Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mädchen will verletztes Rehkitz retten – vergeblich

14-Jährige findet ein Rehkitz mit abgemähtem Lauf und versucht es gesund zu pflegen

- Von Peggy Meyer Wer die Kitzretter unterstütz­en möchte, meldet sich bitte bei Harald Holl unter 0176/30699609.

- Wenn Sonne und Gras hoch stehen, ist die Mähsaison in vollem Gange. Doch die Mahd birgt Gefahren für junge Wildtiere. Besonders Rehkitze, von der Geiß zum Schutz vor Fressfeind­en an diesem vermeintli­ch „sicheren“Ort im hohen Gras abgelegt, sind gefährdet. Denn auch wenn die Landwirte verpflicht­et sind, die Mahd 24 Stunden vorher beim Jagdpächte­r anzuzeigen, wird dies längst nicht von allen praktizier­t. Und so erleiden Jahr für Jahr viele kleine Kitze einen qualvollen Mähtod. Wie so ein kleines Kitz mit abgemähtem Lauf schreit und leidet, hat vor kurzem Fenja Maile aus Sigmaringe­ndorf erleben müssen.

Die 14-Jährige ist mit ihrem weißen Schäferhun­d unterwegs, als sie oberhalb des Kleintierz­uchtverein­s im Gras am Wegesrand eine Bewegung und ein Geräusch wahrnimmt. „Da lag das kleine Kitz und hat geschrien und versucht aufzustehe­n“, erzählt Fenja, „da habe ich gesehen, dass ihm ein halbes Bein fehlt“. Fenja nimmt das Tier mit heim, sie will das hilf lose Wesen nicht einfach liegen lassen. „Ich hatte Angst um das Kitz.“Die Wunde scheint nicht frisch zu sein, das Tier wirkt erstaunlic­h fit. „Das ist nicht untypisch“, sagt Harald Holl von der Kreisjäger­vereinigun­g Sigmaringe­n und momentan mit dem Kitzrettun­gsteam im Dauereinsa­tz. „Auch wenn es dem Tier schlecht geht, zeigt es das nicht, es entwickelt eine Art Schutzrefl­ex.“

Fenjas Vater, Steffen Maile, setzt sich sofort ans Telefon, bittet die Polizei um Hilfe. Ein Jäger aus Wald meldet sich, sie sollen mit dem Kitz zum Tierarzt. „Der hat Antibiotik­a und Schmerzmit­tel gespritzt“, erzählt Bianca Maile. Ihr Mann kontaktier­t im Internet eine Frau aus Klewe, die Tipps zur Nahrung gibt. Wieder fährt Fenjas Mutter los. „Ich habe dreiprozen­tige Ziegenmilc­h gekauft, mit Traubenzuc­ker und Fencheltee gemischt und das Kitz mit einer speziellen Aufzuchtf lasche gefüttert“, sagt sie.

Aber nach einigen Stunden geht es dem Kitz zusehends schlechter. Bianca Mailes Stimme zittert. „Ich kann es immer noch nicht fassen, jetzt ist das Tier in unserer Obhut und dann stirbt es.“Fenja kommen die Tränen.

Sie und ihre Eltern haben alles versucht, um das arme Tier zu retten.

Fenja hat helfen wollen, sie hat das Kitz mit seinen großen braunen Augen sofort ins Herz geschlosse­n. „Ich habe sie Franzi genannt“, verrät sie später. Sie wirkt still und traurig und mache sich sogar Vorwürfe. Ein entfernter Nachbar habe ihr gesagt, sie hätte das Tier nicht anfassen und mitnehmen dürfen. „Aber ich musste

doch etwas tun“, sagt Fenja.

Harald Holl versucht sie zu beruhigen. „Ganz ehrlich, das Kitz hätte draußen noch große Qualen erlitten und eh nicht überlebt.“Spontan schlägt er Fenja vor, zur nächsten Kitzsuche mitzukomme­n. „Wir brauchen immer Läufer und Helfer.“Denn die Kitzretter fliegen mit Drohnen das zu mähende Feld ab, können anhand der Wärmebildk­amera die Rehkitze aufspüren. Diese haben in

den ersten Lebenswoch­en keinen Fluchtinst­inkt - im Gegenteil, bei Gefahr drücken sie sich fest auf den Boden. Die Läufer holen die Kitze aus dem Feld, legen sie am schattigen Waldrand ab und bringen sie nach der Mahd sofort wieder an die alte Stelle. Wichtig sei, die Tiere nicht mit bloßen Händen anzufassen, damit kein menschlich­er Geruch an ihnen haftet. „Sonst kann es passieren, dass die Mutter es nicht mehr annimmt“, sagt der Jäger. Auch wenn es für Fenja und ihre Mutter nur ein schwacher Trost ist - bereits am nächsten Abend laufen sie mit dem Drohnentea­m übers Feld, um anderen Kitzen ein Schicksal wie Franzi möglichst zu ersparen.

 ?? FOTO: PEGGY MEYER ?? Noch vor Sonnenaufg­ang sind die Kitzretter unterwegs, um möglichst viele Kitze vor dem Mähtod zu bewahren.
FOTO: PEGGY MEYER Noch vor Sonnenaufg­ang sind die Kitzretter unterwegs, um möglichst viele Kitze vor dem Mähtod zu bewahren.
 ?? FOTO: FENJA MAILE ?? Kitz „Franzi“wird mit abgemähtem Lauf gefunden - trotz der erhaltenen Hilfe stirbt sie nur wenige Stunden später.
FOTO: FENJA MAILE Kitz „Franzi“wird mit abgemähtem Lauf gefunden - trotz der erhaltenen Hilfe stirbt sie nur wenige Stunden später.

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