Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Prävention wie in der Großstadt
Ravensburger „Haus des Jugendrechts“soll Kooperation gegen Jugendkriminalität stärken
- Anfang des Jahres suchte die Landesregierung mit einer Anzeige in der „Schwäbischen Zeitung“nach einer großen Bürofläche in zentraler Lage in Ravensburg oder Weingarten. Auf Nachfrage ist nun bekannt geworden: Es geht um Kriminalitätsbekämpfung. Das Polizeipräsidium, der Landkreis und die Staatsanwaltschaft Ravensburg planen ein „Haus des Jugendrechts“. Was das bringen soll und warum ausgerechnet in Ravensburg – die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist das „Haus des Jugendrechts“?
Die Idee für das „Haus des Jugendrechts“entstand Ende der 1990er Jahre in Stuttgart. Damals stieg die Jugendkriminalität an, erinnert sich Uwe Stürmer, Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg. „Es gab große Sorge in der Gesellschaft, teilweise wurde die Jugendkriminalität auch etwas dramatisch dargestellt.“Als Pilotprojekt versammelte das Stuttgarter „Haus des Jugendrechts“erstmals Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendarbeit unter einem Dach. So sollte die Strafverfolgung beschleunigt und die Prävention verbessert werden, erklärt Stürmer.
Denn schon damals hätten wissenschaftliche Studien gezeigt: Nicht die Härte der Strafe ist entscheidend, sondern dass der Jugendliche bemerkt, dass auf sein Fehlverhalten direkt und spürbar reagiert wurde. „Wichtig ist also, dass eine Strafe auf den Fuß folgt“, sagt Stürmer.
Mittlerweile gibt es acht Häuser in Baden-Württemberg und weitere in anderen Bundesländern. Alle bisherigen Projektstandorte hätten sich bewährt, sagt Stürmer. „Auch wenn die Anfangsphase hier und da holprig war, in den jeweiligen Städten will heute keiner mehr die Häuser des Jugendrechts missen.“
Was sind die Vorteile des „Haus des Jugendrechts“?
Grundsätzlich soll die Strafverfolgung beschleunigt und die Kooperation zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Sozialarbeit gestärkt werden. „Die Zusammenarbeit ist zwar jetzt schon sehr gut“, sagt Stürmer. „Im Haus des Jugendrechts sind wir dann aber alle noch näher dran, haben einen besseren Überblick über die Fälle und allgemein steigt die Qualität der Prävention.“
Fasse man beispielsweise heute einen 14-jährigen Ladendieb, werde der auf das Polizeirevier gefahren, um die Anzeige aufzunehmen. Diese wird dann an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet und die schaltet gegebenenfalls das Jugendamt ein. In Zukunft könnte der 14-Jährige von der Polizei in das Haus des Jugendrechts gebracht werden, würde direkt dem Staatsanwalt vorgeführt werden und zum Gespräch mit dem Sozialarbeiter gebeten. „Das macht dann schon Eindruck“, sagt Stürmer.
Warum ausgerechnet in Ravensburg?
Es sei Uwe Stürmer gewesen, der das Projekt für die Region angestoßen habe, verrät Reinhard Friedel, Sozialdezernent im Landratsamt. Mitarbeiter seines Jugendamts, der Polizei und der Staatsanwaltschaft schlossen sich daraufhin zu einer Projektgruppe zusammen, die bereits ein erstes Konzept für das „Haus des Jugendrechts“ausgearbeitet hat.
Bisher gibt es die Häuser vor allem in Großstädten. In Kleinstädten wie Ravensburg oder Weingarten seien die Häuser zwar noch unüblich, sagt Ravensburgs leitender Oberstaatsanwalt Alexander Boger – das werde sich aber ändern. „Im Koalitionsvertrag der Landesregierung steht, dass der Ausbau der Häuser beschleunigt werden soll.“Und Stürmer sagt: Mit rund 100.000 Einwohnern im mittleren Schussental sei ein Haus des Jugendrechts durchaus sinnvoll.
Ist das „Haus des Jugendrechts“eine Reaktion auf steigende Jugendkriminalität?
„Nein“, sagt Uwe Stürmer. Es gebe einen deutlichen Rückgang der Jugendkriminalität in der Region. Das hänge zum einen mit der aktuellen Präventionsarbeit zusammen – aber auch mit der Altersstruktur der Gesellschaft.
Zwar sei steigende Jugendkriminalität Ende der 1990er Jahre eine Ursache für die Neugründung des Stuttgarter „Haus des Jugendrechts“gewesen, das habe sich jedoch gewandelt. Das Ziel sei nun vielmehr, immer bessere Präventionsarbeit zu leisten und die Zahl der Intensivtäter gering zu halten.
Das „Haus des Jugendrechts“könne laut Stürmer also helfen, die „wirklich spannenden Fragen“zu beantworten:
Beispielsweise, warum ein Jugendlicher auffällig wird – welchen Familienhintergrund er hat oder ob es eine Suchtproblematik gibt. Das helfe wiederum, möglichst früh einzugreifen und Hilfe zu leisten.
Wann geht das „Haus des Jugendrechts“für das Schusssental an den Start?
Das komme darauf an, wie schnell das Landesamt für Vermögen und
Bau geeignete Räumlichkeiten findet, sagt Staatsanwalt Boger und verrät: „Das scheint nicht ganz einfach zu sein.“Grund seien beispielsweise bestimmte Sicherheitsstandards, denen die Mietfläche genügen muss. Er könne keine seriöse Aussage über den Startzeitpunkt treffen, sagt Boger. „Ich muss aber wohl etwas Wasser in den Wein gießen: Bis zum Frühjahr oder Sommer wird es sicher nichts.“