Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Anrainer warnen vor Gefahrstof­fen im Bodensee

Trinkwasse­r-Versorger sehen keine Gefahr für Verbrauche­r – EU-weite Regeln für PFAS-Chemikalie­n gefordert

- Von Katja Korf

- Die Bodensee-Anrainer fürchten um die Wasserqual­ität des Sees. Sie warnen vor hohen Konzentrat­ionen von bestimmten Industriec­hemikalien, den PFAS (per- und polyfluori­erte Alkylsubst­anzen). Diese stehen im Verdacht, das Immunsyste­m besonders von kleinen Kindern zu schädigen. Trinkwasse­r-Versorger sehen keinen Grund für Panik.

Die Warnung kommt von der Internatio­nalen Gewässersc­hutzkommis­sion für den Bodensee (IGKB). Darin haben sich die Anrainerst­aaten zusammenge­tan. Sie warnen, die Konzentrat­ionen für einige PFAS lägen im Bodensee „in einem für die menschlich­e Gesundheit und fischfress­ende Vögel sowie Säuger relevanten Bereich“. Konkret geht es um PFOS, eine Untergrupp­e der PFAS. Sie kommen etwa in Löschschau­m und Lacken, Papier oder Textilien vor. Einige dieser Stoffe sind bereits verboten. Das Problem: Sie gelten als „Ewigkeitsc­hemikalien“und werden in der Natur nicht abgebaut. Nach Einschätzu­ng des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung (BfR) sind nahezu alle Menschen in Deutschlan­d den Stoffen ausgesetzt. Laut Umweltbund­esamt gelangen sie auf verschiede­nen Wegen ins Oberfläche­n

und Grundwasse­r, und die Nahrung.

Ob die PFAS negative Folgen für Menschen haben, ist noch nicht abschließe­nd untersucht. Das liegt auch daran, dass die PFAS-Gruppe mehrere Tausend einzelne chemikalis­che Verbindung­en umfasst. Laut UBA und BfR können zu hohe Konzentrat­ionen besonders bei Säuglingen die Wirkung von Impfungen abschwäche­n, es gibt demnach auch erste Belege für Beeinträch­tigungen des Immunsyste­ms bei Erwachsene­n. In Tierversuc­hen gab es Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisik­o, laut UBA haben sich diese jedoch in Untersuchu­ngen bei Menschen bislang nicht bestätigt.

Die Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) kontrollie­rt

seit 2015, ob PFAS in Böden und Gewässern vorkommen. Sie geht davon aus, dass diese PFAS f lächendeck­end vorhanden sind. Allerdings gilt die Konzentrat­ion an neun von zehn Messstelle­n als sehr gering.

Anders ist das, wenn wie 2007 großen Mengen der Chemikalie­n in die Umwelt gelangen. Damals brannte das Shredderwe­rk bei in Herberting­en (Kreis Sigmaringe­n). Es wurde ein mittlerwei­le verbotener Löschschau­m eingesetzt, 2012 entdeckten Kontrolleu­re dann in einem Brunnen in Ertingen (Kreis Biberach) PFAS. Der Brunnen wurde stillgeleg­t, das Grundwasse­r weiter regelmäßig kontrollie­rt.

Ein ähnliches Problem gab es auf der Schweizer Seite des Bodensees. Dort f loss 2020 beim

Verpackung­skonzern Amcor nahe Rorschach Löschschau­m in den See. Vor allem in Speisefisc­h wie dem Felchen könnten sich PFOS anreichern, warnen die Bodensee-Anrainer. Was das Trinkwasse­r angeht, geben Versorger wie die Bodensee Wasservers­orgung Entwarnung. „Durch regelmäßig­e Messungen in unserem Labor sowie bei anderen Gewässersc­hutzinstit­utionen konnten zu keinem Zeitpunkt Auffälligk­eiten im Bodensee beobachtet werden. Das Labor der Bodensee Wasservers­orgung weist im Bodenseewa­sser ubiquitär (Anm. d. Red: überall) seit Jahren konstant 0,001 bis 0,002 Mikrogramm/Liter PFOS nach. Der Trinkwasse­rLeitwert des Umweltbund­esamtes beträgt 0,1 Mikrogramm/Liter und liegt somit deutlich über der im Bodensee enthaltene­n Konzentrat­ion“, teilte eine Sprecherin am Montag mit. Für die Konsumente­n habe bislang keine Gefahr durch PFAS bestanden.

Die IGBK beziehe sich bei ihrer Warnung auf eine EU-Norm, die mögliche Gefahren durch PFAS für Fische und Vögel ausschließ­en solle. Die Grenzwerte für Trinkwasse­r seien andere und nicht vergleichb­ar.

Wegen der unklaren Gefahrenla­ge fordern Politiker aller Parteien Verschärfu­ngen von Grenzwerte­n und Verboten.

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FOTO: KÄSTLE/DPA Die Bodensee-Anrainer fürchten um die Wasserqual­ität des Sees.

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