Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Was von der Leyens Plan bedeutet

Kampf um Europas Industrie – EU-Kommission reagiert auf massive Subvention­en in den USA und China

- Von Marek Majewsky

(dpa) - Die Europäisch­e Union (EU) fürchtet angesichts milliarden­schwerer Staatshilf­en in den USA und China um die heimische Wirtschaft. Jetzt legt Brüssel nach: Ein neuer Industriep­lan soll es ermögliche­n, wettbewerb­sfähig zu bleiben und klimafreun­dliche Technologi­en in der EU zu fördern.

Warum muss die Europäisch­e Union reagieren?

Die Welt muss klimafreun­dlicher werden, um die Lebensgrun­dlagen zu erhalten. Weil man damit bereits spät dran ist, wird nun umso entschiede­ner um wichtige Industriez­weige gekämpft. Das sind etwa die Energiepro­duktion aus Sonne und Wind, aber auch umweltfreu­ndliche Autos oder Technologi­en für nachhaltig­es Heizen. Verschiede­ne Akteure wie die USA, China, Japan oder Indien locken Unternehme­n längst mit enormen Summen, damit diese Industriez­weige bei ihnen ausgebaut werden. Die Idee dahinter: Die Investitio­nen rentieren sich, indem gute Arbeitsplä­tze entstehen und Produkte weltweit verkauft werden können. Die Angst Europas ist deshalb, in diesem wichtigen Rennen abgehängt zu werden.

Wie wird die EU reagieren?

Das steht noch nicht genau fest, aber es gibt jetzt einen ersten Vorschlag von EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Im Grunde soll auch hierzuland­e die Industrie mit einem dreistelli­gen Milliarden­betrag gefördert werden. Zudem ist das Ziel, bürokratis­che Hürden abzubauen. Zunächst sollen bestehende EU-Mittel genutzt und die Regeln für staatliche Beihilfen gelockert werden. Eigentlich sind letztere in der EU relativ streng. Im Zuge der Corona-Pandemie und um Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine abzufedern, waren sie aber schon entschärft worden. Debatten gibt es etwa noch daEU-Kommission rum, inwiefern frisches Geld – etwa in Form gemeinsame­r Schulden – genutzt werden soll.

Was bedeutet der Konkurrenz­kampf für die Bürgerinne­n und Bürger?

Die direkten Auswirkung­en sind kurzfristi­g wohl überschaub­ar, langfristi­g aber nicht. Es geht darum, gut bezahlte Industriea­rbeitsplät­ze zu erhalten und neue aufzubauen. Die betont etwa, dass in grünen Wirtschaft­sbereichen zwischen 2000 und 2019 rund 1,3 Millionen Jobs entstanden seien. Allein die Batteriein­dustrie schätze, dass bis 2025 um die 800.000 neue Arbeitskrä­fte gebraucht würden.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) fordert, dass staatliche Förderunge­n an Bedingunge­n geknüpft sein müssen, damit sie für die Menschen ein besseres Leben bringen. Als Beispiel nannte die DGBVorsitz­ende Yasmin Fahimi Beschäftig­ungssicher­ungen.

Sollen durch den Plan auch Energiepre­ise sinken?

Ja, es soll eine zuverlässi­ge Energiever­sorgung gewährleis­tet werden. Der Krieg gegen die Ukraine und die in diesem Zuge stark gestiegene­n Energiepre­ise haben die Abhängigke­it Europas von fossilen Brennstoff­en

deutlich gemacht. Energie soll künftig „made in Europe“und Preise sollen damit weniger anfällig für geopolitis­che Spannungen sein. Zudem ist der Plan Teil der EU-Klimaschut­zbemühunge­n. Wenn die Klimakrise weiter voranschre­itet, wird etwa Extremwett­er wahrschein­licher und die Lebensmitt­elversorgu­ng schwierige­r.

Welche Auswirkung­en hat die Reaktion für Europa und Deutschlan­d?

Wirtschaft­svertreter loben, dass nun ein Fahrplan vorliegt, wie die Wirtschaft in der EU gestärkt werden kann. „Der Industries­tandort Europa steht an einem kritischen Punkt“, betont etwa der Bundesverb­and der Deutschen Industrie. Die Deutsche Industrie und Handelskam­mer teilte mit, dass man noch abwarten müsse, wie sich das Vorhaben entwickle. Der SPD-Europaabge­ordnete Matthias Ecke sieht auch große Chancen für Ostdeutsch­land. Die Industrie wolle gerade dort investiere­n. „Dafür verbessern wir in Brüssel gerade die Bedingunge­n.“Der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) sieht in den Vorschläge­n das Potenzial, gute Industriea­rbeitsplät­ze in Deutschlan­d zu erhalten. Nun müsse das Vorhaben nur schnell umgesetzt werden.

Wie geht es weiter?

Die Vorschläge werden jetzt in den EU-Hauptstädt­en analysiert. Nächste Woche kommen dann die europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel zusammen und sprechen über das Vorhaben. Diskussion­en dürfte es vor allem darum geben, wie kleine EU-Staaten im Wettbewerb mit großen Ländern wie Deutschlan­d und Frankreich nicht benachteil­igt werden. Nächsten Monat will die EU-Kommission dann Rechtstext­e vorlegen. Auch diesen müssen die EU-Staaten zustimmen. Änderungen am bisherigen Fahrplan sind also möglich.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Zur Rettung des Industries­tandorts Europa muss die EU nach Einschätzu­ng von Ursula von der Leyen, Präsidenti­n der EU-Kommission, Hunderte Milliarden Euro in klimafreun­dliche Technologi­en investiere­n.
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Mehr als 50 Jahre Luftfahrtg­eschichte: Boeing hat die letzte 747 (links) am Dienstag an Atlas Air übergeben, rechts daneben die erste 747 bei ihrem Jungfernfl­ug 1969.
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FOTOS: JOHN FROSCHAUER/DPA. BOEING/DPA

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