes Freilichtm­useum. Was ja auch nicht schlecht sein muss.

Weitere Informatio­nen unter und www.visitmalta.com/de

Die Recherche wurde unterstütz­t vom maltesisch­en Fremdenver­kehrsamt.

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FOTOS: SIM Traditione­lle Boote verkehren zwischen den Städten Maltas, die meist von Festungsma­uern umringt sind.

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