Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aufwind für die Drohnenbranche
Ein neues Regelwerk zu U-Spaces könnte unbemannten Luftfahrzeugen Auftrieb geben
KÖLN (dpa) - Deutschlands Drohnenbranche ist bisher vor allem eins: ein Zukunftsversprechen. Die unbemannten Luftfahrzeuge werden zwar schon eingesetzt, etwa zur Vermisstensuche, Pipeline-Inspektion oder zum Medikamententransport. Das eigentliche Potenzial aber – darin sind sich Experten einig – ist viel größer als derzeit praktiziert. Mit einer im nächsten Jahr anstehenden Gesetzgebung könnte besagtes Potenzial im städtischen Raum besser ausgeschöpft werden. Diese neuen Drohnen-Möglichkeiten sind bei der am Dienstag in Köln startenden Luftfahrtmesse European Rotors ein großes Thema.
Es geht um „U-Spaces“, also urbane Lufträume in Bodennähe, in denen die Flüge von Drohnen, Hubschraubern und Flugzeugen koordiniert werden. Sie sind nur einige Hundert Meter hoch – wie hoch genau, muss noch festgelegt werden. Sie befinden sich unterhalb der Flughöhe von Flugzeugen – es sei denn, diese starten oder landen.
Im Gegensatz zum weiteren Luftraum, wo die Flugbewegungen mit Radar überwacht werden, ist dieser Bereich gewissermaßen unkontrolliert – es gibt dort keinen Datenaustausch, der einen genauen Überblick über alle Flugbewegungen bietet, also auch die von Drohnen. Daher dürfen die unbemannten Fluggeräte eigentlich nur in Sichtweite des am Boden befindlichen Piloten fliegen. Flüge außerhalb der Sichtweite sind zwar möglich, aber das Genehmigungsprozedere ist sehr aufwendig.
Die U-Spaces sollen das ändern, dort sollen Drohnen im Regelbetrieb auch außerhalb der Sichtweite fliegen dürfen. Um Kollisionen zu vermeiden, sollen die Standorte der Flugkörper für alle Beteiligten sichtbar gemacht werden. Ein Service Provider autorisiert die Flüge und gibt dem Drohnenpiloten Hinweise, wohin er fliegen darf.
„U-Spaces sind ein Meilenstein, um unbemannte Luftfahrzeuge besser in den Luftraum zu integrieren“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete
Anja Troff-Schaffarzyk. Die Grüne Susanne Menge sagt, dass der Betrieb von größeren Drohnen ohne U-Spaces auf Sonderanwendungen begrenzt bliebe. „Handelt es sich um andere, wiederkehrende DrohnenMissionen, geht es kaum ohne die Einrichtung von U-Spaces.“
Die EU-Kommission hat in einer Rahmenverordnung festgelegt, dass ab Ende Januar losgelegt werden darf. Wie das genau gemacht wird, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Man werde im kommenden Jahr einen Vorschlag für ein U-Space-Gesetz vorlegen, teilt das Bundesverkehrsministerium mit. Bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens könnten „Reallabore“zu Forschungszwecken ausgewiesen werden.
Nach Einschätzung von Achim Friedl vom Verband für unbemannte Luftfahrt (UAV DACH) könnten die ersten U-Spaces im Herbst 2023 beginnen. „U-Spaces können ein großer Schritt nach vorne sein, damit Drohnen häufiger eingesetzt werden als bisher.“Die Fluggeräte könnten dann in der Breite der Wirtschaft ankommen und auch Dienste für Handwerker übernehmen, etwa wenn sich ein Dachdecker aus der Ferne einen aktuellen Überblick verschaffen will.
Auch die Drohneninspektion von Strom- und Gasleitungen könnte wesentlich vereinfacht werden und die Nutzung der unbemannten Flugkörper in der Medizin könnte anziehen. „Wenn bei einer Operation eine Gewebeprobe entnommen wird und diese möglichst schnell wegen des Verdachts auf einen bösartigen Tumor in einem entfernt liegenden Labor untersucht werden muss, könnte sich die Transportzeit mit einer Drohne im Vergleich zum Autokurier erheblich verringern.“Friedl fürchtet aber, dass die Gebühren so hoch sein werden, dass sich das für viele Anwendungen nicht lohnt.
Die Grünen-Politikerin Menge sagt, zu Beginn müssten U-Spaces subventioniert werden, „um überhaupt in Gang zu kommen“. Am Ende müsse sich dieses Geschäftsfeld aber selbst tragen, betont sie.