Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ostrachs Herzen bluten
Menschen aus dem Umfeld des Ostracher Pfingstturniers äußern sich zum Turnieraus
- Das internationale Juniorenfußballturnier im Ostracher Buchbühl ist Geschichte. Die 49. Austragung im Jahr 2019 bleibt die letzte, eine 50. Jubiläumsveranstaltung wird es nicht geben. Die „Schwäbische Zeitung“hat einige Stimmen eingesammelt, von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten das Turnier mitbestimmt oder an maßgeblicher Stelle begleitet haben.
Andreas Barth, Turnierdirektor seit 2009, gemeinsam mit Hermann Möhrle, dem ehemaligen Vorsitzenden des FCO, hält den Schritt für den richtigen. „Der Verein ist solide aufgestellt und es ist richtig, mit dem Pfingstturnier nicht ins Risiko zu gehen. Natürlich blutet mir das Herz. Um diese Jahreszeit waren wir alle schon auf Vollgas, haben schon sehr viel für das Pfingstturnier gearbeitet“, sagt Barth. „Natürlich ist es schade, für den FC Ostrach, für die Gemeinde. Mir tun auch die Kinder leid, die in Zukunft kein Turnier mehr haben, die nicht mehr durchs Stadion rennen können, um sich von den vielleicht zukünftigen Stars Autogramme zu holen. Das tut mir richtig weh“, sagt Barth. Trotz allem sei der Schritt verständlich und nachvollziehbar. Positiv in Erinnerung blibben ihm die Begegnungen mit den Menschen, die er in den vergangenen Jahren gehabt habe, sei es mit den Gästen der einzelnen Vereine. So seien Freundschaften und Verbindungen entstanden. „Ich habe ich mit Frieder Schrof telefoniert und auch er hat sehr bedauert, dass es das Turnier nicht mehr gibt.“Schrof war jahrelang Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des VfB Stuttgart, ehe er - wie einige andere Verantwortliche des Stuttgarter Fußballs, darunter der inzwischen verstorbene Thomas Albeck - nach Leipzig wechselte. Vor allem aber erinnert sich Barth an die vielen Helfer im Verein und im Umfeld, die das Turnier unterstützten und ohne die das Turnier nicht möglich gewesen wäre. „Da hat jeder mitgezogen. Das war ein einzigartiges Erlebnis“, erinnert sich Barth. Natürlich sei es besonders bitter, vor der 50. Auflage das Turnier zu „beerdigen“, die Entscheidung aber sei die einzig richtige, auch und vor allem vor dem Hintergrund der explodierten Kosten.
Hubert Frank,
Ehrenmitglied des FC Ostrach und ehemaliger Vorsitzender des Vereins, begleitete das Turnier seit seiner Entstehung 1971 und ist einer der Zeitzeugen des Jugendfußballturniers
in Ostrach. Der Fan der Frankfurter Eintracht - die Eintracht war der letzte Ostrach-Sieger 2019 - sagt: „Die Entscheidung ist absolut nachvollziehbar.“Es sei richtig, dass der Verein nicht ins Risiko gehe, „so leid mir das für das Turnier tut. Natürlich geht so eine Ära zu Ende, für den FC Ostrach, aber auch für die Gemeinde und die Region. Denn das Turnier sei auch für den FC Ostrach als Verein wichtig gewesen. So habe man durch die vielen freiwilligen Helfer oft Talente für die Vereinsarbeit gewinnen und an den Verein binden können. „Das Turnier hatte in den Jahren stetig an Qualität hinzugewonnen“, und habe ein gewisses Ausmaß erreicht, so der Ortsvorsteher von Magenbuch. Für das mangelnde Zuschauerinteresse hat Frank eine Erklärung: „Du siehst inzwischen an jedem Tag Fußball im Fernsehen. Das beginnt am Samstagmittag mit der 2. Liga, da bleiben halt viele zu Hause und schauen sich Fußball am Fernseher an.“Der Jugendfußball leide unter dem Spitzenfußball. „Der Fußball erschlägt den Fußball“, sagt Frank. Das Zuschauerinteresse in Ostrach habe in den vergangenen Jahren kontinuierlich
