Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Leben retten mit der ewigen Tinte
Sigmaringer Tattoostudio bietet Organspende-Tattoos an – Bundesweite Aktion
- Die Tätowiermaschine surrt, Niklas schaut konzentriert auf den Arm und zeichnet mit der Nadel die feinen Linien nach. Es sind zwei Halbkreise und ein Kreis, die einander überschneiden. Simona Sill hält still, unterhält sich locker. Den Schmerz kennt sie bereits, es ist ihr siebtes Tattoo. Dieses Mal hat es aber eine besondere Bedeutung: Nicht nur, dass sie sich dasselbe Symbol gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Lucas und Nico tätowieren lässt, es handelt sich dabei um das Symbol für Organspender.
Rebecca Widerspick, Inhaberin von „Be’s Piercing- und Tattoostudio“, hat es ins Portfolio aufgenommen, ihre Tätowierer haben es auch schon gestochen. „Die Nachfrage ist aber noch verhalten“, sagt sie und kann sich das auch erklären. Die meisten ihrer Kunden überlegen sich lange und gut, welches Motiv sie auf ihrer Haut buchstäblich verewigen lassen. Da es die Aktion der Jungen Helden erst seit einigen Wochen gibt (siehe Infokasten), erwartet sie, dass in den nächsten Monaten die Anzahl der Nachfragen steigt.
Simona Sill, ihre Söhne Lucas und Nico sowie Sills guter Freund Uwe Stolz haben nicht lange gefackelt. Am Samstagmorgen sind sie alle zu Gast im Studio in der Antonstraße. Die 47-Jährige ist als erstes dran. Sie hat sich entschieden, neben dem Organspendesymbol auch ihre Blutgruppe tätowieren zu lassen. „Den Organspendeausweis habe ich schon lange als Karte im Geldbeutel“, erzählt sie. Als sie von der Aktion hörte, schlug sie vor, dass ihre Kinder ihr statt eines Geburtstagsgeschenks das Familientattoo schenken und es gemeinsam machen könnten.
Die sind einverstanden. „Ich hatte schon länger überlegt, den Organspendeausweis auszufüllen“, sagt der 19-jährige Lucas. Das Motiv habe ihm gut gefallen, also wollte er den Wunsch seiner Mutter gerne erfüllen, genauso wie sein 17-jähriger Bruder Nico. Für den jüngeren der beiden ist es das erste Tattoo. Aufgeregt ist er nicht. „Wenn ich meine Organe nicht mehr brauche, ist es mir ja egal, ob ich sie jemand anderem gebe“, sagt er als Begründung, warum er zugestimmt hat.
Auch Stolz hat sich direkt einverstanden erklärt. Es kommt auf seinen „Invalidenarm“, sagt er und zeigt auf ein weiteres Motiv: die EKG-Kurve seines Herzinfarktes. Daneben wünscht er sich das Organspendesymbol. „Es passt zum Rest“, sagt er lächelnd. Den Organspendeausweis auszufüllen habe Stolz nie geschafft, sagt er – das Tattoo vereinfache das nun.
Das ist auch einer der Gründe, warum Widerspick sich dazu entschieden hat, sich an der Aktion zu beteiligen. „Der Organspendeausweis ist kein rechtsgültiges Dokument, genauso wenig das Tattoo, aber es drückt beides den Wunsch des Verstorbenen aus und regt zur Diskussion an“, sagt sie und nennt einen weiteren Vorteil: Ein Ausweis kann verlegt werden, ein Tattoo nicht.
Kostenlos, wie manch anderer Tätowierer, bietet sie das Stechen aber nicht an, denn sie habe bereits von Jugendlichen Anfragen bekommen, die vor allem ein kostenloses Tattoo absahnen wollten. „Man sollte wissen, was man da hat“, sagt sie. Ein Entgegenkommen
für die gute Sache gibt es trotzdem: Das Motiv kostet weniger als üblich und wer sich etwas anderes stechen lässt, bekommt es bei Widerspick kostenlos dazu, wenn er möchte. Dabei muss sich der Tätowierer aber an klare Vorgaben halten: Verzieren darf er es, aber die Ringe dürfen nicht abgeändert werden.
Widerspick hat die Hoffnung, durch die Aktion etwas zu bewirken: „Und wenn es bloß 100 machen, sind es immerhin 100 Organspender mehr.“