Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Land macht beim CO2-Sparen ernst
Mit dem neuen Klimaschutzgesetz bekommen die Ministerien konkrete Reduktionsziele
- Mehr Platz für erneuerbare Energien, klare Vorgaben zur CO2-Reduktion für jeden Bereich: Zum dritten Mal in drei Jahren hat der Südwesten sein Klimaschutzgesetz verschärft. Neu in den Blick gerät nun auch die Anpassung an den Klimawandel. Die Entscheidung im Landtag am Mittwoch ist nur der erste Schritt. Wichtiger, weil konkreter, ist das sogenannte Klima-MaßnahmenRegister (KMR). Was darin steht und wann es folgt, ist aber noch offen.
Die Ziele sind ambitioniert: Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral sein – fünf Jahre früher als es der Bund festgelegt hat. Die grünschwarze Koalition hat dem Südwesten zudem verordnet, bis 2030 bereits 65 Prozent weniger CO2 auszustoßen als 1990. Die am Mittwoch von der grün-schwarzen Mehrheit beschlossene Novelle des Klimaschutzgesetzes soll helfen, diese Wegmarken zu erreichen.
Deutlich früher als es der Bund verlangt, nämlich schon bis 2025, werden nun 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen und „mindestens 0,2 Prozent“für Freiflächen-Photovoltaik, wie es im Gesetz heißt. Außerdem können Kommunen nun Bürger zwingen, sich ans Fernwärmenetz anzuschließen. Das Land will perspektivisch auch kein Fördergeld mehr in Projekte stecken, bei denen viel CO2 entsteht und verordnet sich selbst bis 2030 eine PV-Pflicht für alle geeigneten Dächer auf Landesgebäuden. Beim Bauen führt das Land für eigene Vorhaben einen CO2-Schattenpreis ein und ermuntert die Städte und Gemeinden, es ihm gleichzutun.
Eine Besonderheit des Gesetzes, über das die Koalitionäre lange gestritten haben: Als erstes Bundesland legt Baden-Württemberg nun Sektorziele fest. Das heißt, dass jeder Bereich festgelegte Mengen an CO2 bis 2030 einsparen muss – die Energiewirtschaft etwa 75 Prozent, der Verkehr 55 Prozent, der Gebäudesektor 49 Prozent im Vergleich zu 1990. Verantwortlich dafür sind die zuständigen Ministerien. Solche Pläne gibt es bislang nur auf Bundesebene für ganz Deutschland. „Die festgelegten Sektorziele stellen sicher, dass alle ihren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten“, lobte die Grünen-Abgeordnete Jutta Niemann.
Auf welche Weise die Einsparziele umgesetzt werden sollen, soll das KMR regeln. Es ist ein Register, in dem Maßnahmen aufgelistet, überprüft und angepasst werden sollen. Es sei zwar fertig, heißt es aus Koalitionskreisen,
aber öffentlich ist es noch nicht. Das soll kommende, spätestens übernächste Woche passieren, sobald Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Kabinett dieses abgesegnet haben. Nathalie Pfau-Weller (CDU) nannte das KMR denn auch das „Herzstück des Klimaschutzgesetzes“.
Das KMR sei ein zentraler Bestandteil des Gesetzes, bestätigte auch Daniel Karreis (FDP) und nannte es umso ärgerlicher, dass es den Parlamentariern am Donnerstag nicht vorlag. Auch drücke sich die Regierung davor, den Neuerungen ein Preisschild zu verpassen. „Es kann nicht sein, dass ein so weitreichendes Gesetz verabschiedet wird, aber nicht hinterlegt ist, wie viel das
kosten wird“, kritisierte er. „Das ist keine seriöse Politik.“Ob das Parlament umfassend informiert sei und so eine fundierte Grundlage für eine Entscheidung habe, wolle seine Fraktion vielleicht mit einer Klage überprüfen. „Wir kaufen hier quasi die Katze im Sack, das kann nicht der Anspruch eines Landtags sein.“
Karreis wie auch Joachim Steyer von der AfD äußerten zudem Kritik am Anschluss- und Benutzungszwang. „Wie soll der Bürger das finanzieren“, fragte Steyer. Und Karreis betonte: „Klimaschutz klappt nur mit Akzeptanz der Bürger und Kommunikation.“Gar nicht auf dem Schirm habe die Landesregierung die Themen Geothermie und Abscheiden von CO2, das sogenannte Carbon
Capture and Storage (CCS). Über Letzteres sei sie im Austausch mit der Bundesregierung, betonte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). CO2 müsse zwar zuvorderst vermieden und verringert werden, aber ein Rest werde bleiben – etwa in der Zementindustrie. „Deshalb ist es gut, dass der Bund das Thema CCS jetzt vorantreibt“, so Walker. Es brauche eine nationale Infrastruktur dafür, eine geologische Untersuchung, wo der Stoff gespeichert werden könne – und Gespräche mit Nachbarländern.
Der Ausbau erneuerbarer Energien habe dank der Novelle nun bei Abwägung in den Ämtern immer Vorrang, lobte Walker. Doch auch sie gestand ein: „Es ist misslich, dass wir das Klima-Maßnahmen-Register heute nicht gleichzeitig hier vorlegen können.“Das werde aber bald nachgeholt und sei ohnehin nur ein Startschuss. Die darin enthaltenen Maßnahmen würden stetig angepasst, der Klimasachverständigenrat des Landes überprüfe deren Wirksamkeit und schlage Nachbesserungen vor.
Jener Klimasachverständigenrat hat sich vergangene Woche in einer Anhörung zum Klimaschutzgesetz und dem KMR geäußert. Dessen Vorsitzende Maike Schmidt hatte die im Gesetz formulierten Ziele zwar als angemessen bezeichnet, aber „das gegenwärtige politische Handeln wie auch das Verwaltungshandeln sind es nicht“. Das KMR könne wirkungsvoll sein, hatte Schmidt gesagt. Und deshalb gehöre es auch ins Gesetz, kritisierte Gabi Rolland (SPD) am Mittwoch im Plenum.
Rollands Fraktionschef Andreas Stoch warf der grün-schwarzen Koalition vor, ihre Vorhaben seien nicht verbindlich genug. Die Regierungsfraktionen hatten noch eine Änderung durchgesetzt. Stoch vermutet, Grün-Schwarz wolle damit KLagen gegen das KMR vermeiden. „Grüne und CDU scheuen verpflichtende Entscheidungsgrundlagen“, erklärt er. Das stört auch den Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle. „Leider hatte dem Vernehmen nach insbesondere die CDU darauf Wert gelegt, dass das Gesetz so formuliert wird, dass die Ziele am Ende nicht einklagbar sind“, erklärt er. „Auch das beste Gesetz und die ambitioniertesten Ziele sind nicht viel wert, wenn man für die Nicht-Erreichung am Ende nicht geradestehen will.“
Koalitionskreise betonen indes, dass dies lediglich eine Präzisierung sei. Gegen die Ziele im Gesetz könne natürlich geklagt werden, gegen die im KMR formulierten Maßnahmen eher nicht – denn hier sei ohnehin alles im Fluss.