Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Narren suchen Stadtklo im Kerzenschein
Die umstrittene öffentliche Toilette ist eines der Hauptthemen beim 11.11. im Café Seelos
- Die Gäste des 11.11. werden im Café Seelos von einer roten Kerze empfangen. Akkurat aufgereiht neben dem Besteck. Was ist der Hintergrund? Im Laufe seines närrischen Vortrags beschreibt Phil Sutter, der Zunftmeister der Narrenzunft Vetter Guser, eine Blind Date, wie es in Sigmaringen in den kommenden Monaten ablaufen könnte. Ein Kerzenhalter findet im stockdunklen Sigmaringen eine Kerzenhalterin, die beiden kommen ins Gespräch, kommen sich näher. Eine Frage, die sie sich in der Dunkelheit bestimmt stellen werden: „Wo befindet sich das berühmte Stadtklo?“
Wobei wir mittendrin im Thema wären, beim umstrittenen öffentlichen WC. Während die Anwohner der Donaustraße eine Unterschriftenliste eröffnen, mit der sie ihren Protest untermauern wollen, hat der Bürgermeister Marcus Ehm vor einigen Tagen in der „Schwäbischen Zeitung“angekündigt, dass es bei dem auserkorenen Standort in der Grünanlage vor dem Geschäft von Geschenke Eichelmann bleiben werde. War’s das also?
Nein, der Bürgermeister rudert während der Narrensitzung am Martinitag sichtlich genervt zurück. „Wir haben eine Lösung gefunden, die allen passen wird“, kündigt Ehm an. Nächsten Mittwoch will er seine Idee in der Sitzung des Bauausschusses verkünden. Ob es der alternative Standort gegenüber des
Eichamts an der Einfahrt zum Kaufland-Parkplatz ist? Am Mittwoch wird man es erfahren. „Die Schwäbische Zeitung weiß es noch nicht“, stichelt der Bürgermeister.
Ehm schmeckt die von vielen Bürgern geführte Diskussion um die Toilette nicht: „Jeder schreit, dass es in Sigmaringen kein Stadtklo gibt – und wenn’s gemacht wird, ist es auch nicht recht.“
Der Bürgermeister versucht es, um gegen den wortgewaltigen Zunftmeister anzukommen, diesmal im Duett mit seinem Stellvertreter Elmar Belthle. Seit annähernd 40 Jahren sei er im Gemeinderat, frotzelt Belthle, und zum ersten Mal vom Vetter Guser eingeladen worden. Als in die Jahre kommender „Friedhofsblonder“sei es an der Zeit, seine persönlichen Archive zu öffnen. Der Ur-Sigmaringer Belthle hat ein Fasnetsplakat aus dem Jahr 1902 mitgebracht, auf dem die Narren ihre Aktion gegen die Großkopferten, gegen den Kastengeist ankündigen. Belthle trägt ein Lied vor, das sich auf das Hesse-Gedicht Glasperlenspiel bezieht. 120 Jahr später treffen diese Verse immer noch den Zeitgeist.
Landrätin Stefanie Bürkle philosophiert über die Sigmaringer Baustellen und die Sparsamkeit der Stadt Sigmaringen, die gut am fehlenden Hallenbad abzulesen sei.
Statt ein Hallenbad zu bauen, saniere die Stadt das Freibad, so Bürkle und endet schließlich in dieser Folgerung, die der Ehrenrat Hermann Brodmann, Wortschöpfer im Allerlei, so treffend findet, dass er sie sich notiert. Bürkles Wortlaut: „Was it offa isch, muss au it schließa.“Heißt in ihrer Logik: Ein Hallenbad kann sich in der jetzigen Energiekrise sowieso kaum jemand noch leisten.
Gegenüber dem Zunftmeister sitzt eine Ehrenrätin, die bei der Semerenger Fasnet schon länger nicht mehr gesehen wurde: Tanja Gönner, frischgekürte Hauptgeschäftsführerin des Lobbyverbandes der deutschen Industrie. Für sie und Landrätin Stefanie Bürkle erzählt Zunftmeister Phil Sutter – neben seinen Ausführungen zum Stadtklo – die beste Geschichte des Vormittags. Es geht um Eva, die sich im Paradies gelangweilt haben soll. Um in ihrem Dasein Zerstreuung zu finden, habe Gott Eva einen eitlen, unvernünftigen Mann zur Seite gestellt. Eva halte seither die Zügel fest in der Hand und Adam solle sie einfach im Glauben lassen, dass er als Erster erschaffen wurde. Was will Sutter uns Männern damit sagen?
Als er die Geschenke annimmt, zu denen ein Adventskalender vom Café Seelos im Vetter-Guser-Design gehört, und ein historisches Dokument zum Bräuteln aus dem 19. Jahrhundert von Bürgermeister Ehm kommt Zunftmeister Sutter auf ein altbekanntes Thema zu sprechen. „Ich weiß gar nicht, wo ich die ganzen Geschenke aufhängen soll.“Die Stadt solle ihm die 400.000 Euro geben, die das öffentliche WC koste, und er baue dem Vetter Guser ein Zunfthaus mit öffentlicher Toilette. Schönen Gruß von der roten Kerze.
„Was it offa isch, muss au it schließa.“Landrätin Stefanie Bürkle über die fehlenden Bäder in Sigmaringen.