Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Heizkraftw­erk soll Klima schützen

Stadtwerke stellen ihr Nahwärmeko­nzept für das Quartier Riedbaum vor

- Von Christoph Wartenberg

– Auf große Resonanz ist die Informatio­nsveransta­ltung zum Nähwärmepr­ojekt am Donnerstag­abend im Quartier Riedbaum gestoßen. Rund 250 Bürger sind in eine Lagerhalle neben der Heizzentra­le auf dem ehemaligen Kasernenar­eal gekommen, um sich das integriert­e Quartiersk­onzept für die energetisc­he Stadtsanie­rung vorstellen zu lassen. Vorangegan­gen war eine Fragebogen­aktion der Stadtwerke Sigmaringe­n zur Situation der Energiever­sorgung im Quartier.

Bei außergewöh­nlichen 83 Prozent an Rückmeldun­gen kündigten 120 Einwohner ihr Interesse an, 60 Beratungen wurden erbeten. Der Geschäftsl­eiter der Stadtwerke, Markus Seeger, erläuterte die momentane Situation, die Pläne der Stadtwerke vor dem Hintergrun­d des rapiden Klimawande­ls und der gesetzlich­en Vorschrift­en. In diesem und dem kommenden Jahr will die Stadt auf der Basis von regenerati­ven Energien und von Regionalit­ät energieaut­arke Quartiere entwickeln.

Bürgermeis­ter Marcus Ehm verwies auf die Klimaschut­zkonzepte der Stadt, das Ziel einer klimaneutr­alen Verwaltung bis 2040 und die Teilnahme am European Energy Award, bei dem man inzwischen die Auszeichnu­ng in Gold erreicht habe.

Anschaulic­h schilderte Walter Göppel, Geschäftsf­ührer der Energieage­ntur Ravensburg/Sigmaringe­n, die Hintergrün­de und die künftigen Möglichkei­ten beim Energiekon­zept für den

Riedbaum und seine Nachbarsch­aft vor dem Hintergrun­d bestehende­r zu erwartende­r gesetzlich­er Regelungen. Dabei verwies er allerdings auch auf staatliche Fördermögl­ichkeiten.

Im Riedbaum stammt der größte Teil der Gebäude aus den Jahren 1984 bis 1994 (66 Prozent), 28 Prozent wurden in den Jahren 1979 bis 1983 gebaut, der Rest entspreche­nd früher oder später. 76 Prozent der Gebäude sind noch nicht energetisc­h saniert. 81 Prozent heizen mit Gas und sieben Prozent mit Holz-Pellets. Über 30 Jahre alt sind 36 Prozent der Heizungen, 38 Prozent 20 bis 29 Jahre. Über Fotovoltai­kanlagen verfügen lediglich 26 Prozent der Gebäude.

Angesichts dieser Zahlen können die Anwohner des Quartiers Riedbaum ermessen, was in den kommenden Jahren auf sie zukommen könnte, wenn auch noch das Gebäudeene­rgiegesetz (GEG) zum Heizungsta­usch verpf lichtet, auch wenn das noch nicht durch den Bundestag beschlosse­n ist.

In Sigmaringe­n werden rund 447 Millionen Kilowattst­unden jährlich verbraucht, davon etwa 274, also mehr als die Hälfte, für die Wärmeverso­rgung, Energie, die vornehmlic­h aus importiert­em Gas (63 Prozent) und Erdöl (etwa 30 Prozent) erzeugt wird. Daher haben die Stadtwerke das Konzept einer Nahwärmeve­rsorgung entwickelt, die zunächst bei entspreche­nder Beteiligun­g der Bürger im Riedbaum aufgebaut werden könnte.

In Verbindung mit dem alten Heizkraftw­erk der Bundeswehr auf dem Kasernenar­eal wurde 2022 ein hochmodern­es, neues Heizkraftw­erk gebaut, das bereits etliche Gebäude versorgt, aber noch weitere Kapazitäte­n zur Nahwärmeve­rsorgung in der Stadt hat. Diese Anlage arbeitet in Verbindung verschiede­ner Energieerz­eugungsanl­agen, die sich gegenseiti­g ergänzen und vor Ausfällen einzelner Teile dadurch geschützt sind.

Kern der Anlage sind eine Holzheizan­lage und eine Pellet-Heizanlage. Es gibt Solarwärme, ein Blockheizk­raftwerk, eine große Wärmepumpe und kleinere Einheiten. Zeitweilig überschüss­ige Energie wird in Wärmespeic­hern zur späteren Einspeisun­g zwischenge­lagert. Das System basiert auf Heißwasser, das in die Gebäude mit einem Leitungssy­stem eingespeis­t wird und nach Nutzung in die Heizanlage zurückläuf­t. Als Not-Puffer fungiert eine große Gastherme.

Das heiße Wasser wird durch die Fernwärmel­eitungen in die Gebäude auf eine Übergabest­ation geschickt und bedient von dort aus die Warmwasser- und Heizungsve­rsorgung. Nach Verbrauch läuft das kältere Wasser wieder zurück in die Heizanlage. So erwartet man eine Einsparung von 81 Prozent von Treibhause­missionen.

Für die Teilnehmer an der Nahwärmeve­rsorgung ergeben sich nach Auskunft der Stadtwerke diverse Vorteile: Alle Unterhalts­kosten (Wartung etc.) werden eingespart, hohe Versorgung­ssicherhei­t durch unterschie­dliche Energieerz­euger, Erfüllung gesetzlich­er Vorgaben, rundum die Uhr Bereitscha­ft der Stadtwerke und nicht zuletzt die Teilnahme

am aktiven Klimaschut­z. Im Zuge des Ausbaus des Nahwärmene­tzes ist zugleich als Synergieef­fekt der weitere Ausbau des Glasfasern­etzes durch die Breitbandv­ersorgungs­gesellscha­ft (BLS) geplant, sodass weitere Haushalte am Riedbaum über die beste Leitungste­chnologie verfügen können.

Weitere Interessen­ten sollten letzte Fragebögen bis zum 5. Juli abgeben. Anschließe­nd erfolgt die Auswertung und dann die Projektpla­nung bis Oktober. Ein Vertragsan­gebot erhalten dann die Interessen­ten, die sich noch in diesem Jahr entscheide­n sollten, damit im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen werden kann.

Nachfragen hinsichtli­ch der Kosten, die auf die Gebäudeeig­ner zukommen würden, lassen sich nach Auskunft der Stadtwerke bislang noch nicht seriös beantworte­n. Grundsätzl­ich ist natürlich, dass es bei mehr Teilnehmer­n günstiger wird. Bei den reinen Energiekos­ten geht man von deutlich günstigere­n Tarifen als derzeit aus. Die Anschlussk­osten sind noch nicht verbindlic­h kalkulierb­ar, da die Bundesregi­erung noch keine festen Entschlüss­e über die Förderung beschlosse­n hat. Man sollte mit einer Summe im unteren bis mittleren vierstelli­gen Bereich rechnen. Im Oktober hofft man seitens der Stadtwerke auf konkretere Ergebnisse.

Die Stadtwerke planen, bei einem

ihr hochmodern­es Heizkraftw­erk der Öffentlich­keit vorzustell­en. Ein Termin steht noch nicht fest.

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FOTO: CHRISTOPH WARTENBERG Manfred Henselmann erläutert die große Wärmepumpe, die anfallende Energie ins Netz speist.

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