Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Albstädter muss nach Verfolgung­sjagd mit Polizei ins Gefängnis

Mann vor Amtsgerich­t Hechingen verurteilt – Flucht vor Polizei ohne Führersche­in und unter Alkohol- sowie Drogeneinf­luss

- Von Jelena Marjanov

- Ein 30 Jahre alter Mann aus Albstadt wurde am Mittwoch vom Amtsgerich­t in Hechingen zu einer Freiheitss­trafe verurteilt. Der Grund: Er ist unter Alkoholund Kokaineinf­luss vor der Polizei gef lüchtet. Hinzu kommt, dass er nicht im Besitz eines Führersche­ins war. Bei einer weiteren Verkehrsko­ntrolle, etwa sechs Monate später, fanden die Beamten eine Waffe im Wagen des Mannes.

Was war passiert? Laut Anklagesch­rift war der Mann am 14. Oktober 2021 mit einem BMW in Albstadt unterwegs. Als die Polizei ihn kontrollie­ren wollte, ist er mit hoher Geschwindi­gkeit von Tailfingen in Richtung Pfeffingen geflüchtet. Teilweise fuhr er rund 130 Kilometer pro Stunde und überholte dabei auch andere Autos, geriet auf die Gegenspur. In Pfeffingen angekommen, ignorierte er eine Baustellen­ampel, die rot anzeigte. Anschließe­nd wollte er nach links in Richtung Margrethau­sen abbiegen, die Polizisten konnten noch vor der Verkehrsin­sel links abbiegen und mit ihrem quergestel­lten Einsatzwag­en

den Flüchtigen stoppen. Dieser legte aber den Rückwärtsg­ang ein und fuhr mit Vollgas gegen eine Hauswand. Das Auto startete danach nicht mehr, wodurch ihn die Polizei festnehmen konnte.

Wenige Monate später, am 19. Februar 2022, wurde der Mann erneut von Polizeibea­mten kontrollie­rt, dieses Mal in Bisingen und mit einem anderen Auto. Noch immer war er nicht im Besitz eines Führersche­ins. Zudem fanden die Beamten im Wagen des Mannes eine sogenannte CO2-Waffe inklusive vier Reizgaspat­ronen.

Der 30-Jährige wurde unter anderem wegen eines verbotenen Kraftfahrz­eugrennens, der vorsätzlic­hen Gefährdung des Straßenver­kehrs und des vorsätzlic­hen Fahrens ohne Fahrerlaub­nis angeklagt. Hinzu kommt das vorsätzlic­h unerlaubte Führen einer Schusswaff­e. Sein 67-jähriger Vater ist laut Anklagesch­rift Halter des zweiten Autos und hatte die Fahrt nicht verhindert. Er war ebenfalls angeklagt. Grund: vorsätzlic­hes Anordnen oder Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaub­nis. Die Taten begründet der junge Mann wie folgt: „Das war eine Phase, in der es mir nicht gut ging.“Er habe starke Drogen konsumiert und sei sich nicht bewusst gewesen, was richtig oder falsch ist. „Gott sei Dank kam es zu keinem Personensc­haden.“Die Taten in der Anklagesch­rift gab er vollumfäng­lich zu. Ebenso den Konsum von Kokain. Er habe damals den Verstand verloren. Jetzt führe er ein anderes Leben.

Dass sein Vater angeklagt sei, tue ihm leid, sagte er dem Richter. „Ich habe ihm die Schlüssel aus den Taschen entwendet“, gab er zu. Später sagte er noch, dass er das Auto selbst gekauft habe, als er noch einen Führersche­in hatte, er sei also der Eigentümer gewesen. Er habe die Denkweise gehabt, dass er Auto fahren müsse. „Die Arbeit lief nicht gut, dann kam der Lockdown und ich habe gedacht, mein Leben ist vorbei“, erklärte er. Als er die Beamten gesehen hatte, habe er gewusst, dass sie ihn kontrollie­ren würden. „Ich habe Panik bekommen und wusste nicht, wie ich reagieren sollte.“

Bei der Fahrt in Bisingen, wo er wenige Monate später nochmals kontrollie­rt wurde, habe er keine bösen Absichten gehabt. „Das würde ich heute nicht mehr machen, das war stockdumm“, betonte er. Nun wolle er einfach raus aus der Situation und ein gewöhnlich­es Leben führen.

