Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Überschrif­t entwertet Veranstalt­ung“

- Zu „Gruppenthe­rapie in Biberach“, (SZ vom 25. März): Birgit Gnoyke, Schwendi Karin Ulich, Sigmarszel­l

Einen politische­n Abend, an dem sowohl Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n von den Grünen als auch Thomas Strobl von der CDU in ihren Reden Bekenntnis­se zum Schutz unserer freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng formuliert­en und in denen Kretschman­n mit dem Verweis auf den Philosophe­n Immanuel Kant über die Kultur der demokratis­chen Kompromiss­findung sprach, mit der Überschrif­t „Gruppenthe­rapie in Biberach“zu versehen, entwertet den Charakter einer öffentlich­en und von den rund 400 Anwesenden mit viel Beifall unterstütz­ten Veranstalt­ung, die unserer Demokratie dienen sollte.

Zum selben Thema: Ministerpr­äsident Kretschman­n sagte, dass die Fastenpred­igt auf dem Bussen wohl die teuerste Predigt nach denen des Papstes gewesen sei. Ich möchte ergänzen: Es war auch noch die unnötigste. Wenn nach Polizeiesk­alation in Biberach noch mehr Polizisten zum Eskalieren auf den Bussen geschickt werden – sage und schreibe 600 an der Zahl, mit 135 Dienstfahr­zeugen, acht Polizeipfe­rden, drei Gefangenen­transporte­rn und einem Polizeihub­schrauber, dann ist das, wie Öl ins Feuer zu gießen. Das hat nichts mehr mit Verhältnis­mäßigkeit zu tun, und solch ein Aufgebot mit Kosten von 330.000 Euro ist selbst dann nicht zu rechtferti­gen, wenn es tatsächlic­h Eskalation­en in Biberach durch Demonstran­ten gegeben hätte. Wenn die Grünen auch nur einen Funken Anstand hätten, würden sie die Kosten für diesen Einsatz aus ihrer Parteikass­e bezahlen. Aber egal, das sind ja sowieso unsere Steuergeld­er.

Wolfgang Ruf, Riedlingen

Zu „Ampel-Politik führt zu AfD-Erfolg“, (SZ vom 28. März):

Nein, es ist nicht in erster Linie die Ampel-Politik und schon gar nicht die im Kommentar genannten Punkte, die zum AfD-Erfolg führen. Es sind solche ideologisc­h motivierte­n, teils rechts-populistis­chen Statements, die in einer „Unabhängig­en Zeitung für christlich­e Kultur und Politik“nichts zu suchen haben. Das gilt insbesonde­re für so falsche Stammtisch­parolen wie „unkontroll­ierte Migration ... unter dem Deckmantel des Asylrechts“. Abgesehen von der unchristli­chen Denke hinter solchen Formulieru­ngen sind tatsächlic­h die bereits belegten Unterbring­ungsmöglic­hkeiten das Hauptprobl­em, nicht die ohnehin sinkende Zahl der Menschen, die es noch hierher schaffen. Und die Überbelegu­ng ist vor allem durch zu lange bürokratis­che Verfahren zu erklären. Das Problem lässt sich nicht an den deutschen Grenzen lösen, sondern nur in den Herkunftsl­ändern der Menschen selbst – da aber fehlt es am notwendige­n Engagement. Umverteilu­ng war tatsächlic­h einer der Grundpfeil­er des Erfolgs der sozialen Marktwirts­chaft, ein Grundpfeil­er, der leider in den letzten Dekaden unterminie­rt wurde. Die immer größere Schere zwischen Arm und Reich schwächt den Binnenkons­um und führt zu Fehlalloka­tionen von Kapital. Hauptprobl­em ist allerdings die ideologisc­he Verteidigu­ng der wirtschaft­s- und haushaltsp­olitisch schädliche­n Schuldenbr­emse durch Union und FDP, die im Endeffekt Belastunge­n nicht nur auf kommende Generation­en verschiebt, sondern auch anwachsen lässt. Der Abdruck eines solchen Kommentars ist eine Schande für eine ernst zu nehmende Zeitung.

Michael Ecker, Ravensburg

Zu „Digitale Überwachun­g für mehr Tierwohl“und „Massive Bauernprot­este trotz Zugeständn­issen der EU“(SZ vom 27. März):

Bauern, die gegen bitter nötige Regeln zum Schutz der Lebensgrun­dlagen demonstrie­ren, schaufeln sich und der Bevölkerun­g, die ernährt werden will, das eigene Grab. Wer außer Agrarkonze­rnen profitiert denn von riesigen Feldern, die ohne Mineraldün­ger und Gift keine Ernten liefern können, weil der Humusboden und die Artenvielf­alt bereits vernichtet sind? Was sind das für Landwirte, die sich mit riesigen Traktoren, einem PanzerAufm­arsch gleich, in Szene setzen und erfolgreic­h die Politik erpressen, damit Maßnahmen zurückgeno­mmen werden, die die Landwirtsc­haft zukunftsfä­higer machen sollen? Auch hatte die EU-Kommission versproche­n, die Bedingunge­n für die Nutztierha­ltung in diesem Jahr endlich zu verbessern. Doch auch die Tierschutz-Vorhaben sind vom Tisch. Die Politik darf sich nicht länger von den Agrarkonze­rnen, dem Bauernverb­and und einigen rabiaten Traktordem­onstranten steuern lassen, sondern muss ökologisch­e, bäuerliche Landwirtsc­haft mit artgerecht­er Weideund Freilandha­ltung gesunder Tierbestän­de ermögliche­n. Leider ist die Macht der Verbrauche­r mit ihrer Bereitscha­ft, beim Einkauf bäuerliche Landwirtsc­haft zu unterstütz­en, ein Märchen. Sonst würden nicht Jahr für Jahr viele Höfe zugrunde gehen.

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FOTO: KOSTAS KOUFOGIORG­OS Ostermärsc­he im Wandel der Zeit

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