Schwäbische Zeitung (Tettnang)

EU will Asylverfah­ren zentral bearbeiten

Einrichtun­g einer europäisch­en Agentur vorgeschla­gen – Streit um unregistri­erte Flüchtling­e

- Von Sabine Lennartz und Agenturen

- Die EU-Kommission überlegt offenbar, Asylverfah­ren nicht mehr in den Mitgliedss­taaten, sondern zentral bearbeiten zu lassen. Brüssel erwäge, die Bearbeitun­g von Asylansprü­chen von der nationalen auf die EU-Ebene zu verlegen, berichtete die „Welt“unter Berufung auf Vorschläge der Kommission.

Der Plan, der am Mittwoch vorgelegt werden solle, sieht dem Bericht zufolge vor, das Europäisch­e Unterstütz­ungsbüro für Asylfragen in eine Agentur mit Entscheidu­ngsbefugni­s- sen umzuwandel­n. Sie solle künftig in jedem Mitgliedss­taat einen Ableger haben. Kritik übt die Kommission dem Bericht zufolge am bestehende­n Dublin-System zur Verteilung von Flüchtling­en. Es habe sich in der Krise als ungeeignet erwiesen. Eine kleine Zahl von Mitgliedsl­ändern müsse dadurch die Hauptlast tragen.

Der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber hält die Pläne zur Einrichtun­g eines EU-Asylverfah­rens für überflüssi­g. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine neue MammutBehö­rde in Brüssel haben wollen“, sagte er. Dringend nötig sei aber eine Änderung des Dublin-Abkommens und eine „Lastenteil­ung“.

Auch Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) sieht schwarz, was eine gemeinsame europäisch­e Flüchtling­spolitik angeht. „Die EU ist unfähig, auf diese Krise zu reagieren“, sagte Verheugen. Er rechnet damit, dass es bald neue Fluchtrout­en von Libyen über das Mittelmeer gibt. Bald werde es deshalb auch in Italien wieder unhaltbare Zustände geben, so Verheugen. Er wandte sich bei einer Tagung der Bundesakad­emie für Sicherheit in Berlin auch dagegen, den Eindruck zu erwecken, durch den Flüchtling­spakt mit der Türkei sei alles geregelt. „Dieser Rettungsan­ker wird nicht funktionie­ren“, sagte Verheugen. Die Flüchtling­e stellten eine dauerhafte Herausford­erung dar, für Europa und auch für Deutschlan­d.

Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) dementiert­e indes einen Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach sich bis zu 500 000 unregistri­erte Flüchtling­e in Deutschlan­d aufhalten sollen. Die Zeitung hatte sich auf Zahlen aus dem Innenminis­terium berufen. De Maizière legt am Mittwoch eine Zwischenbi­lanz zur Flüchtling­skrise vor.

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