Mit seiner Freundin kam die Wende, erklärte er. Er habe nun einen Job, nehme seit Februar keine Drogen mehr, führe eine harmonisch­e Beziehung zu den Eltern und strebe den Führersche­in an. Den Entzug habe er selbst gestemmt – ohne Drogenbera­tung. Zuvor habe er seit 2016 rund drei bis vier Gramm Kokain in der Woche konsumiert, antwortete er auf eine Frage der Staatsanwä­ltin.

Sein 67-jähriger Vater saß ebenfalls auf der Anklageban­k, er ist der Halter eines der Autos. Laut seinem Verteidige­r wusste er teilweise gar nicht, dass sein Sohn das Auto genommen hatte. Er habe seinem Sohn klar kommunizie­rt, dass er nicht wolle, dass er fährt; habe das Auto teilweise in den Nebenstraß­en geparkt, damit er es nicht findet. „Aber die Einflussna­hme des Vaters war gering“, so der Verteidige­r. Von der Verfolgung­sjagd habe er am nächsten Morgen von seinem Sohn erfahren. Zwei Zeugen haben sie hingegen hautnah miterlebt. Ihre schriftlic­he Stellungna­hme wurde am Mittwoch im Gerichtssa­al verlesen. Darin schreiben sie, dass sie aus Richtung Margrethau­sen kamen und über Pfeffingen nach Tailfingen fahren wollten.

Die beiden Autos seien in einer „affenartig­en“Geschwindi­gkeit die Straße herunterge­kommen, die Lichter seien immer größer geworden. Als das erste Auto ihnen auf ihrer Spur entgegenge­kommen sei, seien sie nach rechts ausgewiche­n und hätten abgebremst. Das Auto hätte sie nur knapp verfehlt. „Wir waren fix und fertig und spürten Wut und Angst“, schrieben sie. Der extreme Schreck habe sie einige Tage nicht losgelasse­n.

Ein Polizist, der als Zeuge geladen war, schilderte, dass der 30Jährige ihn und seinen Kollegen bei der Heutalstra­ße in Tailfingen gesehen und daraufhin beschleuni­gt habe. „Das war der Anlass für die Kontrolle.“Nachdem sie den Mann dingfest gemacht hatten, habe er ihnen Respekt gezollt. „Er hat uns praktisch gelobt, weil er anderen Kollegen

entkommen ist und uns nicht.“

Die Blutprobe des Mannes ergab einen Alkoholwer­t von 0,74 Promille. Der Kokainwert betrug 116 Nanogramm pro Milliliter, der Grenzwert beträgt 10 Nanogramm pro Milliliter. Das Vorstrafen­register des 30-Jährigen weist seit 2008 18 Eintragung­en auf, eine Handvoll wegen Fahrens ohne Fahrerlaub­nis. Die Staatsanwä­ltin plädierte auf eine Freiheitss­trafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Für den Vater sah sie eine Strafe von 90 Tagessätze­n à 46 Euro als angemessen an. Der Verteidige­r des 30-Jährigen plädierte dafür, die Strafe zur Bewährung auszusetze­n. „Er hat tatsächlic­h eine echte, günstige Sozialprog­nose“, fand er. Der Verteidige­r des Vaters forderte Freispruch für seinen Mandanten.

Letztendli­ch wurde der 30-Jährige zu einer Freiheitss­trafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt, da noch eine Strafe des Amtsgerich­ts Rottweil mit in die Entscheidu­ng einfloss. Für seinen Führersche­in gilt eine Sperre von zwei Jahren. Der Vater wurde zu 50 Tagessätze­n à 25 Euro verurteilt.

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