abgenommen, so Frank, der unter anderem viele Jahre lang als Verantwortlicher von Seiten des FC Ostrach die Pressekonferenzen beim Pressestammtisch der „Schwäbischen Zeitung“mit den Trainern im Festzelt begleitete und leitete. Er erinnert sich gerne an die Auftritte von Trainern wie Christian Streich, einst U19-Trainer beim SC Freiburg. Legendär sei auch so mancher Abend beim Empfang der Gemeinde Ostrach oder manch’ Abend im Gasthaus „Brücke“gewesen, wo in den frühen Jahren oftmals weite Teile der „dritten Halbzeit“über die Bühne gingen. „Rudi Kargus (ehemaliger HSV-Torwart, d. Red.) war so begeistert, der hat mal gesagt: Mensch, bei Euch ist mehr los als in Hamburg.“
Herbert Dettling,
fast drei Jahrzehnte Turnierdirektor, -organisator und letztendlich mitentscheidend dafür, dass das
Turnier seinen Stellenwert erlangte, bedauert den Entschluss, zeigt aber angesichts der Entwicklung auch Verständnis. Mir blutet das Herz“, sagt auch Herbert
Dettling und wählt die selben
Worte wie Andreas Barth. Das Turnier sei eine tolle Sache gewesen, die
viel gebracht habe, für den Verein, die Gemeinde und auch die Mannschaften. Dettling lobt den Einsatz der vielen Helferinnen und Helfer, ohne die ein solches Turnier nicht zu stemmen gewesen sei. Gerne erinnert er sich an einige Anekdoten aus der Vergangenheit. „Als zum ersten Mal eine Mannschaft zum Turnier kam, die mit dem Flugzeug anreiste.“Oder an die erste brasilianische Mannschaft. An die Turniere erinnert er sich „als viel Arbeit, bei der aber viele Menschen geholfen haben, ehrenamtlich, ohne Geld. Ein Ereignis, in das wir alle sehr viel Herzblut hineingesteckt haben.“Das alles sei heute auch nicht mehr so einfach.
Christoph Schulz, Bürgermeister von Ostrach, erinnert sich an die Bedeutung und an die Außenwirkung, die das Turnier für die Gemeinde Ostrach hatte: „Eine Anekdote: Wir haben vor einigen Jahren eine Bürgerbefragung durchgeführt. Da hatten wir einen Fragenkatalog entworfen zum Thema: Was verbinden Sie mit Ostrach? Da haben die Bürgerinnen und Bürger alles mögliche geantwortet. Aber die meisten Nennungen erhielt das Pfingstturnier. Das ist bezeichnend.“Für ihn persönlich sei das Wochenende des Pfingstturniers immer sehr schön gewesen. „Da haben wir tolle Abende erlebt, wie beispielsweise beim Empfang der Gemeinde oder bei der Players Night. Aber natürlich auch tolle Fußballspiele, bei der alle mit dem nötigen
Ernst bei der Sache waren. Ich erinnere mich gerne auch an manchen Spielerscout, den ich in Ostrach kennengelernt habe. Einer ist ja sogar mal in Ostrach hängengeblieben.“Das Pfingstturnier sei auch die Zeit im Jahr gewesen, in der ein kleiner Ort wie Ostrach auch mal etwas mehr im Rampenlicht gestanden habe. Auch der Bürgermeister, der noch bis August im Amt ist, hat Verständnis für den Entschluss der Veranstalter und des ausrichtenden Vereins. In einer Zeit, in der der große Fußball immer weiter kommerzialisiert werde, immer mehr das Geld eine Rolle spiele. „Wir müssen die Entscheidung so akzeptieren. Natürlich war das Pfingstturnier ein Aushängeschild für die Gemeinde, hatte eine Außenwirkung. Aber beim FC Ostrach geht es ja auch und vor allem darum, dass die eigenen Jugendlichen dort Fußball spielen können und eine gute Ausbildung erhalten.“Insgesamt seien ja die Argumente nicht neu. „Selbst im Frauenfußball, wo früher auch mal ein Dorfverein in der Bundesliga gespielt hat.“Für Ostrach, auch für die Gemeinde, gehe aber mit dem Ende des Pfingstturniers eine Ära zu Ende.