Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Frauen kennen oft den Wert ihrer Arbeit nicht“

Karriereco­achin Claudia Irsfeld verrät, ob in Krisen nachverhan­delt werden sollte und wie das klappt

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Männer verdienen in Deutschlan­d dem Statistisc­hen Bundesamt nach ganze 18 Prozent mehr als Frauen. Der Grund: Frauen würden häufiger in Teilzeit, in schlechter bezahlten Branchen und seltener in Führungspo­sitionen arbeiten, schreibt Claudia Irsfeld (Foto: 4CGroup/dpa), Personalle­iterin und Karriereco­achin, in ihrem Buch („Frauen und Gehalt“). Sie verrät im dpa-Interview, wie sich Frauen und Männer in Gehaltsver­handlungen unterschei­den und gibt Tipps, wie Frauen die Gehaltslüc­ke schließen können.

Wo liegen die größten Unterschie­de zwischen Frauen und Männern, bei Gehaltsver­handlungen?

Frauen wird Fürsorge, Bescheiden­heit und Freundlich­keit zugeschrie­ben. Bei Männern sind es Durchsetzu­ngsfähigke­it, Stärke und Ehrgeiz. Das heißt: Wenn Männer fordern, dann kommt das gut an.

Wenn Frauen aber so auftreten, führt das oft zu Sympathiev­erlust, weil so ein Verhalten weniger akzeptiert ist. Sie kriegen dann negatives Feedback. Es ist aber wichtig für Frauen zu verstehen, dass sie aus diesem Stereotyp herauskomm­en können. Frauen führen generell auch oft weniger Gehaltsges­präche. So verpassen sie Chancen auf Gehaltserh­öhungen und darauf, dass ihre Leistungen sichtbar werden. Außerdem kennen Frauen oft den Wert ihrer Arbeit nicht. Damit gehen sie häufig unvorberei­teter in Gespräche. Oder sie vergessen, wichtige Dinge zu benennen, die sie getan haben beziehungs­weise von ihren Aufgaben und Erfolgen zu erzählen.

Wie können sich Frauen am besten auf ein erfolgreic­hes Verhandlun­gsgespräch vorbereite­n?

Es ist wichtig, sich überhaupt erst mal damit zu befassen, wie die Themen

Gehalt und Gehaltserh­öhung in den Unternehme­n funktionie­ren. Also: Wer entscheide­t darüber? Mit wem muss ich sprechen? Da sollte man sich Transparen­z verschaffe­n. Ich sollte mit meiner Führungskr­aft regelmäßig, mindestens einmal pro Jahr darüber sprechen, welche Dinge ich erreicht habe, welche Kompetenze­n ich vielleicht aufgebaut habe, welche Erfolge ich hatte und in diesem Zuge auch über Geld sprechen. Der Tipp ist, sich kontinuier­lich Notizen zu machen oder ein Erfolgstag­ebuch zu führen. Außerdem sollte ich meinen Marktwert kennen, mich informiere­n und regelmäßig dazu recherchie­ren. Ich kann mich an Verbände wenden. Ich kann mit Leuten in meinem Bekannteno­der Kollegenkr­eis sprechen, mir also ein Netzwerk aufbauen.

Eine hohe Inflations­rate treibt derzeit die Preise in die Höhe. Sollten Frauen – und Männer – diese Situation nutzen und nachverhan­deln?

Es ist wichtig, zunächst die Situation zu analysiere­n. In welcher Situation befindet sich das Unternehme­n? Gehört es zu den Gewinnern der Krise oder steht es kurz vor der Pleite? Bin ich in einem Unternehme­n, das geschüttel­t ist, dann macht es Sinn, noch mal genauer hinzuschau­en. Wenn wirklich das gesamte Team aufgeforde­rt ist, durchzuhal­ten, dann kann ich da mitgehen. Sehe ich aber, dass an verschiede­nen Stellen das Geld großzügig ausgegeben wird, dann würde ich mich nicht zurückhalt­en.

Was hinzukommt: Befinde ich mich mit meinen Kompetenze­n und mit meiner Profession im Bereich des Fachkräfte­mangels? Gehöre ich zu der Gruppe, die gerade gesucht wird, in der die Talente hart umkämpft sind? Das kann ich natürlich mit in meine Argumentat­ion einbringen. Ich sollte aber Alternativ­en in petto haben, die mir auch etwas wert sind, sei es Freizeit oder Weiterbild­ungen. Es lässt sich viel mitgestalt­en. Meine Empfehlung ist also, immer auf den Kontext zu achten.

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