Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hechinger wechselt ans Oberlandesgericht
Richter Hannes Breucker verlässt das Landgericht – 2022 war geprägt von Tötungsdelikten
- Manchmal kommt es vor, dass mutmaßliche Straftäter aus der Untersuchungshaft wieder entlassen werden müssen, weil das Verfahren sich zu sehr in die Länge zieht – ein Schlag ins Gesicht für den Rechtsstaat. Nicht aber so in Hechingen. Das sagt jedenfalls der Präsident des Landgerichts Hechingen, Florian Diekmann, beim Jahrespressegespräch. Er zieht beim Rückblick auf das vergangene Jahr eine durchweg positive Bilanz.
Dabei wartet Diekmann direkt mit Neuigkeiten auf: Vizepräsident Hannes Breucker, der zugleich auch Vorsitzender der ersten Großen Straf kammer war, wurde zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Stuttgart ernannt. „Er hat die Strafrechtssprechung des Landgerichts mit seinem ausgeprägten Verhandlungsgeschick, Feingefühl und seiner Expertise maßgeblich geprägt“, sagen die Beteiligten. Und in der Tat: Richter Hannes Breucker war für seine einfühlsame Art bekannt. Kein Verurteilter verließ den Sitzungssaal, ohne dass zuvor ausführlich und in verständlichen Worten das Urteil erklärt worden war. Das Amt des Vizepräsidenten bleibt vorerst vakant. Indessen ist die Nachfolge für den Vorsitz der ersten Großen Straf kammer geklärt: Volker Schwarz, Vorsitzender Richter am Landgericht Hechingen, übernimmt zum 1. Juni. Schwarz hatte zuletzt den Vorsitz in der Berufungskammer sowie in der ersten Großen Jugendkammer des Landgerichtes Hechingen inne. In seine Zuständigkeit fällt unter anderem das Strafverfahren wegen des mutmaßlichen Doppelmordes in Albstadt. Seine Zuständigkeit in der Pressearbeit gibt Schwarz an Richter Simon Schairer ab, der fortan als stellvertretender Pressesprecher fungiert.
Auch wenn die Klagen im Zivilbereich rückläufig sind – wohl ein bundesweiter Trend – fehlt es dem Landgericht freilich nicht an Arbeit. Vor allem arbeits- und zeitintensive Verfahren prägten das Geschäftsjahr der ersten Großen Strafkammer. Sechs Tötungsdelikte beschäftigten die Richter und die Öffentlichkeit – sechs Mal so viele Verfahren wie im Jahr zuvor. Darunter auch Verfahren, die das Landgericht auch künftig noch beschäftigen werden.
Besorgniserregend empfinden die Richter die ausgeprägte kriminelle Energie junger Menschen, die sich vergangenes Jahr vor dem Landgericht verantworten mussten. Es wurden mitunter mehrjährige Haftstrafen verhängt. Besonders auffällig sei jedoch, dass es sich vermehrt um Jugendliche (14 bis 18 Jahre) beziehungsweise Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) handelt, die zuvor keinerlei Straftaten begangen hatten.
Aber auch abseits der Verhandlungsräume hat das Landgericht einiges zu tun. Präsident Diekmann hatte bereits bei seiner Amtseinführung im Dezember 2022 klare Visionen formuliert. Digitalisierung lautete und lautet noch immer das große Stichwort. Er selbst bezeichnet das Landgericht Hechingen als digitalen Leuchtturm. Nachdem unlängst die elektronische Gerichtsakte, auch f lächendeckend an allen Amtsgerichten im Bezirk, eingeführt worden war, liebäugelt das Landgericht nun mit künstlicher Intelligenz.
Präsident Diekmann, der früher Leiter des Fachzentrums für Informations- und Kommunikationstechnik, der zentralen IT-Stelle für die Justiz in Baden-Württemberg
war, ist sich sicher, dass entsprechende Software den Alltag der Richter maßgeblich erleichtern kann. Der Inhalt eines Stapels Akten zu einem einzigen Fall könne effizient in kürzester Zeit zusammengefasst werden. Man denke allein an Sammelklageschriften, wie im Diesel-Skandal. Ein Urteil wird Künstliche Intelligenz aber noch lange nicht sprechen können, betont Diekmann. Das soll es auch nicht. Die Justiz verspricht sich von der Textverarbeitungssoftware lediglich eine Erleichterung.
Am Landgericht Hechingen werde als bundesweit erstem Gericht die neue Textverarbeitungssoftware im Alltagsbetrieb getestet, die künftig an allen Gerichten Deutschlands zum Einsatz kommen soll. Ferner soll bald beim Amtsgericht Hechingen ein Pilotprojekt starten: eine elektronische Verfahrensprüfung bei Zwangsvollstreckungen. IT ist auch das bestimmende Thema in den Zivilkammern. Deshalb wurde im vergangenen Jahr eine zusätzliche Kammer, die vierte, gegründet. Das Ziel: Spezialzuständigkeiten gründen und bündeln, vor allem für Insolvenzsachen und IT-Recht.