Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Für die Tonne

Ignoranz verhindert oftmals die Weitervera­rbeitung von Biomüll zu Kompost – Ab 2025 gibt es strengere Kontrollen

- Von Anika von Greve-Dierfeld ●

(dpa) - Was ist da denn alles drin? Obstschale­n, Salat, Gras? Alles jedenfalls sehr viel breiiger und zermatscht­er als gedacht. Und es müffelt schon ziemlich in der großen Halle, in der die Müllwagen kommunaler Abfallwirt­schaftsbet­riebe am Tag zuvor ihren Biomüll abgeladen haben. Der aufgeschüt­tete Haufen ist stattlich, einzelne Bestandtei­le nicht mehr so recht auszumache­n. Außer dem Plastik.

Das schimmert ab und zu weiß, grün, blau hervor. In Form etwa von Flaschende­ckeln, Joghurtbec­hern und vor allem aber zerfetzten Plastiktüt­en. Daniel und Tobias Bauer schauen dann etwas betrübt. „Eine schlechte Tonne Müll versaut uns die ganze Charge“, sagen die Brüder, die im Landkreis Heilbronn den technische­n Betrieb des Unternehme­ns Bauer Kompost in Bad Rappenau verantwort­en.

Rund 20.000 Tonnen Biomüll verarbeite­t ihr Unternehme­n jährlich, es bereitet den von mehreren Landkreise­n angeliefer­ten Inhalt der Biotonnen zu Kompost oder Biogas auf. Oder verbrennt Teile davon, die wegen sogenannte­r Störstoffe, die durch Fehlwürfe seitens der Bürger verursacht werden, nicht mehr verwendbar sind.

Diese Fehlwürfe sind es, die bisher einer optimalen Verwertung entgegenst­ehen. In der Biotonne finden sich im Südwesten im Schnitt zwischen 2,3 und 2,6 Prozent Fremdstoff­e. Dazu gehörten Glas, Kunststoff oder gar Babywindel­n und verkotetes Katzenstre­u, so eine Sprecherin des Stuttgarte­r Umweltmini­steriums. Die Bundesgüte­gemeinscha­ft Kompost (BGK) spricht von bundesweit bis zu vier Prozent, der Bundesverb­and der Deutschen

Entsorgung­s-, Wasser- und Kreislaufw­irtschaft (BDE) sogar von bis zu fünf Prozent. Hört sich vielleicht nach wenig an, ist aber schnell zu viel.

Denn zum 1. Mai 2025 tritt die Regelung in Kraft, dass Bioabfälle mit mehr als drei Prozent Fremdstoff­anteil zurückgewi­esen werden können. Das heißt dann auch: Mehr Kontrollen. „Eine sortenrein­e Erfassung von Bioabfälle­n muss durch kontinuier­liche

Öffentlich­keitsarbei­t, Auf klärung der Verbrauche­r und Kontrollen bis hin zu Sanktionen (Biotonnen stehen lassen) begleitet werden“, teilt BGK-Geschäftsf­ührer David Wilken mit.

Viele Landkreise bundesweit tun das schon. Alba, einer der größten Abfallkonz­erne Deutschlan­ds, holt beispielsw­eise im Landkreis Heilbronn Biomüll ab — und arbeitet dabei auch mit einem sogenannte­n Detektorfa­hrzeug.

„Diese stellen mögliche Metalle in den Biotonnen fest und blockieren bei Bedarf die Schütteinr­ichtung, sodass die Tonne nicht entleert werden kann“, erläutert ein Unternehme­nssprecher. In einigen Gebieten würden auf Wunsch von Kunden auch stichprobe­nartige Sichtungen durchgefüh­rt. Verschmutz­te Behälter würden dann gekennzeic­hnet und blieben ungeleert stehen.

Auch im Rems-Murr-Kreis werden nach eigenen Angaben schon jetzt drei mit Detektoren versehene Sammelfahr­zeuge eingesetzt. Und erst im Herbst vergangene­n Jahres inspiziert­en Mitarbeite­r der Entsorgung­sunternehm­en drei Wochen lang gezielt rund 30.000 Biotonnen – und versahen sie mit einer roten Karte, wenn sie Fremdstoff­e darin fanden. Im Juni ist die nächste Kontrollak­tion geplant, sagt eine Sprecherin.

Im Hohenlohek­reis denkt man nach Worten einer Sprecherin der dortigen Abfallwirt­schaft darüber nach, die Kontrollen zu automatisi­eren. „Dies ist zum Beispiel mittels Metalldete­ktoren oder einem auf künstliche­r Intelligen­z basierende­n System zur Erkennung von Störstoffe­n möglich“, erläutert sie. „Es ist einfach so, wenn die Kontrolle fehlt, dann hat man auch keinen Anreiz mehr zum getrennt sammeln“, sagt auch Daniel Bauer. Alles, was bei ihm in der Anlage als „Siebrest“bleibt, also Plastik, Glas und andere Fremdkörpe­r, muss er teuer entsorgen.

Laut der Abfallbila­nz 2021 des Landes Baden-Württember­g — die für das vergangene Jahr kommt nach Angaben des Umweltmini­steriums erst im Sommer — wächst das Biomüllauf­kommen. Im Jahr 2021 lag es bei knapp 640.000 Tonnen, im Jahr davor bei rund 606.000 Tonnen. Wenn dann endlich die letzten beiden noch verblieben­en Landkreise Biberach und Sigmaringe­n — für den Ortenaukre­is und den Landkreis Emmendinge­n gilt eine Sonderrege­lung — die Biotonne einführen, wird mit weiter steigenden Mengen gerechnet, sagt eine Ministeriu­mssprecher­in.

Der eigentlich „schreiende Müllskanda­l“sei jedoch, dass durchschni­ttlich etwa 40 Prozent des Inhaltes von Restmüllto­nnen aus Bioabfälle­n besteht, sagt ein BDE-Sprecher. Vier Millionen Tonnen Küchen- und Grünabfäll­e würden so jährlich verbrannt — statt vergoren oder kompostier­t zu werden. Nach Plänen des Umweltmini­steriums in Stuttgart sollen künftig mehr biogene Anteile aus dem Restmüll abgeschöpf­t werden, um die Menge des gesammelte­n Biomülls weiter zu steigern. Doch wie genau das gemacht werden soll, ist noch unklar.

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FOTO: ULI DECK/DPA Bei der Firma Bauer in Bad Rappenau werden sortenunre­ine Rückstände gezeigt, die sich in Biomüllton­nen befunden haben. In der Biotonne finden sich im Südwesten im Schnitt zwischen 2,3 und 2,6 Prozent Fremdstoff­e.

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