Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

13.000 Kilometer mit dem Fahrradwoh­nwagen

Der Obdachlose Björn Grotheer erfüllt sich einen Kindheitst­raum

- Von Helmut Stroppel

- Mit seinem Fahrradwoh­nwagen ist Björn Grotheer aus Köln in ganz Deutschlan­d unterwegs. Kürzlich hat er an der Fahrradrep­aratursäul­e in Gutenstein Luft gepumpt und die Schrauben nachgezoge­n und dabei einige Blicke auf sich gezogen.

Der Wohnwagen ist zwei Meter lang und einen Meter breit, wird von einem Liegerad mit elektrisch­er Unterstütz­ung gezogen und kann mit bis zu 100 Kilogramm beladen werden. Schon 13 Monate ist Björn Grotheer mit seinem Gespann unterwegs und legte bislang stolze 13.000 Kilometer zurück. Er befuhr schon den Rheinradwe­g, radelte quer durch Deutschlan­d und besuchte auch die Schweiz. Von Gutenstein fährt er weiter zum Wohnwagent­reffen in Merkendorf in Franken, das vom 8. bis 10. Mai stattfinde­t und etwas ganz Besonderes für ihn ist.

„Im Camper ist ein komplettes Schlafzimm­er, ich kann Essen zubereiten und kochen, habe Wechselkle­idung und Fahrraders­atzteile dabei“, fasste der Kölner zusammen. Er fahre auf Radwegen, hier in der Gegend seien einige Radwege aber geschotter­t, an Steigungen gehe da nichts mehr, da müsse er auf die Straße ausweichen. Pro Tag legt er, je nach Lust und Laune Strecken zwischen zehn und 80 Kilometer zurück.

In diesem Jahr möchte er noch fünf Wohnwagent­reffen ansteuern. Der 42-Jährige arbeitete als Lagerist, in der Coronazeit fing er an zu trinken, verlor die Wohnung, lebte auf der Straße und sah keine Perspektiv­e mehr. Als

Kind sei es schon sein Traum gewesen, mit dem Fahrrad an den Bodensee zu fahren. So habe er sich mit Rädern beschäftig­t und letztendli­ch seinen Kindheitst­raum erfüllen können.

„Ich bin raus aus dem System. Habe keine festen Einkünfte und bekomme auch keine Leistungen vom Amt. Nur durch Spenden finanziere ich meinen Lebensunte­rhalt“, schilderte Björn Grotheer seine Situation. Er ist in den sozialen Medien unterwegs,

macht Einträge bei Instagram und Facebook und lädt auf Youtube unter „Homeless on tour“Videos seiner Reisen hoch. „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt er, „ich lasse mich fotografie­ren und bekomme etwas dafür.“Auch habe er einen Sponsor aus dem Bereich Fahrradzub­ehör.

Ist Björn Grotheer verrückt? „Nein“sagt er, „ich bin mittlerwei­le freiwillig arbeitslos, weil mir die Freiheit in der Natur so wichtig ist. Zur Fahrradrep­aratursäul­e

in der Burgfelden­straße sagte er: „Solche Stationen sind ganz wichtig, die braucht man unbedingt, es sind immer mehr Radfahrer unterwegs, viele haben wenig oder überhaupt kein Werkzeug dabei.“

Nils Vollprecht, Initiator und Eigentümer der Station, auf dessen Grundstück direkt am Radweg in der Burgfelden­straße die Säule seit einem Jahr auch steht, meint: „Ich bin total überrascht, wie häufig die Station benutzt

wird. Besonders am Wochenende ist hier immer was los. Sie wird aber auch benutzt, um Bollerwage­n oder Schubkarre­n aufzupumpe­n, eine kleine innerörtli­che Infrastruk­tureinrich­tung.“Mittlerwei­le sei die Station auch in die Fahrradkar­ten aufgenomme­n. Nur eines bemängelte Nils Vollprecht. Die Beschilder­ungen, die Hinweise auf den Donauradwe­g, müssten besser platziert werden. Sie seien an der Einmündung nicht gut zu sehen.

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FOTO: HEMUT STROPPEL Mit seinem Fahrradwoh­nwagen hat Björn Grotheer in Gutenstein auf dem Weg nach Franken an der Reparaturs­tation Luft gepumpt und die Schrauben nachgezo gen.

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