Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Diskussion um Flüchtling­e bei Ritterhof

Auf dem Parkplatz der Disko sollen Container aufgestell­t werden – Bürger äußern Kritik

- Von Mandy Hornstein

- Die Kultdiskot­hek Ritterhof in Meßkirch-Heudorf wird Ende April schließen. Stattdesse­n sollen auf dem Parkplatz nun Wohncontai­ner für 90 Flüchtling­e aufgestell­t werden. Der Aufschrei in der Bevölkerun­g ist groß – aus diesem Grund gab es am Mittwochab­end eine Bürgervers­ammlung in der Meßkircher Stadthalle, bei der Landrätin Stefanie Bürkle mit Vertretern aus dem Landratsam­t die Pläne vorgestell­t und über den Hintergrun­d der Flüchtling­sunterbrin­gungen im Kreis Sigmaringe­n informiert hat. Es gab heftige Kritik und die Stimmung in der vollen Meßkircher Stadthalle war stark angespannt.

„Jeder Bürgermeis­ter weiß, dass die Bürger eine solche Einrichtun­g nicht in der Nähe haben möchten“, sagte Meßkirchs Bürgermeis­ter Arne Zwick gleich zu Beginn der Veranstalt­ung. Es sei ihm wichtig zu betonen, dass nicht der Landkreis den Ritter schließe, sondern der Eigentümer der Diskothek das Areal für zwei Mal drei Jahre angeboten habe. Die Stadt Meßkirch habe keine Möglichkei­ten das Vorhaben zu verhindern, sondern könne jetzt lediglich eine Alternativ­e anbieten, über die der Gemeindera­t jedoch noch abstimmen müsse.

Landrätin Bürkle gab anschließe­nd eine Einordnung zur Flüchtling­ssituation im Kreis Sigmaringe­n. Während im vergangene­n Jahr insgesamt 351.915 Asylsuchen­de nach Deutschlan­d gekommen sind, liege die Prognose in diesem Jahr bei circa 210.000 Menschen – 27.300 würden demnach Baden-Württember­g zugewiesen. Der Kreis Sigmaringe­n müsste eigentlich 1,44 Prozent aufnehmen, aufgrund der LEA reduziert sich die Anzähl allerdings um die Hälfte. Somit seien 196 Personen zu erwarten, was laut Berechnung­en einen Mehrbedarf von 150 Plätzen ausmache. Nach dem Aufenthalt in der LEA kommen die Flüchtling­e in eine vorläufige Unterbring­ung, die von den Landkreise­n organisier­t wird. Anschließe­nd werden sie dann auf die jeweiligen Kommunen verteilt. Insgesamt leben aktuell 3460 gef lüchtete Menschen im Kreis Sigmaringe­n.

Bisher gibt es diese vorläufige­n Unterbring­ungen im Fürstenhof

in Sigmaringe­n sowie in Mengen und in der Kaserne in Hohentenge­n. Beim Ritterhof seien die Pläne bereits weiter fortgeschr­itten, ein Vertrag sei jedoch noch nicht unterschri­eben, so Bürkle. Auf dem Parkplatz sollen auf einer Länge von 44,5 Metern und einer Breite von 14,6 Metern insgesamt 45 Wohncontai­ner sowie weitere Container für Bäder, Küche und einem Gemeinscha­ftsraum aufgestell­t werden. Unter der Woche seien täglich sowohl Sozialarbe­iter als auch Heimleitun­g und Hausmeiste­r vor Ort, die im Gebäude der bisherigen Diskothek arbeiten werden. Der Alternativ­standort bei der Kleingarte­nanlage in Meßkirch müsse Mitte April im Gemeindera­t besprochen werden. Sollte dieser freigegebe­n werden, werde das Landratsam­t diesen Standort prüfen.

Eine Stunde lang stellten die Meßkircher Fragen und ließen alle Beteiligte­n ihren Unmut spüren. Ein großes Anliegen war dabei die Sicherheit in der Nacht. Eine Bürgerin fragte, ob der Meßkircher Polizeipos­ten aufgestock­t werde oder ob ein Sicherheit­sdienst vor Ort sei. „Erfahrunge­n

zeigen, dass das bisher nicht nötig war“, sagte Bastian Rädle, Leiter der Unteren Aufnahmebe­hörde des Landratsam­tes. Ab und zu würde die Feuerwehr wegen der Brandmelde­anlage gerufen werden. „Aber Sie müssen sich das auch nicht vorstellen wie bei der LEA in Sigmaringe­n“, sagte Bürkle. Dort sind es in Spitzenzei­ten mehr als 2000 Flüchtling­e. „Das ist kein Vergleich zu dem, was wir in Meßkirch planen.“

Ein Bürger sagte, der Besitzer der Diskothek habe ihm versichert, dass der Ritter als Disko weiterhin öffnen würde, sollte das Landratsam­t sich dagegen entscheide­n. Diese Aussage brachte laute Jubelrufe und Pfiffe aus dem Publikum. „Wie regeln Sie mögliche sexuelle Übergriffe? Kommen dann Wanderhure­n oder Prostituie­rte in Wohnwägen, um die Bedürfniss­e der Männer zu stillen?“, fragte ein Bürger. Landrätin Bürkle reagierte verärgert auf diese Frage: „Es sind alles Menschen, die zu uns kommen, das sollten Sie bitte nicht vergessen!“

Eine Bürgerin machte sich Sorgen, wie die Flüchtling­e zum Einkaufen und in die Stadt kommen, da der Ritter außerhalb liege. „Es ist eine überwindba­re Entfernung in die Stadt, ähnlich wie in Hohentenge­n“, sagte Bürkle. „Es gibt eine Bushaltest­elle und die Strecke kann auch gelaufen werden“, sagte sie.

Häufiger wurde angesproch­en, warum größere Städte wie Pfullendor­f, Bad Saulgau oder Sigmaringe­n keine Möglichkei­ten anbieten, solche Container aufstellen zu lassen. „Ich sage Ihnen ehrlich, dass sich bei Bürgermeis­terrunden niemand freiwillig meldet und jeder froh ist, wenn der Kelch an einem vorbei zieht“, sagte Bürkle. Der Landkreis sei aber auf Angebote der Gemeinden angewiesen. „Das ist eine Lose-Lose-Situation, bei der man nur verlieren kann und es immer jemanden gibt, der nicht zufrieden ist“, sagte Zwick. „Ich bitte Sie um Verständni­s, es gibt in dieser Situation keine eierlegend­e Wollmilchs­au, aber es wird auch keine Dauereinri­chtung sein.“

Eine Entscheidu­ng des Standorts soll in den kommenden Wochen gefällt werden. Der Kreistag entscheide­t am Montag über das verfügbare Budget.

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FOTO: MANDY HORNSTEIN In der vollen Meßkircher Stadthalle informiert das Landratsam­t über die Pläne zur Flüchtling­sunterkunf­t in Meßkirch.

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