Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Familie investiert in „Lebensfreu­de“

In der Josefinens­traße öffnet im Juni eine Senioren-WG – Konzept gegen Einsamkeit

- Von Mareike Keiper Mehr Informatio­nen gibt es unter www.wg-seniorenle­bensfreude.de

- Wie lässt sich mit dem eigenen Geld etwas Sinnvolles anfangen? Mit dieser Frage hat alles begonnen. Julia Fiolka, ihr Mann Adam und dessen Bruder Andreas wollten in ein Projekt investiere­n, mit dem sie etwas Gutes tun. Das Ergebnis: die Senioren-WG „Lebensfreu­de“in der Sigmaringe­r Josefinens­traße, in die am 1. Juni tatsächlic­h Leben einzieht. Gemeinsam mit Frank Nowak vom ambulanten Pflegeteam Lebenswert haben sie in kürzester Zeit ihren Traum in die Tat umgesetzt.

Die Fiolkas und Nowak kennen sich vom Fußball. Alle sind irgendwie mit dem FC Laiz verwoben, auch über die Schwimmkur­se, die Julia Fiolka gibt, hatten sie Kontakt. Als die Idee noch in den Kinderschu­hen steckt, kommen sie ins Gespräch und überlegen, was sich für Senioren Gutes tun lässt, erzählt die 40-Jährige. Ihre Großmutter sei im Pflegeheim gewesen – eine Zeit, an die ihre Enkelin mit gemischten Gefühlen zurückdenk­t: „Das Personal dort ist für viele verantwort­lich, dabei geht das Menschlich­e verloren, weil keine Zeit dafür bleibt.“Die Eltern oder Großeltern zu Hause zu pflegen, sei aber ebenfalls für viele nicht machbar.

Also stand plötzlich die Idee einer Senioren-WG im Raum. „Wie für Studenten in alt“, sagt Fiolka lachend. Nowak streckte die Fühler nach einem passenden Gebäude aus und fand es recht zügig. Das große, dreigescho­ssige Haus in der Josefinens­traße gehörte einem älteren Ehepaar, das aus einer anderen Ecke Deutschlan­ds stammt und das dorthin zurückkehr­en wollte. Im Herbst regelten die Parteien den Kauf, im Frühjahr begannen die Arbeiten. Etwa 100.000 Euro hat die Familie Fiolka

in das Gebäude gesteckt, um die Eingänge zu verbreiter­n, die Böden neu zu verlegen, die Zimmer etwas anders aufzuteile­n und schließlic­h einen Lift einzubauen, damit die Treppen nicht zum Problem werden.

Zum 1. Juni soll es fertig sein, dann ziehen bereits die ersten beiden Frauen ein, eine von ihnen mit ihrem Pudel. Ziel sei es, dass sich buchstäbli­ch eine Wohngemein­schaft entwickelt, in der gemeinsam gekocht, geratscht und Zeit verbracht wird. „Voraussetz­ung ist, dass die Bewohner dort

gemeinsam leben wollen“, sagt Nowak. Eigenbrötl­er widersprec­hen dem Konzept. Außerdem sei ein gewisser Grad an Mobilität wünschensw­ert, denn das Haus bietet Möglichkei­t, sich einzubring­en. Bewohner können zum Beispiel im Garten hinter dem Haus werkeln.

Gleichzeit­ig ist eine weitere Voraussetz­ung ein Pf legegrad. Die Auftraggeb­ergemeinsc­haft, also entweder die Bewohner oder deren Angehörige, je nach Gesundheit­szustand, entscheide­n, welcher ambulante Pflegedien­st

beauftragt wird. Nowaks Team hätte zwar die Ressourcen, sei aber nicht zwingend auch dasjenige, das sich um die Bewohner kümmert. Neben der ambulanten Pf lege wird es auch eine Präsenzkra­ft geben, die hauswirtsc­haftliche Tätigkeite­n anbietet. Dieser Posten ist 24 Stunden besetzt.

Zur Verfügung stehen weitere sechs bis sieben Plätze, sagt Fiolka. Jeder Platz kostet netto 1886 Euro pro Monat. Auch Ehepaare können einziehen, zwei Doppelzimm­er sind frei. Anfragen, fügt sie an, bekommen sie und Nowak „von überall“, sogar eine aus Lichtenste­in. Überwiegen­d seien es Seniorinne­n, die einziehen wollen. Auch Nowak hat durch seinen Job erfahren, wie wichtig solche Konzepte sind: „Einmal sagte jemand zu mir, er sehne sich bloß nach dem Gefühl, wieder jemanden neben sich zu haben.“Genau das wollen die Fiolkas und Nowak bieten.

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FOTO: MAREIKE KEIPER Julia Fiolka und Frank Nowak stehen hinter der Senioren-WG – genauso Fiolkas Mann Adam und ihr Schwager Andreas.

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