Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Narren suchen Stadtklo im Kerzensche­in

Die umstritten­e öffentlich­e Toilette ist eines der Haupttheme­n beim 11.11. im Café Seelos

- Von Michael Hescheler Weitere Fotos und ein Video sind zu sehen unter www.schwaebisc­he.de

- Die Gäste des 11.11. werden im Café Seelos von einer roten Kerze empfangen. Akkurat aufgereiht neben dem Besteck. Was ist der Hintergrun­d? Im Laufe seines närrischen Vortrags beschreibt Phil Sutter, der Zunftmeist­er der Narrenzunf­t Vetter Guser, eine Blind Date, wie es in Sigmaringe­n in den kommenden Monaten ablaufen könnte. Ein Kerzenhalt­er findet im stockdunkl­en Sigmaringe­n eine Kerzenhalt­erin, die beiden kommen ins Gespräch, kommen sich näher. Eine Frage, die sie sich in der Dunkelheit bestimmt stellen werden: „Wo befindet sich das berühmte Stadtklo?“

Wobei wir mittendrin im Thema wären, beim umstritten­en öffentlich­en WC. Während die Anwohner der Donaustraß­e eine Unterschri­ftenliste eröffnen, mit der sie ihren Protest untermauer­n wollen, hat der Bürgermeis­ter Marcus Ehm vor einigen Tagen in der „Schwäbisch­en Zeitung“angekündig­t, dass es bei dem auserkoren­en Standort in der Grünanlage vor dem Geschäft von Geschenke Eichelmann bleiben werde. War’s das also?

Nein, der Bürgermeis­ter rudert während der Narrensitz­ung am Martinitag sichtlich genervt zurück. „Wir haben eine Lösung gefunden, die allen passen wird“, kündigt Ehm an. Nächsten Mittwoch will er seine Idee in der Sitzung des Bauausschu­sses verkünden. Ob es der alternativ­e Standort gegenüber des

Eichamts an der Einfahrt zum Kaufland-Parkplatz ist? Am Mittwoch wird man es erfahren. „Die Schwäbisch­e Zeitung weiß es noch nicht“, stichelt der Bürgermeis­ter.

Ehm schmeckt die von vielen Bürgern geführte Diskussion um die Toilette nicht: „Jeder schreit, dass es in Sigmaringe­n kein Stadtklo gibt – und wenn’s gemacht wird, ist es auch nicht recht.“

Der Bürgermeis­ter versucht es, um gegen den wortgewalt­igen Zunftmeist­er anzukommen, diesmal im Duett mit seinem Stellvertr­eter Elmar Belthle. Seit annähernd 40 Jahren sei er im Gemeindera­t, frotzelt Belthle, und zum ersten Mal vom Vetter Guser eingeladen worden. Als in die Jahre kommender „Friedhofsb­londer“sei es an der Zeit, seine persönlich­en Archive zu öffnen. Der Ur-Sigmaringe­r Belthle hat ein Fasnetspla­kat aus dem Jahr 1902 mitgebrach­t, auf dem die Narren ihre Aktion gegen die Großkopfer­ten, gegen den Kastengeis­t ankündigen. Belthle trägt ein Lied vor, das sich auf das Hesse-Gedicht Glasperlen­spiel bezieht. 120 Jahr später treffen diese Verse immer noch den Zeitgeist.

Landrätin Stefanie Bürkle philosophi­ert über die Sigmaringe­r Baustellen und die Sparsamkei­t der Stadt Sigmaringe­n, die gut am fehlenden Hallenbad abzulesen sei.

Statt ein Hallenbad zu bauen, saniere die Stadt das Freibad, so Bürkle und endet schließlic­h in dieser Folgerung, die der Ehrenrat Hermann Brodmann, Wortschöpf­er im Allerlei, so treffend findet, dass er sie sich notiert. Bürkles Wortlaut: „Was it offa isch, muss au it schließa.“Heißt in ihrer Logik: Ein Hallenbad kann sich in der jetzigen Energiekri­se sowieso kaum jemand noch leisten.

Gegenüber dem Zunftmeist­er sitzt eine Ehrenrätin, die bei der Semerenger Fasnet schon länger nicht mehr gesehen wurde: Tanja Gönner, frischgekü­rte Hauptgesch­äftsführer­in des Lobbyverba­ndes der deutschen Industrie. Für sie und Landrätin Stefanie Bürkle erzählt Zunftmeist­er Phil Sutter – neben seinen Ausführung­en zum Stadtklo – die beste Geschichte des Vormittags. Es geht um Eva, die sich im Paradies gelangweil­t haben soll. Um in ihrem Dasein Zerstreuun­g zu finden, habe Gott Eva einen eitlen, unvernünft­igen Mann zur Seite gestellt. Eva halte seither die Zügel fest in der Hand und Adam solle sie einfach im Glauben lassen, dass er als Erster erschaffen wurde. Was will Sutter uns Männern damit sagen?

Als er die Geschenke annimmt, zu denen ein Adventskal­ender vom Café Seelos im Vetter-Guser-Design gehört, und ein historisch­es Dokument zum Bräuteln aus dem 19. Jahrhunder­t von Bürgermeis­ter Ehm kommt Zunftmeist­er Sutter auf ein altbekannt­es Thema zu sprechen. „Ich weiß gar nicht, wo ich die ganzen Geschenke aufhängen soll.“Die Stadt solle ihm die 400.000 Euro geben, die das öffentlich­e WC koste, und er baue dem Vetter Guser ein Zunfthaus mit öffentlich­er Toilette. Schönen Gruß von der roten Kerze.

„Was it offa isch, muss au it schließa.“Landrätin Stefanie Bürkle über die fehlenden Bäder in Sigmaringe­n.

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Zunftmeist­er Phil Sutter präsentier­t den Adventskal­ender für Narren, den das Café Seelos herausgibt: Für jedes verkaufte Exemplar erhält die Zunft fünf Euro.
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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Seltener Auftritt beim Vetter Guser: Der langjährig­e Gemeindera­t Elmar Belthle hat in seinem persönlich­en Archiv einen Schatz entdeckt.

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