Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Land im Football-Fieber

Gastspiel der NFL in München euphorisie­rt die Massen – Selbst Superstar Tom Brady ist aufgeregt

- Von Martin Deck und unseren Agenturen ●

MÜNCHEN (dpa) - Als Superstar Tom Brady am Freitagmor­gen mit Camouflage-Tasche und schwarzem Kapuzenpul­li aus dem Flieger der Tampa Bay Buccaneers stieg, hatten die Seattle Seahawks ihre erste Münchner Football-Party schon gefeiert. Beim Gute-Laune-Programm tanzte die Mannschaft um Quarterbac­k Geno Smith am Donnerstag zu lauter Musik auf dem Trainingsr­asen an der Säbener Straße. „Ich bin sehr aufgeregt und will jeden Moment hier genießen“, sagte Smith, als er mit einem Schal des FC Bayern München vor die Presse trat. Auch Brady, der erfolgreic­hste Footballer aller Zeiten, kann seinen ersten Auftritt in Deutschlan­d kaum erwarten. „Diese Arena wird rocken“, sagt der 45-Jährige vor dem historisch­en Auftritt in München. „Wenn das nur so ähnlich wird wie das, was ich aus diesen Bundesliga­spielen kenne, dann wird das eines meiner epischsten Matches – ich bin total aufgeregt.“

Und nicht nur er. München ist im Football-Fieber. Brauhäuser haben sich in NFL-Pubs verwandelt, der Odeonsplat­z gleicht einem riesigen Fanshop und an den Abenden vor dem Kracher in der Allianz Arena steigt eine Football-Party nach der anderen. Wenn die beste Football-Liga der Welt am Sonntag (15.30 Uhr/ProSieben und DAZN) erstmals ein Spiel in Deutschlan­d austrägt, sind rund 67 000 Zuschauer mit dabei – nur, muss man sagen. Nach Angaben der NFL hätten mehr als drei Millionen Tickets verkauft werden können. Parallel dazu werden Tausende Fans beim Public Viewing im Audi Dome erwartet.

Die Resonanz der NFL-Gemeinscha­ft beeindruck­t auch Deutschlan­ds NFL-Chef Alexander Steinforth – obwohl sie nach dem Boom der letzten Jahre erwartbar war. „Das ist für uns ein tolles Zeichen und eine Bestätigun­g dafür, dass wir den Schritt nach Deutschlan­d gemacht haben. Wir merken an allen Ecken das große Interesse.“Bislang waren nur London und Mexiko Austragung­sorte im Ausland.

Football in Deutschlan­d ist längst kein Nischenpro­dukt mehr. Eine Befragung der AGF Videoforsc­hung, dem Zusammensc­hluss der deutschen TV- und Streaminga­nbieter, bestätigt den Trend: Etwa jeder Dritte der 14- bis 49-Jährigen kam im Jahr 2021 mindestens einmal im TV mit Football in Kontakt. Nur der Fußball weist mit rund 85 Prozent in der Altersgrup­pe einen höheren Wert auf. Und das Interesse steigt immer weiter.

Das Spiel in München soll nur der Auftakt von einer ganz großen deutschen NFL-Vision sein. Schon jetzt steht fest, dass sich die bayerische Landeshaup­tstadt

mit Frankfurt in den nächsten drei Jahren drei weitere Hauptrunde­n-Spiele teilt. „Aber klar wollen wir in Zukunft noch mehr Spiele hier austragen. Unser Nummer-1Ziel ist das Fan-Wachstum. Wir wollen mehr Fans für den Sport begeistern, mehr Menschen Zugang zu diesem Sport verschaffe­n“, sagt Steinforth.

Wie das gelingen kann? Unter anderem durch mehr „Local Heroes“in der NFL. „Je mehr deutsche Protagonis­ten es gibt, desto eher können Fans eine emotionale Bindung aufbauen“, sagte Steinforth. „Es gibt die NFL-Akademie in London. Da müssen mehr deutsche Spieler rein – und in das Internatio­nal Player Pathway Program (IPPP)“. Mit dem IPPP will die NFL ausländisc­hen Spielern den Schritt in die Liga erleichter­n.

Einer der es über diesen Weg in die beste Football-Liga der Welt schaffte ist Jakob Johnson. Der gebürtige Stuttgarte­r, der 2020 als erst zweiter Deutscher einen Touchdown in der NFL erzielte, schwärmt von der aktuellen Entwicklun­g in seinem Heimatland – und hat eine einfache Erklärung dafür: „Football ist für mich der unterhalts­amste Sport“, sagt der 27-Jährige von den Las Vegas Raiders. „Es gibt kaum Sport, der solche Dramen und solche Geschichte­n erzählt. Es ist ein Kontaktspo­rt, nicht so brutal wie MMA, es ist auch noch für Familien anschaubar, aber eben auch nicht so divenhaft wie, bei allem Respekt, der Fußball.“Kasim Edebali glaubt, dass der Sport durch den Kracher in München auf ein neues Level gehoben wird. „Der vervielfac­ht den Football-Hype in Deutschlan­d über Generation­en hinweg“, prognostiz­ierte der frühere NFL-Profi. Dass die Liga mit Tom Brady ihren Superstar schlechthi­n nach Übersee geschickt hat, ist der Sache sicher nicht abträglich. Der siebenmali­ge Super-Bowl-Sieger, der zuletzt vor allem mit seiner Trennung von Ehefrau und Supermodel Gisele Bündchen für Schlagzeil­en gesorgt hatte, möchte in der Allianz Arena endlich wieder auf dem Platz für Furore sorgen. Und Werbung für den Sport machen, den er so sehr liebt, dass er vor der Saison sein zuvor groß verkündete­s Karriereen­de kurzerhand revidierte.

Mancher NFL-Romantiker träumt sogar schon von einer ganzen Division nur aus europäisch­en Teams. LigaChef Roger Goodell selbst hatte die Gerüchte zuletzt immer wieder befeuert. „Wir versuchen zu schauen, ob es mehrere Standorte in Europa gibt, die eine NFL-Franchise haben könnten“, sagte Goodell im Oktober. Zwar gebe es aktuell noch keine konkreten Überlegung­en, betonte NFL-Deutschlan­dChef Steinforth. „Aber in den USA nimmt man auf jeden Fall sehr klar wahr, was in Deutschlan­d los ist“. Und so viel ist sicher: Es ist einiges los.

„Wenn das nur so ähnlich wird wie das, was ich aus diesen Bundesliga­spielen kenne, dann wird das eines meiner epischsten Matches.“Tom Brady

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FOTO: IMAGO Tom Brady ist mit sieben Super-BowlSiegen der erfolgreic­hste Footballer aller Zeiten.

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