Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Heizkraftwerk soll Klima schützen
Stadtwerke stellen ihr Nahwärmekonzept für das Quartier Riedbaum vor
– Auf große Resonanz ist die Informationsveranstaltung zum Nähwärmeprojekt am Donnerstagabend im Quartier Riedbaum gestoßen. Rund 250 Bürger sind in eine Lagerhalle neben der Heizzentrale auf dem ehemaligen Kasernenareal gekommen, um sich das integrierte Quartierskonzept für die energetische Stadtsanierung vorstellen zu lassen. Vorangegangen war eine Fragebogenaktion der Stadtwerke Sigmaringen zur Situation der Energieversorgung im Quartier.
Bei außergewöhnlichen 83 Prozent an Rückmeldungen kündigten 120 Einwohner ihr Interesse an, 60 Beratungen wurden erbeten. Der Geschäftsleiter der Stadtwerke, Markus Seeger, erläuterte die momentane Situation, die Pläne der Stadtwerke vor dem Hintergrund des rapiden Klimawandels und der gesetzlichen Vorschriften. In diesem und dem kommenden Jahr will die Stadt auf der Basis von regenerativen Energien und von Regionalität energieautarke Quartiere entwickeln.
Bürgermeister Marcus Ehm verwies auf die Klimaschutzkonzepte der Stadt, das Ziel einer klimaneutralen Verwaltung bis 2040 und die Teilnahme am European Energy Award, bei dem man inzwischen die Auszeichnung in Gold erreicht habe.
Anschaulich schilderte Walter Göppel, Geschäftsführer der Energieagentur Ravensburg/Sigmaringen, die Hintergründe und die künftigen Möglichkeiten beim Energiekonzept für den
Riedbaum und seine Nachbarschaft vor dem Hintergrund bestehender zu erwartender gesetzlicher Regelungen. Dabei verwies er allerdings auch auf staatliche Fördermöglichkeiten.
Im Riedbaum stammt der größte Teil der Gebäude aus den Jahren 1984 bis 1994 (66 Prozent), 28 Prozent wurden in den Jahren 1979 bis 1983 gebaut, der Rest entsprechend früher oder später. 76 Prozent der Gebäude sind noch nicht energetisch saniert. 81 Prozent heizen mit Gas und sieben Prozent mit Holz-Pellets. Über 30 Jahre alt sind 36 Prozent der Heizungen, 38 Prozent 20 bis 29 Jahre. Über Fotovoltaikanlagen verfügen lediglich 26 Prozent der Gebäude.
Angesichts dieser Zahlen können die Anwohner des Quartiers Riedbaum ermessen, was in den kommenden Jahren auf sie zukommen könnte, wenn auch noch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) zum Heizungstausch verpf lichtet, auch wenn das noch nicht durch den Bundestag beschlossen ist.
In Sigmaringen werden rund 447 Millionen Kilowattstunden jährlich verbraucht, davon etwa 274, also mehr als die Hälfte, für die Wärmeversorgung, Energie, die vornehmlich aus importiertem Gas (63 Prozent) und Erdöl (etwa 30 Prozent) erzeugt wird. Daher haben die Stadtwerke das Konzept einer Nahwärmeversorgung entwickelt, die zunächst bei entsprechender Beteiligung der Bürger im Riedbaum aufgebaut werden könnte.
In Verbindung mit dem alten Heizkraftwerk der Bundeswehr auf dem Kasernenareal wurde 2022 ein hochmodernes, neues Heizkraftwerk gebaut, das bereits etliche Gebäude versorgt, aber noch weitere Kapazitäten zur Nahwärmeversorgung in der Stadt hat. Diese Anlage arbeitet in Verbindung verschiedener Energieerzeugungsanlagen, die sich gegenseitig ergänzen und vor Ausfällen einzelner Teile dadurch geschützt sind.
Kern der Anlage sind eine Holzheizanlage und eine Pellet-Heizanlage. Es gibt Solarwärme, ein Blockheizkraftwerk, eine große Wärmepumpe und kleinere Einheiten. Zeitweilig überschüssige Energie wird in Wärmespeichern zur späteren Einspeisung zwischengelagert. Das System basiert auf Heißwasser, das in die Gebäude mit einem Leitungssystem eingespeist wird und nach Nutzung in die Heizanlage zurückläuft. Als Not-Puffer fungiert eine große Gastherme.
Das heiße Wasser wird durch die Fernwärmeleitungen in die Gebäude auf eine Übergabestation geschickt und bedient von dort aus die Warmwasser- und Heizungsversorgung. Nach Verbrauch läuft das kältere Wasser wieder zurück in die Heizanlage. So erwartet man eine Einsparung von 81 Prozent von Treibhausemissionen.
Für die Teilnehmer an der Nahwärmeversorgung ergeben sich nach Auskunft der Stadtwerke diverse Vorteile: Alle Unterhaltskosten (Wartung etc.) werden eingespart, hohe Versorgungssicherheit durch unterschiedliche Energieerzeuger, Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, rundum die Uhr Bereitschaft der Stadtwerke und nicht zuletzt die Teilnahme
am aktiven Klimaschutz. Im Zuge des Ausbaus des Nahwärmenetzes ist zugleich als Synergieeffekt der weitere Ausbau des Glasfasernetzes durch die Breitbandversorgungsgesellschaft (BLS) geplant, sodass weitere Haushalte am Riedbaum über die beste Leitungstechnologie verfügen können.
Weitere Interessenten sollten letzte Fragebögen bis zum 5. Juli abgeben. Anschließend erfolgt die Auswertung und dann die Projektplanung bis Oktober. Ein Vertragsangebot erhalten dann die Interessenten, die sich noch in diesem Jahr entscheiden sollten, damit im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen werden kann.
Nachfragen hinsichtlich der Kosten, die auf die Gebäudeeigner zukommen würden, lassen sich nach Auskunft der Stadtwerke bislang noch nicht seriös beantworten. Grundsätzlich ist natürlich, dass es bei mehr Teilnehmern günstiger wird. Bei den reinen Energiekosten geht man von deutlich günstigeren Tarifen als derzeit aus. Die Anschlusskosten sind noch nicht verbindlich kalkulierbar, da die Bundesregierung noch keine festen Entschlüsse über die Förderung beschlossen hat. Man sollte mit einer Summe im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich rechnen. Im Oktober hofft man seitens der Stadtwerke auf konkretere Ergebnisse.
Die Stadtwerke planen, bei einem
ihr hochmodernes Heizkraftwerk der Öffentlichkeit vorzustellen. Ein Termin steht noch nicht fest.