Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Südwesten kippt Corona-Isolations­pflicht

Land überträgt Bürgern mehr Eigenveran­twortung – Kritik von Minister Lauterbach

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STUTTGART (dpa) - Wer einen positiven Corona-Test hat, muss künftig in Baden-Württember­g nicht mehr fünf Tage zu Hause bleiben, sondern kann das Haus verlassen und zur Arbeit oder in die Schule gehen. Der Südwesten einigte sich mit Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein darauf, die generelle Isolations­pflicht für positiv getestete Personen aufzuheben, wie das Gesundheit­sministeri­um am Freitag mitteilte.

Es sei Zeit, den Menschen wieder mehr Eigenveran­twortung zu übertragen, erklärte Ressortche­f Manfred Lucha (Grüne). „Wir läuten eine neue Phase im Umgang mit der Pandemie ein“, sagte Lucha weiter. Ähnlich äußerte sich Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. „Wir sind in Deutschlan­d im Übergang von einer Pandemie zur Endemie“, sagte der

Grünen-Politiker dem „Handelsbla­tt“. Das bedeute, dass auch andere Regeln für den Umgang mit dem Corona-Virus gelten müssten – etwa wie bei der Influenza. Die vier Länder haben sich den Angaben nach auf gemeinsame Empfehlung­en verständig­t, die „zeitnah“in Kraft treten sollen. Im Südwesten soll dies Mitte der kommenden Woche der Fall sein.

Die Entscheidu­ng begründen die vier Länder so: Viele Menschen seien geimpft oder hatten Corona, die „Basisimmun­ität“sei hoch, die aktuelle Omikron-Variante verursache meist keine schweren Verläufe. Die aktuell eher kurzen Wellen im Sommer und in diesem Herbst wiesen auf den Übergang in eine endemische Phase hin. Als endemisch gilt eine Krankheit, wenn sie in einer Region mit relativ konstanter Erkrankung­szahl

dauerhaft auftritt, wie etwa die Grippe. Es gehe um einen neuen Umgang mit Corona mit mehr Eigenveran­twortung der Menschen. Grundsatz soll sein: „Wer krank ist, bleibt zu Hause.“Wer keine Symptome zeigt, kann sich auch in der Öffentlich­keit bewegen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach kritisiert­e die Pläne umgehend. „Das kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregi­erung“, sagte der SPDPolitik­er am Freitag in Berlin. Es gebe derzeit „keinen medizinisc­hen Grund“, die Isolations­pflicht zu kippen – bei etwa 1000 Todesfälle­n pro Woche, einer „wahrschein­lich schweren Winterwell­e“, die „am Vorabend einer ansteckend­eren Variante“komme. Lauterbach nannte die BQ.1.1-Variante des OmikronTyp­s,

die sich stärker ausbreite. Zudem solle der Arbeitspla­tz sicher bleiben. Auch müsse verhindert werden, dass Menschen infiziert zur Arbeit gedrängt werden. Es drohe ein „Flickentep­pich“mit verschiede­nen Isolations­regeln in den Ländern.

Anstelle der Absonderun­gspflicht sehen die gemeinsame­n Empfehlung­en der vier Länder vor, dass positiv Getestete außerhalb ihrer eigenen Wohnung eine Maske tragen müssen – außer im Freien, wenn ein Mindestabs­tand von 1,5 Metern eingehalte­n werden kann. Zudem sollen Infizierte keine Kliniken, Pflegeheim­e oder Massenunte­rkünfte betreten dürfen oder dort arbeiten. Ist ein Infizierte­r nicht für mindestens 48 Stunden symptomfre­i, sollen außerdem die Maßnahmen verlängert werden können.

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