Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Landes-SPD sucht ihren Weg aus dem Tal
Nach Wahlschlappe soll Erneuerung folgen – Manche fordern personelle Konsequenzen
- Nach dem desolaten Ergebnis der Landtagswahl setzt die Südwest-SPD auf einen Erneuerungsprozess. Doch es besteht Uneinigkeit darüber, was das genau heißen soll. Manche SPD-Kommunalpolitiker fordern den Rücktritt von Landeschef Nils Schmid. Personelle Fragen müssten ganz am Ende des Prozesses stehen, sagt hingegen Claus Schmiedel, der in den vergangenen acht Jahren die Fraktion im Landtag geführt hat. Auf die von 32 auf 19 Abgeordnete geschrumpfte Fraktion kommen nun schmerzhafte Einschnitte zu.
Bei der Landtagswahl hat die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren – sie sackte ab von 23,1 auf 12,7 Prozent. Manche Genossen lasten den Absturz dem Landeschef und gerade noch amtierenden Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid an. In einem offenen Brief forderten fünf SPD-Bürgermeister und -Oberbürgermeister seinen Rücktritt. Für einen personellen Neuanfang plädiert die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) – und damit auch der scheidende Innenminister Reinhold Gall als deren Vize-Vorsitzender. Auch ihm wurden Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz nachgesagt. Am Dienstag teilte die Landtagsfraktion allerdings mit, dass in genau einer Woche Noch-Kultusminister Adreas Stoch als Fraktionschef gewählt werden soll.
Gall will nach einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“dagegen weder für den Partei- noch für den Fraktionsvorsitz kandidieren. „Ich bin der Meinung, dass nach diesem desolaten Wahlergebnis niemand den Anspruch auf irgendein Amt erheben kann.“
STUTTGART
Keine Schnellschüsse
Claus Schmiedel, der nach der verpassten Wiederwahl den Fraktionssitz an ein Übergangstrio abgegeben hat, warnt vor Schnellschüssen. „Die Partei muss sich inhaltlich an BadenWürttemberg orientieren und die Frage stellen: Wer verkörpert das?“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Mit einem Rücktritt ist diese Frage noch nicht beantwortet.“
Ähnlich positioniert sich die Jugendorganisation der Partei. JusoChef Leon Hahn sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Wahlergebnis haben Landtagsfraktion, Regierung und Partei gemeinsam zu verantworten.“Schmid selbst geht nicht auf die Rücktrittsforderungen ein. Er besucht derzeit Kreisverbände, um mit der Parteibasis über das Wahlergebnis und die Lehren daraus zu diskutieren.
Eine ehrliche Analyse der Wahlschlappe müsse derzeit im Mittelpunkt stehen, sagt auch Schmiedel. Soziale Themen hätten bei der Wahlentscheidung kaum eine Rolle gespielt, sagt er in Richtung der ParteiLinken, die eine Rückbesinnung auf klassische sozialdemokratische Werte fordern. Eine solche Petition, auch zur Stärkung der Basis, hat die Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis mit auf den Weg gebracht.
Schmiedel dazu: „Wir stellen noch nicht die richtigen Fragen.“Eine heiße: Was genau bedeutet Bildungsgerechtigkeit? Heiße das, dass noch mehr junge Menschen Abitur machen sollen? Oder sollte man nicht vielmehr die 15 Prozent Jugendliche ohne berufliche Ausbil- dung in den Blick nehmen? Solche Fragen müssen laut Schmiedel breit diskutiert werden. Mitte April ist eine Landesvertreterversammlung geplant, im Juli ein Landesparteitag.
Die Grünen hätten sich personell mit Winfried Kretschmann und auch inhaltlich weit von ihren klassischen Themen entfernt und sich damit den Erwartungen der Baden-Württemberger angepasst – die SPD hat das laut Schmiedel verpasst. Nils Schmid müsse nun einen Prozess einleiten, um die Partei inhaltlich an Baden-Württemberg anzugleichen. Zuerst müssen laut Schmiedel die Inhalte stehen, „dann können wir fragen, wer das verkörpern kann.“Ob das Schmid sein könne, lässt er offen.
In den Reihen der SPD-Fraktion geht indes Unsicherheit um. Viele Mitarbeiter seien in einem Schwebezustand, sagt einer von ihnen. Die Fraktion hat aufgrund ihrer Verluste an Abgeordneten zwischen 20 und 25 Prozent weniger Zuweisungen zu erwarten. Das führe wohl zu Personalabbau, erklärt der Mitarbeiter. Denn bereits in der auslaufenden Legislaturperiode seien etwa 70 Prozent des Geldes für das Personal ausgegeben worden. Wenn der Anteil der Personalkosten nun steige, bleibe kaum noch Geld für nötige Investitionen. Geld werde aber vor allem dafür gebraucht, in der Fläche präsent zu sein, sagt der Fraktionsmitarbeiter. Schließlich müssten nur noch 19 Abgeornete 70 Wahlkreise betreuen.