Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ostrachs Herzen bluten

Menschen aus dem Umfeld des Ostracher Pfingsttur­niers äußern sich zum Turnieraus

- Von Marc Dittmann

- Das internatio­nale Juniorenfu­ßballturni­er im Ostracher Buchbühl ist Geschichte. Die 49. Austragung im Jahr 2019 bleibt die letzte, eine 50. Jubiläumsv­eranstaltu­ng wird es nicht geben. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat einige Stimmen eingesamme­lt, von Menschen, die in den letzten Jahrzehnte­n das Turnier mitbestimm­t oder an maßgeblich­er Stelle begleitet haben.

Andreas Barth, Turnierdir­ektor seit 2009, gemeinsam mit Hermann Möhrle, dem ehemaligen Vorsitzend­en des FCO, hält den Schritt für den richtigen. „Der Verein ist solide aufgestell­t und es ist richtig, mit dem Pfingsttur­nier nicht ins Risiko zu gehen. Natürlich blutet mir das Herz. Um diese Jahreszeit waren wir alle schon auf Vollgas, haben schon sehr viel für das Pfingsttur­nier gearbeitet“, sagt Barth. „Natürlich ist es schade, für den FC Ostrach, für die Gemeinde. Mir tun auch die Kinder leid, die in Zukunft kein Turnier mehr haben, die nicht mehr durchs Stadion rennen können, um sich von den vielleicht zukünftige­n Stars Autogramme zu holen. Das tut mir richtig weh“, sagt Barth. Trotz allem sei der Schritt verständli­ch und nachvollzi­ehbar. Positiv in Erinnerung blibben ihm die Begegnunge­n mit den Menschen, die er in den vergangene­n Jahren gehabt habe, sei es mit den Gästen der einzelnen Vereine. So seien Freundscha­ften und Verbindung­en entstanden. „Ich habe ich mit Frieder Schrof telefonier­t und auch er hat sehr bedauert, dass es das Turnier nicht mehr gibt.“Schrof war jahrelang Leiter des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums des VfB Stuttgart, ehe er - wie einige andere Verantwort­liche des Stuttgarte­r Fußballs, darunter der inzwischen verstorben­e Thomas Albeck - nach Leipzig wechselte. Vor allem aber erinnert sich Barth an die vielen Helfer im Verein und im Umfeld, die das Turnier unterstütz­ten und ohne die das Turnier nicht möglich gewesen wäre. „Da hat jeder mitgezogen. Das war ein einzigarti­ges Erlebnis“, erinnert sich Barth. Natürlich sei es besonders bitter, vor der 50. Auflage das Turnier zu „beerdigen“, die Entscheidu­ng aber sei die einzig richtige, auch und vor allem vor dem Hintergrun­d der explodiert­en Kosten.

Hubert Frank,

Ehrenmitgl­ied des FC Ostrach und ehemaliger Vorsitzend­er des Vereins, begleitete das Turnier seit seiner Entstehung 1971 und ist einer der Zeitzeugen des Jugendfußb­allturnier­s

in Ostrach. Der Fan der Frankfurte­r Eintracht - die Eintracht war der letzte Ostrach-Sieger 2019 - sagt: „Die Entscheidu­ng ist absolut nachvollzi­ehbar.“Es sei richtig, dass der Verein nicht ins Risiko gehe, „so leid mir das für das Turnier tut. Natürlich geht so eine Ära zu Ende, für den FC Ostrach, aber auch für die Gemeinde und die Region. Denn das Turnier sei auch für den FC Ostrach als Verein wichtig gewesen. So habe man durch die vielen freiwillig­en Helfer oft Talente für die Vereinsarb­eit gewinnen und an den Verein binden können. „Das Turnier hatte in den Jahren stetig an Qualität hinzugewon­nen“, und habe ein gewisses Ausmaß erreicht, so der Ortsvorste­her von Magenbuch. Für das mangelnde Zuschaueri­nteresse hat Frank eine Erklärung: „Du siehst inzwischen an jedem Tag Fußball im Fernsehen. Das beginnt am Samstagmit­tag mit der 2. Liga, da bleiben halt viele zu Hause und schauen sich Fußball am Fernseher an.“Der Jugendfußb­all leide unter dem Spitzenfuß­ball. „Der Fußball erschlägt den Fußball“, sagt Frank. Das Zuschaueri­nteresse in Ostrach habe in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich

abgenommen, so Frank, der unter anderem viele Jahre lang als Verantwort­licher von Seiten des FC Ostrach die Pressekonf­erenzen beim Pressestam­mtisch der „Schwäbisch­en Zeitung“mit den Trainern im Festzelt begleitete und leitete. Er erinnert sich gerne an die Auftritte von Trainern wie Christian Streich, einst U19-Trainer beim SC Freiburg. Legendär sei auch so mancher Abend beim Empfang der Gemeinde Ostrach oder manch’ Abend im Gasthaus „Brücke“gewesen, wo in den frühen Jahren oftmals weite Teile der „dritten Halbzeit“über die Bühne gingen. „Rudi Kargus (ehemaliger HSV-Torwart, d. Red.) war so begeistert, der hat mal gesagt: Mensch, bei Euch ist mehr los als in Hamburg.“

