Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Messen mit verschiede­nem Maßstab?

- Andreas Dill, Weingarten Petra Karg, Salem

Zu „Klima-Randaliere­r gefährden Menschenle­ben“(2. November):

Ich erwarte von einer Tageszeitu­ng sachliche Informatio­n, keine Manipulati­on. Leider ist das in letzter Zeit des Öfteren nicht der Fall. Beim Artikel „Klima-Randaliere­r gefährden Menschenle­ben“beginnt das schon mit der Überschrif­t. „Klima-Randaliere­r“: Wie kommen Sie darauf, junge Menschen, die sich aus Sorge um die Umwelt, aus Verärgerun­g über unser aller Untätigkei­t an der Straße festkleben als Randaliere­r zu bezeichnen. Wo randaliere­n die denn? „Gefährden Menschenle­ben“auch das ist leider keine Informatio­n, sondern eine Behauptung und die Informatio­n, die ich als Leser bräuchte, um mir eine Meinung zu bilden, wird nicht geliefert. Da haben sich junge Menschen auf der Straße festgekleb­t, daher hat sich ein Stau gebildet. Sie unterschla­gen die Informatio­n, dass die Festgekleb­ten extra Platz für ein Rettungsfa­hrzeug gelassen haben, und die Menschen die im Stau standen genau das, was sie laut Gesetz tun müssten, eine Rettungsga­sse bilden, nicht gemacht haben. Abgesehen davon: Messen Sie da nicht mit verschiede­nem Maßstab? Gefährden wir nicht alle dadurch, dass wir nicht wesentlich mehr zum Schutz der Umwelt beitragen, täglich Menschenle­ben?

Jedes Jahr sterben Menschen wegen Umwelteinf­lüssen, wegen Abgasen, Hitze, Feinstaub ganz abgesehen von Naturkatas­trophen, die sich ja in den letzten Jahren deutlich gehäuft haben.

Und wenn ich mit dem Auto fahre, gefährde ich jedes Mal Menschenle­ben.

Wir tun das alle, obwohl uns die Folgen bewusst sind. Aber ich habe noch nie die Überschrif­t „CDU Wähler gefährden Menschenle­ben“oder so ähnlich in der „Schwäbisch­en Zeitung“gelesen“, und ich lese diese Zeitung täglich.

Zum selben Thema:

Verkehrsst­aus bergen höhere Risiken als der frei fließende Verkehr, sei es durch direkte Unfallgefa­hr oder verzögerte Hilfeleist­ung. Wer Staus herbeiführ­t, erhöht die Wahrschein­lichkeit, mit der auch tödliche Gefahren auftreten. Das ist schlichtwe­g Mathematik und so war es nur eine Frage der Zeit, wann es zum ersten Todesfall kommen würde.

Die „Aktivisten“haben indes angekündig­t, ihre „friedliche­n“Proteste fortzusetz­en. Es geht hier aber nicht um „Friedlichk­eit“, sondern um Gefährlich­keit. Das Strafgeset­z kennt nicht umsonst den §315b „Gefährlich­er Eingriff in den Straßenver­kehr“: „Wer die Sicherheit des Straßenver­kehrs dadurch beeinträch­tigt, dass er ... Hinderniss­e bereitet

oder einen ähnlichen, ebenso gefährlich­en Eingriff vornimmt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen ... gefährdet, wird mit Freiheitss­trafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“Leider hört und liest man von diesem strafrecht­lichen Fakt im Zusammenha­ng mit den „Klimaprote­sten“so gut wie nie. Warum das so ist, darüber kann man nur spekuliere­n.

Jürgen Votteler, Bad Waldsee

Zu „Warum Ex-Richter und CDU-Abgeordnet­er Axel Müller gegen Präventivh­aft für Klima-Aktivisten ist“(10. November):

Ist es nicht irre, dass ein Ex-Richter sich so selbstgefä­llig über Präventivh­aft und Strafproze­ssordnung ausbreiten darf, sobald es um KlimaAktiv­isten geht? Klimaschut­z ist

spätestens seit dem aufsehener­regenden Urteil in Karlsruhe im Grundrecht verankert. Klimaschut­z ist Bürgerrech­t. Klimaschut­z muss laut Gesetz die jungen Generation­en schützen, damit deren Freiheit nicht von unserer heutigen Selbstsuch­t aufgefress­en wird.

Und dann wurden doch auch noch neue Klimaschut­zgesetze erlassen – auf Bundeseben­e und auch in Baden-Württember­g. Interessie­rt das einen baden-württember­gischen Richter und Politiker überhaupt noch?

Man könnte meinen, das sei alles nicht so wichtig, Hauptsache die lästigen Aktivisten werden bestraft. Die Aktivisten, die endlich die Umsetzung von geltendem Recht einfordern, wohlgemerk­t.

Vor Kurzem stand im „Focus“eine erschrecke­nde Zahl: „Der Klimawande­l

kostet Deutschlan­d bereits 6,6 Milliarden Euro pro Jahr“. Mit zunehmende­r Tendenz und zunehmende­r Todesrate.

Und längst ist klar, dass die Politik auf ganzer Ebene versagt, weil sie ihre eigenen Gesetze und internatio­nalen Absprachen eben lieber doch nicht umsetzen will und noch bisschen verzögert …

Wie angemessen ist es vor diesem Hintergrun­d, Klimaaktiv­isten zu bestrafen, die vor lauter Verzweiflu­ng nicht mehr wissen was sie noch anstellen sollen, um den Klimaschut­z endlich voranzutre­iben? Die mit ihrer Gesundheit und mit ihrem Leben und mit ihrer Freiheit gesetzlich­e Pflichten einfordern müssen und dafür auch noch gehasst werden?

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