Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Messen mit verschiedenem Maßstab?
Zu „Klima-Randalierer gefährden Menschenleben“(2. November):
Ich erwarte von einer Tageszeitung sachliche Information, keine Manipulation. Leider ist das in letzter Zeit des Öfteren nicht der Fall. Beim Artikel „Klima-Randalierer gefährden Menschenleben“beginnt das schon mit der Überschrift. „Klima-Randalierer“: Wie kommen Sie darauf, junge Menschen, die sich aus Sorge um die Umwelt, aus Verärgerung über unser aller Untätigkeit an der Straße festkleben als Randalierer zu bezeichnen. Wo randalieren die denn? „Gefährden Menschenleben“auch das ist leider keine Information, sondern eine Behauptung und die Information, die ich als Leser bräuchte, um mir eine Meinung zu bilden, wird nicht geliefert. Da haben sich junge Menschen auf der Straße festgeklebt, daher hat sich ein Stau gebildet. Sie unterschlagen die Information, dass die Festgeklebten extra Platz für ein Rettungsfahrzeug gelassen haben, und die Menschen die im Stau standen genau das, was sie laut Gesetz tun müssten, eine Rettungsgasse bilden, nicht gemacht haben. Abgesehen davon: Messen Sie da nicht mit verschiedenem Maßstab? Gefährden wir nicht alle dadurch, dass wir nicht wesentlich mehr zum Schutz der Umwelt beitragen, täglich Menschenleben?
Jedes Jahr sterben Menschen wegen Umwelteinflüssen, wegen Abgasen, Hitze, Feinstaub ganz abgesehen von Naturkatastrophen, die sich ja in den letzten Jahren deutlich gehäuft haben.
Und wenn ich mit dem Auto fahre, gefährde ich jedes Mal Menschenleben.
Wir tun das alle, obwohl uns die Folgen bewusst sind. Aber ich habe noch nie die Überschrift „CDU Wähler gefährden Menschenleben“oder so ähnlich in der „Schwäbischen Zeitung“gelesen“, und ich lese diese Zeitung täglich.
Zum selben Thema:
Verkehrsstaus bergen höhere Risiken als der frei fließende Verkehr, sei es durch direkte Unfallgefahr oder verzögerte Hilfeleistung. Wer Staus herbeiführt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, mit der auch tödliche Gefahren auftreten. Das ist schlichtweg Mathematik und so war es nur eine Frage der Zeit, wann es zum ersten Todesfall kommen würde.
Die „Aktivisten“haben indes angekündigt, ihre „friedlichen“Proteste fortzusetzen. Es geht hier aber nicht um „Friedlichkeit“, sondern um Gefährlichkeit. Das Strafgesetz kennt nicht umsonst den §315b „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“: „Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er ... Hindernisse bereitet
oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen ... gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“Leider hört und liest man von diesem strafrechtlichen Fakt im Zusammenhang mit den „Klimaprotesten“so gut wie nie. Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren.
Jürgen Votteler, Bad Waldsee
Zu „Warum Ex-Richter und CDU-Abgeordneter Axel Müller gegen Präventivhaft für Klima-Aktivisten ist“(10. November):
Ist es nicht irre, dass ein Ex-Richter sich so selbstgefällig über Präventivhaft und Strafprozessordnung ausbreiten darf, sobald es um KlimaAktivisten geht? Klimaschutz ist
spätestens seit dem aufsehenerregenden Urteil in Karlsruhe im Grundrecht verankert. Klimaschutz ist Bürgerrecht. Klimaschutz muss laut Gesetz die jungen Generationen schützen, damit deren Freiheit nicht von unserer heutigen Selbstsucht aufgefressen wird.
Und dann wurden doch auch noch neue Klimaschutzgesetze erlassen – auf Bundesebene und auch in Baden-Württemberg. Interessiert das einen baden-württembergischen Richter und Politiker überhaupt noch?
Man könnte meinen, das sei alles nicht so wichtig, Hauptsache die lästigen Aktivisten werden bestraft. Die Aktivisten, die endlich die Umsetzung von geltendem Recht einfordern, wohlgemerkt.
Vor Kurzem stand im „Focus“eine erschreckende Zahl: „Der Klimawandel
kostet Deutschland bereits 6,6 Milliarden Euro pro Jahr“. Mit zunehmender Tendenz und zunehmender Todesrate.
Und längst ist klar, dass die Politik auf ganzer Ebene versagt, weil sie ihre eigenen Gesetze und internationalen Absprachen eben lieber doch nicht umsetzen will und noch bisschen verzögert …
Wie angemessen ist es vor diesem Hintergrund, Klimaaktivisten zu bestrafen, die vor lauter Verzweiflung nicht mehr wissen was sie noch anstellen sollen, um den Klimaschutz endlich voranzutreiben? Die mit ihrer Gesundheit und mit ihrem Leben und mit ihrer Freiheit gesetzliche Pflichten einfordern müssen und dafür auch noch gehasst werden?