Herbert Dettling,

fast drei Jahrzehnte Turnierdir­ektor, -organisato­r und letztendli­ch mitentsche­idend dafür, dass das

Turnier seinen Stellenwer­t erlangte, bedauert den Entschluss, zeigt aber angesichts der Entwicklun­g auch Verständni­s. Mir blutet das Herz“, sagt auch Herbert

Dettling und wählt die selben

Worte wie Andreas Barth. Das Turnier sei eine tolle Sache gewesen, die

viel gebracht habe, für den Verein, die Gemeinde und auch die Mannschaft­en. Dettling lobt den Einsatz der vielen Helferinne­n und Helfer, ohne die ein solches Turnier nicht zu stemmen gewesen sei. Gerne erinnert er sich an einige Anekdoten aus der Vergangenh­eit. „Als zum ersten Mal eine Mannschaft zum Turnier kam, die mit dem Flugzeug anreiste.“Oder an die erste brasiliani­sche Mannschaft. An die Turniere erinnert er sich „als viel Arbeit, bei der aber viele Menschen geholfen haben, ehrenamtli­ch, ohne Geld. Ein Ereignis, in das wir alle sehr viel Herzblut hineingest­eckt haben.“Das alles sei heute auch nicht mehr so einfach.

Christoph Schulz, Bürgermeis­ter von Ostrach, erinnert sich an die Bedeutung und an die Außenwirku­ng, die das Turnier für die Gemeinde Ostrach hatte: „Eine Anekdote: Wir haben vor einigen Jahren eine Bürgerbefr­agung durchgefüh­rt. Da hatten wir einen Fragenkata­log entworfen zum Thema: Was verbinden Sie mit Ostrach? Da haben die Bürgerinne­n und Bürger alles mögliche geantworte­t. Aber die meisten Nennungen erhielt das Pfingsttur­nier. Das ist bezeichnen­d.“Für ihn persönlich sei das Wochenende des Pfingsttur­niers immer sehr schön gewesen. „Da haben wir tolle Abende erlebt, wie beispielsw­eise beim Empfang der Gemeinde oder bei der Players Night. Aber natürlich auch tolle Fußballspi­ele, bei der alle mit dem nötigen

Ernst bei der Sache waren. Ich erinnere mich gerne auch an manchen Spielersco­ut, den ich in Ostrach kennengele­rnt habe. Einer ist ja sogar mal in Ostrach hängengebl­ieben.“Das Pfingsttur­nier sei auch die Zeit im Jahr gewesen, in der ein kleiner Ort wie Ostrach auch mal etwas mehr im Rampenlich­t gestanden habe. Auch der Bürgermeis­ter, der noch bis August im Amt ist, hat Verständni­s für den Entschluss der Veranstalt­er und des ausrichten­den Vereins. In einer Zeit, in der der große Fußball immer weiter kommerzial­isiert werde, immer mehr das Geld eine Rolle spiele. „Wir müssen die Entscheidu­ng so akzeptiere­n. Natürlich war das Pfingsttur­nier ein Aushängesc­hild für die Gemeinde, hatte eine Außenwirku­ng. Aber beim FC Ostrach geht es ja auch und vor allem darum, dass die eigenen Jugendlich­en dort Fußball spielen können und eine gute Ausbildung erhalten.“Insgesamt seien ja die Argumente nicht neu. „Selbst im Frauenfußb­all, wo früher auch mal ein Dorfverein in der Bundesliga gespielt hat.“Für Ostrach, auch für die Gemeinde, gehe aber mit dem Ende des Pfingsttur­niers eine Ära zu Ende.

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FOTO: THOMAS WARNACK Geht als letzterb Sieger beim internatio­nalen Ostracher Juniorenfu­ßballturni­er: das U17-Team von Eintracht Frankfurt.
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Herbert Dettling FOTO: FREYDA
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FOTO: DITTMANN Hubert Frank
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FOTO: PRIVAT Andreas Barth
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FOTO: PR Christoph Schulz

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