Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der große Streit um den schwarzen Vogel
Für Bodenseefischer ist der Kormoran ein gefräßiger Räuber – Naturschützer stufen ihn als gefährdete Art ein
- Ein großer schwarzer Vogel sorgt am Bodensee für großen Streit: der Kormoran. Die einen sehen die geschützte Art immer noch bedroht, obwohl sich die Bestände in den vergangenen Jahren erholt haben. Andere halten ihn für einen gefräßigen Räuber, der Fischbestände gefährdet. Was tun? Ein Blick nach Österreich, die Schweiz und Deutschland.
„Der frisst keine Felchen, sondern andere Fische“, sagt Johanna Kronberger von der Naturschutzorganisation Bird Life Österreich und bestreitet, dass der Kormoran für den dramatischen Einbruch der Felchenzahlen am Bodensee verantwortlich sei. Dass der Raubfisch am Vorarlberger Ufer vielleicht bald noch umfangreicher bejagt werden darf, stößt ihr sauer auf. „Eine Bejagung darf nur das allerletzte Mittel sein. Das ist noch nicht der Fall. Es fehlt an einer Alternativexpertise. Und auch am Beleg dafür, dass diese Maßnahmen wirken“, sagt sie.
Fischer Franz Blum jr. stapft derweil entschlossen Richtung Landhaus zum Termin mit dem Vorarlberger Agrarlandesrat Christian Gantner. „Es reicht“, schimpft Blum. „Wenn wir jetzt nicht Möglichkeiten bekommen, rigoros und viel schärfer als bisher einzugreifen, dann müssen wir vor dem Kormoran kapitulieren.“Blum spricht von Jungfischen in Ufernähe, die im Winter von 700 Kormoranen zusammengefressen würden. „Da bleibt nichts mehr übrig. Man kann sich vorstellen, was solche Ereignisse für die kommenden Jahre bedeuten.“
Blum lobt die Behörden. „Immerhin ist es uns gelungen, die Zahl der Brutnester konstant zu halten und Vögel im Herbst zu vertreiben. Aber das ist eben nicht genug.“Er fordert regionale Maßnahmen, wenn schon länderübergreifend nichts geschehe. Stichwort länderübergreifend: Nikolaus Schotzko, Leiter der Abteilung Fischerei im Vorarlberger Landhaus, nennt Zahlen, erhoben bei der letzten Vogelzählung im Vorjahr. „Wir registrierten zu jenem Zeitpunkt 1560 Brutpaare am gesamten Seeufer und 7000 Kormorane insgesamt.“Zum Vergleich: 2022 wurden 1200 Brutpaare gezählt, 2021 waren es 900 und 2020 betrug deren Zahl 660. „Fakt ist“, sagt Schotzko, „die Kormorane werden ständig mehr, einem regionalen Management sind Grenzen gesetzt.“
Tatsächlich kommen die Versuche eines Kormoranmanagements in der Schweiz und Deutschland nur schleppend voran. Adrian Äschlimann, Leiter des nationalen Kompetenzzentrums Fischerei in der Schweiz, erklärt: „Wir hatten früher ein sehr belastetes Verhältnis zwischen Fischerei und Vogelschutz. Da wurden Meinungsverschiedenheiten fast ausschließlich über den Gerichtsweg ausgetragen. Seit 2022 gibt es nun aber einen konstruktiven Dialog. Das bisherige Ergebnis dieses Dialogs: Es werden Leitlinien für ein Kormoranmanagement ausgearbeitet.“Die konkrete Umsetzung von Maßnahmen, gerade auch im Zusammenspiel mit Deutschland und Österreich, ist aber noch nicht abzusehen. Das hat auch mit den komplizierten Verfahrenswegen in Baden-Württemberg zu tun. „Ich habe bereits 2004 eine erste Expertise zum Kormoranmanagement geschrieben. Doch die zentralistisch ausgerichtete Behandlung dieses Themas macht alles sehr kompliziert“, berichtet Peter Rey, Fischereibiologe in Konstanz. Man fühle sich in Stuttgart der EU-Vogelschutzrichtlinie strikt verbunden. „Und der Kormoran gilt europaweit eben immer noch als geschützt.“
Im Rahmen der Internationalen Bodenseekonferenz gibt es dennoch ein Gremium, das sich mit „Grundlagen und Möglichkeiten eines koordinierten Kormoranmanagement“beschäftigt und 2017 eine Studie veröffentlichte. Weitere Versuche zu einem koordinierten Vorgehen in Sachen Kormoran sind im Gang. Was am Ende steht, ist freilich ungewiss.