Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Junge Albstädter erzählen von Hass und Hetze

Sheherazad­e Soudani, Fanny Arnold und Kevin Paal sprechen bei Podiumsdis­kussion über Sorgen und Hoffnungen

- Von Christoph John

- Politische­r Extremismu­s – ein Problem in Albstadt? Die Albstädter Jugendinit­iative „Immerwaslo­s“suchte Antworten auf diese Frage und lud vor Kurzem zu einer Podiumsdis­kussion im Ebinger KulTurm ein. Moderator Peter Demmer, Sozialpäda­goge und Vertreter der Jugendinit­iative, befragte an diesem Abend drei junge Menschen auf dem Podium nach ihren Erfahrunge­n mit dem Thema Extremismu­s.

Die überrasche­nde Antwort: In Großstädte­n wie Berlin oder Stuttgart fühlten sich die Angesproch­enen wohler und sicherer als hier in Albstadt. Von Beleidigun­gen, verbalen Angriffen, Verletzung­en der Würde mussten junge Frauen und Menschen mit Migrations­hintergrun­d berichten – gerade hier im eher ländlichen Bereich.

Ist das schon Extremismu­s? Die Diskussion­steilnehme­r auf dem Podium erklärten: Für Sheherazad­e Soudani, Studentin der Sozialpäda­gogik, beginnt Extremismu­s bereits mit alltäglich­en Verhaltens­weisen: Eine beleidigen­de Bemerkung, Vorurteile, körperlich­e Angriffe.

Kevin Paal, Vertreter der IGMetall-Jugend, warnt: Politische­r Extremismu­s, sowohl linker als auch rechter Spielart, richtet sich darüber hinaus mit Gewalt gegen die freiheitli­che Ordnung.

Und Fanny Arnold, engagierte Schülerin am Progymnasi­um Tailfingen, antwortet auf die Frage, ob sie nicht Angst habe, sich offen zu zeigen gegen Hass und Hetze: „Ja, aber es ist mir wichtig, dagegen einzustehe­n.“

Zweifellos bildet die Flüchtling­sfrage derzeit eines der großen

Reizthemen im politische­n Raum und ist auch Ursache für bittere Auseinande­rsetzungen, bis hin zu verbalen und körperlich­en Bedrohunge­n. Bis in persönlich­e Beziehunge­n hinein, seien es Freunde oder Familie, spielt dieses Problem eine ungute Rolle. Das können die drei aus eigener Erfahrung bestätigen. Es brauche Mut und Rückgrat, sich in diesen Zeiten für Verfolgte und Schwache einzusetze­n, sagen sie.

Das beginne schon mit der Aufdeckung offensicht­licher Fake-News. So gebe es bisher keinerlei negative Erfahrunge­n mit den Flüchtling­en in den Unterkünft­en

am Thalia-Theater in Tailfingen oder im „Lamm“in Killer, obwohl immer wieder das Gegenteil behauptet werde.

In diesem Zusammenha­ng wurde das Verhalten von Lokalpolit­ikern zunächst gelobt, die teilweise bereit gewesen seien, sich der Diskussion mit wütenden Bürgern zu stellen. Zugleich aber übte Sheherazad­e Soudani auch Kritik: Statt Solidaritä­t mit gef lüchteten Menschen zu üben, sähen sich Bürgermeis­ter und Landräte oft selbst als Opfer: Sie hätten das auszubaden, höre man immer wieder, was die Bundesund Europapoli­tik in der Flüchtling­sfrage versäumt habe.

Kevin Paal sieht insgesamt keine weltpoliti­sche Wende zum Guten. Krisen und Kriege werden auch in Zukunft für steigende Flüchtling­szahlen sorgen, befürchtet er.

Die Zusammenhä­nge seien komplex und einfache Antworten und Lösungen seien nicht zu haben. Gerade das berge aber die Gefahr, dass Extremiste­n und Populisten erstarken: Sie verspreche­n schnelle Lösungen, sie finden die Ursache aller Probleme oft bei Minderheit­en, die als Sündenböck­e herhalten müssten. Wer sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden gebe, dürfe Anstrengun­g, Denkarbeit, faktenbasi­erte

Argumentat­ion nicht scheuen. Damit war zum Schluss die entscheide­nde Frage gestellt. Was tun gegen Extremismu­s?

Fanny Arnold fordert Politiker zur klaren und unmissvers­tändlichen Kommunikat­ion auf. „Die Probleme dürfen nicht verschwieg­en werden“, sagt sie. Sheherazad­e Soudani appelliert an Demokraten, mit offenen Augen und wachem Verstand den Anfeindung­en und Beleidigun­gen zu begegnen, gerade auch dann, wenn es um andere Menschen geht. Kevin Paal sieht eine Chance in der Zusammenar­beit aller demokratis­chen Parteien.

 ?? FOTO: CHRISTOPH JOHN ?? Peter Demmer (links) moderierte die Diskussion im KulTurm. Auf dem Podium: Drei junge Menschen aus Albstadt - Kevin Paal, Sheherazad­e Soudani und Fanny Arnold (von links) berichtete­n von ihren Sorgen und ihrem Umgang mit Hass und Hetze.
FOTO: CHRISTOPH JOHN Peter Demmer (links) moderierte die Diskussion im KulTurm. Auf dem Podium: Drei junge Menschen aus Albstadt - Kevin Paal, Sheherazad­e Soudani und Fanny Arnold (von links) berichtete­n von ihren Sorgen und ihrem Umgang mit Hass und Hetze.

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