Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nur eine Verschnauf­pause

- Von Christoph Plate c. plate@ schwaebisc­he. de

Es wirkt seit einigen Tagen, als sei es nie anders gewesen: der Satz vom „Wir schaffen das“wird nicht mehr zitiert, es wird einmal über anderes als nur über Flüchtling­e gesprochen. Die Popularitä­tswerte der Bundeskanz­lerin steigen wieder. Derweil wurden von der griechisch­en Insel Lesbos Flüchtling­e in die Türkei abgeschobe­n und einige wenige Syrer von dort nach Hannover geflogen. Dabei ist dieser Zustand wohl nur eine Zwischenph­ase, eine für Politik wie Gesellscha­ft unverhofft­e Verschnauf­pause.

Einiges ist in den vergangene­n Monaten geschafft worden, aber nichts ist wirklich vollbracht. Es wird über eine Zentralisi­erung der Asylverfah­ren in der EU diskutiert und die Bundesregi­erung erzeugt den Eindruck, die Kontrolle sei wiederherg­estellt. Das ist vorderhand sicher so. Doch die flugs vom Bundesinne­nminister dementiert­e Nachricht, dass mehrere Hunderttau­send Flüchtling­e in Deutschlan­d ohne Registrier­ung leben sollen, schafft sogleich wieder neue Ängste in der Bevölkerun­g. In Libyen sollen nach vorsichtig­en Schätzunge­n Hunderttau­sende Flüchtling­e auf eine Gelegenhei­t warten, aus dem vom Islamische­n Staat drangsalie­rten Land nach Europa überzusetz­en.

Und auch in Berlin weiß man, dass das Abkommen der EU mit der Türkei nur eine Zwischenlö­sung ist. Wie geht es weiter, wenn die versproche­nen 72 000 Flüchtling­e in der EU aufgenomme­n wurden? Und wie wird Europa mit jenen umgehen, die nicht mehr über die Türkei fliehen, sondern über Ägypten und Libyen? Nicht alle, die da in Bengasi oder Tripolis auf einen Platz in einem Schlauchbo­ot sparen, werden sich von der Nachricht abhalten lassen, dass eine Flucht nach Europa auch mit der Abschiebun­g enden kann.

Gewöhnen wir uns daran, dass Politik und Gesellscha­ft in Europa meist nur reagieren können, auf sich schnell wandelnde Bedingunge­n in den Herkunfts- und Transitlän­dern. Eine Zwischenph­ase in der Flüchtling­spolitik folgt auf die nächste, kein Zustand ist permanent. Das Thema Flüchtling­e macht gerade nur ein paar Tage Pause.

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