Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Zu viel Geld für Entlastungen
Die Preise steigen und steigen. Am Freitag hat das Statistische Bundesamt für den Oktober die höchste Inflationsrate seit 70 Jahren bekannt gegeben: 10,4 Prozent. Unser aller Geld hat deutlich an Wert verloren. Preistreiber sind natürlich in erster Linie die Energiekosten. Doch die Teuerung hat längst auch andere Güter des täglichen Bedarfs erreicht wie Lebensmittel, Handwerkerarbeiten und Dienstleistungen. Die Frage bleibt, wie berührt uns die Inflation auf Dauer?
Es gibt die lange gepflegte Erzählung, dass die Menschen in Deutschland besonders empfindlich auf höhere Preise reagierten, weil sich die Hyperinflation der 1920er-Jahre quasi ins nationale Gedächtnis eingebrannt habe. Das wird immer wieder behauptet, dürfte aber einer näheren Betrachtung nicht standhalten. Inflation gilt nicht nur in Deutschland als schlimm, weil sie zum einen diejenigen trifft, die es eh nicht besonders üppig haben, und weil sie wirklich schwierig zu bekämpfen ist.
Derzeit fällt auf, dass viele politische Ziele nicht dazu beitragen, die Inflation zu verringern. Die Sanktionen gegen Russland als Reaktion auf den Ukraine-Krieg und der vom Kreml als Gegenreaktion verhängte Stopp der Gaslieferungen sind Gründe für den Mangel an Energie und die gestiegenen Preise. Durch den (immerhin gestreckten) Atomausstieg wird das Angebot weiter verknappt.
Doch auch bei den Hilfspaketen der Regierung stellt sich die Frage, ob die Inflationsbekämpfung nicht ein wenig mehr in den Vordergrund gerückt werden sollte. Dass die Ampel die Steuern senkt, um nicht als Profiteur der Preissteigerungen zu gelten, ist nachvollziehbar und im gewissen Rahmen auch vernünftig. Ob die jährliche Entlastung allerdings 33 Milliarden Euro betragen muss, darf bezweifelt werden. Sie trägt jedenfalls nicht dazu bei, die Inflation zu senken, heizt sie doch zumindest bei den besser verdienenden Menschen die Nachfrage zusätzlich an. Ein Ausstieg aus der Inflation ist nicht mit mehr Hilfen und mehr Geld zu schaffen. Der beste Weg ist es, das Angebot an Energie, Rohstoffen, Materialien und Arbeitskräften zu erhöhen. Doch das kann dauern, falls es überhaupt gelingt.