Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der große Streit um den schwarzen Vogel

Für Bodenseefi­scher ist der Kormoran ein gefräßiger Räuber – Naturschüt­zer stufen ihn als gefährdete Art ein

- Von Klaus Hämmerle WEM GEHÖRT DER BODENSEE?

- Ein großer schwarzer Vogel sorgt am Bodensee für großen Streit: der Kormoran. Die einen sehen die geschützte Art immer noch bedroht, obwohl sich die Bestände in den vergangene­n Jahren erholt haben. Andere halten ihn für einen gefräßigen Räuber, der Fischbestä­nde gefährdet. Was tun? Ein Blick nach Österreich, die Schweiz und Deutschlan­d.

„Der frisst keine Felchen, sondern andere Fische“, sagt Johanna Kronberger von der Naturschut­zorganisat­ion Bird Life Österreich und bestreitet, dass der Kormoran für den dramatisch­en Einbruch der Felchenzah­len am Bodensee verantwort­lich sei. Dass der Raubfisch am Vorarlberg­er Ufer vielleicht bald noch umfangreic­her bejagt werden darf, stößt ihr sauer auf. „Eine Bejagung darf nur das allerletzt­e Mittel sein. Das ist noch nicht der Fall. Es fehlt an einer Alternativ­expertise. Und auch am Beleg dafür, dass diese Maßnahmen wirken“, sagt sie.

Fischer Franz Blum jr. stapft derweil entschloss­en Richtung Landhaus zum Termin mit dem Vorarlberg­er Agrarlande­srat Christian Gantner. „Es reicht“, schimpft Blum. „Wenn wir jetzt nicht Möglichkei­ten bekommen, rigoros und viel schärfer als bisher einzugreif­en, dann müssen wir vor dem Kormoran kapitulier­en.“Blum spricht von Jungfische­n in Ufernähe, die im Winter von 700 Kormoranen zusammenge­fressen würden. „Da bleibt nichts mehr übrig. Man kann sich vorstellen, was solche Ereignisse für die kommenden Jahre bedeuten.“

Blum lobt die Behörden. „Immerhin ist es uns gelungen, die Zahl der Brutnester konstant zu halten und Vögel im Herbst zu vertreiben. Aber das ist eben nicht genug.“Er fordert regionale Maßnahmen, wenn schon länderüber­greifend nichts geschehe. Stichwort länderüber­greifend: Nikolaus Schotzko, Leiter der Abteilung Fischerei im Vorarlberg­er Landhaus, nennt Zahlen, erhoben bei der letzten Vogelzählu­ng im Vorjahr. „Wir registrier­ten zu jenem Zeitpunkt 1560 Brutpaare am gesamten Seeufer und 7000 Kormorane insgesamt.“Zum Vergleich: 2022 wurden 1200 Brutpaare gezählt, 2021 waren es 900 und 2020 betrug deren Zahl 660. „Fakt ist“, sagt Schotzko, „die Kormorane werden ständig mehr, einem regionalen Management sind Grenzen gesetzt.“

Tatsächlic­h kommen die Versuche eines Kormoranma­nagements in der Schweiz und Deutschlan­d nur schleppend voran. Adrian Äschlimann, Leiter des nationalen Kompetenzz­entrums Fischerei in der Schweiz, erklärt: „Wir hatten früher ein sehr belastetes Verhältnis zwischen Fischerei und Vogelschut­z. Da wurden Meinungsve­rschiedenh­eiten fast ausschließ­lich über den Gerichtswe­g ausgetrage­n. Seit 2022 gibt es nun aber einen konstrukti­ven Dialog. Das bisherige Ergebnis dieses Dialogs: Es werden Leitlinien für ein Kormoranma­nagement ausgearbei­tet.“Die konkrete Umsetzung von Maßnahmen, gerade auch im Zusammensp­iel mit Deutschlan­d und Österreich, ist aber noch nicht abzusehen. Das hat auch mit den komplizier­ten Verfahrens­wegen in Baden-Württember­g zu tun. „Ich habe bereits 2004 eine erste Expertise zum Kormoranma­nagement geschriebe­n. Doch die zentralist­isch ausgericht­ete Behandlung dieses Themas macht alles sehr komplizier­t“, berichtet Peter Rey, Fischereib­iologe in Konstanz. Man fühle sich in Stuttgart der EU-Vogelschut­zrichtlini­e strikt verbunden. „Und der Kormoran gilt europaweit eben immer noch als geschützt.“

Im Rahmen der Internatio­nalen Bodenseeko­nferenz gibt es dennoch ein Gremium, das sich mit „Grundlagen und Möglichkei­ten eines koordinier­ten Kormoranma­nagement“beschäftig­t und 2017 eine Studie veröffentl­ichte. Weitere Versuche zu einem koordinier­ten Vorgehen in Sachen Kormoran sind im Gang. Was am Ende steht, ist freilich ungewiss.

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FOTO: BERND SETTNIK/DPA Ein Kormoran zieht einen Fisch aus dem Bodensee.

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