Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schoko Storz rüstet sich für die Zukunft
Unternehmen ist 140 Jahre alt – Die fünfte Generation mischt nun mit
- Inmitten von Tuttlingens diversen Medizintechnikund Chirurgiebetrieben ist sie so etwas wie Tuttlingens süße Seite: die Firma Storz Schokoladen an der Föhrenstraße. Nun wird sie 140 Jahre alt – und rüstet sich zudem personell, inhaltlich und räumlich für die Zukunft.
Es geht Schlag auf Schlag. Im Sekundentakt schiebt das Förderband eine Einfüllform nach der anderen unter die Einspritzvorrichtung. Aus 72 Düsen ergießen sich passgenau kleine Schokokleckse und formen sich zu kleinen Nikoläusen und Engeln. Obwohl es erst Mai ist, herrscht in der Produktionshalle bereits Weihnachtsstimmung: Etwa ein halbes Jahr im Voraus geht es los. Die Artikel, die etwa in die USA verschickt werden, müssen bereits im Juli fertig fürs Containerschiff sein.
Einige Meter weiter ist die Frühschicht damit beschäftigt, die kleinen Figuren für den Versand fertigzumachen. Fast alle Maschinen, die hier stehen, sind Spezialanfertigungen. Automatisch erhalten dort Nikoläuse und Engelchen ihr buntes Einwickelpapier, Marienkäfer werden mit schwarzen Beinen versehen. Fleißige Hände nehmen die kleinen Figuren von den Förderbändern und setzen sie in Schachteln und Kartons, die stapelweise bereitstehen.
Zehn Monate im Jahr läuft die Produktion in der Schokoladenfabrik rund um die Uhr: Von Montag bis Freitag wird im DreiSchicht-Betrieb gearbeitet, erklären die beiden Geschäftsführer Markus und Christian Schinle. Rund 125 Mitarbeiter – überwiegend weiblich – sind fest angestellt, viele von ihnen sind bereits seit Jahrzehnten dabei. Hinzu kommen weitere etwa 80 Helfer, die saisonal über mehrere Monate eingestellt werden. Viele verschiedene Nationalitäten sind im Unternehmen beschäftigt. „Wir sind froh, dass es Migration und Zuzug gibt“, sagt Markus Schinle mit Blick auf den Personalbedarf des Unternehmens. „Bei uns gibt es auch für Ungelernte Jobs, es braucht keine fachspezifische Ausbildung“, betont er.
2500 Tonnen Schokolade werden jährlich in der Tuttlinger Firma produziert. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf Oster- und Weihnachtsprodukte. Der größte Absatzmarkt ist Deutschland: Rund 60 Prozent der süßen Leckereien verbleiben im eigenen Land. Doch auch in den USA, Australien, Neuseeland und Japan sind die Tuttlinger Süßigkeiten beliebt: Rund 40 Länder beliefert Storz laut eigenen Aussagen.
Das Familienunternehmen wird mittlerweile in der fünften Generation geführt. Ende 2021 stieg Christian Schinle ins Unternehmen ein und unterstützt seitdem
Vater Markus Schinle. Der 29-Jährige hatte zuvor BWL studiert und anschließend im Bereich der Unternehmensberatung in München und den USA gearbeitet. Für die Tuttlinger Firma und auch für ihn persönlich sei es ein Glücksfall, dass sich der Sohn zu diesem Schritt entschieden habe, sagt Senior-Chef Markus Schinle. Der mittlerweile 66Jährige ist seit 1990 Geschäftsführer. Allmählich denke er an den Ruhestand, sagt er.
Es war sein Ur-Großvater, der die Firma im Jahr 1884 einst gründete. Christian Storz stammte aus einer Konditor- und Bäckerfamilie. In der Möhringer Straße 11 produzierte sie damals überwiegend Leckereien wie Früchtebrot, Makronen, Lebkuchen und Bonbons. „Christian Storz hat dann gemerkt, dass er seine Produkte auch überregional verkaufen kann“, sagt Markus Schinle.
Die Schokoladenproduktion begann schließlich im Jahr 1911, ruhte jedoch in den Jahren des Zweiten Weltkriegs, da es keine Möglichkeit gab, an Kakao zu kommen. Als es wieder losgehen konnte, beschlossen Schinles Eltern etwas, das bis zum heutigen Tag Bestand hat: „Sie erkannten, dass wir mit Tafelschokolade langfristig keinen Erfolg haben würden“, sagt er. So kam es stattdessen zur Produktion kleiner, trendiger Schokoartikel: Täfelchen mit Verkehrsschildern, kleine bunte VW-Busse und Autos, Glückswürfel aus Nougatschokolade. „Die Erfolgsprodukte haben wir nach wie vor im Programm“, betont Schinle.
Daran soll sich auch weiterhin nichts ändern – ebenso wenig wie am Rezept der Storz-Vollmilchschokolade. Dennoch stehen für den jungen Geschäftsführer einige Aufgaben an. Es geht um die Erschließung neuer Märkte – wie
etwa der Blick nach Dubai und Japan, wo es seit kurzem ebenfalls Süßwarenmessen gibt. Es geht um Rezepturen und Designs etwa bei veganer Schokolade oder den Storz-Nougatprodukten. Zudem stehen Herausforderungen an. Stark gestiegen sind die Kakaopreise. „Inzwischen zahlen wir vier Mal so viel wie früher“, so Christian Schinle. Aufgrund dieser „Explosion“rechne er in den kommenden Jahren mit keinem großen Wachstum. Sorge bereitet das den beiden Geschäftsführern derzeit jedoch nicht: „Wir sind in den letzten Jahren sehr stark gewachsen“, verweisen sie auf zurückliegende erfolgreiche Jahre. Dennoch müsse man Kurse und Preise derzeit stark im Auge behalten.
Ein Hauptaugenmerk legt der junge Geschäftsführer auch auf das Thema Nachhaltigkeit. Seit rund fünf Jahren sind alle StorzProdukte Fairtrade-zertifiziert.
Seit 2021 stellt das Unternehmen zudem eine Klimabilanz auf: Alle Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, werden kompensiert, indem Klimaprojekte gefördert werden – etwa ein Wasserprojekt in Uganda oder ein Windpark in Südamerika. Auch der Standort Tuttlingen wurde in Sachen Nachhaltigkeit bereits aufgerüstet: Eine PV-Anlage bedeckt die gesamte Dachfläche.
Mittelfristig braucht das Unternehmen mehr Platz. In den vergangenen Jahren sei viel in Technik und Maschinen investiert worden, „das zwingt uns zu einer baulichen Erweiterung“, so der Senior-Chef. Geschehen soll das auf einem angrenzenden rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück: Ein dort ansässiger Handwerksbetrieb wird umziehen. „Das stellt den Erhalt der Firma Storz in Tuttlingen sicher“, betont Schinle die Bedeutung dieses Grundstückkaufs.