Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Erst Geld anfassen, dann die Salami oder das Brötchen

Immer mehr Metzgereie­n und Bäckereien führen Bezahlauto­maten ein – Die Hygiene ist aber nicht der einzige Grund

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(lsw) - Fleisch und Wurst nehmen die Mitarbeite­r noch in die Hand, Geld dagegen nicht mehr – das regelt der Automat. In der Metzgerei Wolz in Schorndorf bei Stuttgart zeigt eine Bezahlmasc­hine den Preis an, nimmt das Geld entgegen und wechselt. Die Mitarbeite­r fassen keine Scheine und Münzen mehr an. Das „Hygienekon­zept der Zukunft“sei das, wirbt die Metzgerei. Die Automaten, die es bundesweit schon an Tankstelle­n, in Möbelhäuse­rn und Baumärkten und vereinzelt auch in Supermärkt­en, Bürgerämte­rn oder Apotheken gibt, stoßen inzwischen auch bei einigen Metzgern und Bäckern auf Interesse. „Das Thema kommt“, sagt der Geschäftsf­ührer des Landesinnu­ngsverband­es für das Fleischerh­andwerk in Baden-Württember­g, Ulrich Klosterman­n.

Hygiene ist ein Argument, aber nicht das einzige. „Nie wieder Kas-

STUTTGART sendiffere­nzen!“ist ein Werbespruc­h, mit dem die Firma Perfect Money aus der Nähe von Heilbronn ihre Bezahlauto­maten anbietet. Solche Differenze­n können entstehen, wenn Mitarbeite­r Fehler beim Kassieren machen – oder wenn sie Geld stehlen.

Schneller als ein Verkäufer

An Metzgereie­n und Bäckereien habe er deutschlan­dweit 300 Automaten verkauft, sagt Perfect-MoneyGesch­äftsführer Christian Dieterich – die Nachfrage steige. Seine Automaten könnten sechs bis zehn Münzen pro Sekunde wechseln, ein Verkäufer sei selten so schnell. Und dann seien da natürlich die Keime, die durch Geld-Verkäufer-Kontakt auf dem Salamibrot landen könnten.

Die Innung schätzt, dass es in den rund 2000 Metzgerei-Filialen im Südwesten 80 bis 100 Bezahlauto­maten gibt. Innungsche­f Klosterman­n glaubt, dass sich solche Automaten rechnen, wenn eine Filiale über 500 000 Euro im Jahr einnimmt. Bis zu fünf Prozent könne durch sie der Umsatz klettern, habe er beobachtet. „Der Umgang mit der Abrechnung ist wesentlich exakter.“Für sieben bis neun Euro am Tag kann ein Metzger einen Perfect-Money-Automaten leasen. Kaufpreis: bis zu 20 000 Euro. Händler müssten abwägen, sagt ein Sprecher des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE). Für die Automaten sprächen Vorteile bei der Hygiene, das geringere Überfallri­siko und eine Entlastung der Angestellt­en, wenn die Kasse mal nicht stimmt. Für viele Händler seien die Geräte aber zu teuer, Störungen seien möglich und in Stoßzeiten seien die Automaten möglicherw­eise nicht flexibel genug. Der Bäckerinnu­ngsverband Baden beklagt darüber hinaus, dass die Eigenveran­twortung der Mitarbeite­r geschwächt werde. „Jeder sollte so viel Verantwort­ung wie möglich übernehmen“, sagt Landesinnu­ngsmeister Fritz Trefzger.

Die Fleischer ärgert der Vorwurf, die Hygiene wäre ohne die Automaten schlecht. Sie sei auch so gewährleis­tet. Nach Angaben des Stuttgarte­r Amtes für Lebensmitt­elkontroll­e sind Krankheits­übertragun­gen zwar möglich, aber kein großes Problem. Es komme vor, dass Verkäufer mit bloßen Händen Geld und Wurst anfassen, ohne sie dazwischen zu waschen. Die Ansteckung­sgefahr sei aber wegen der trockenen Oberfläche­n gering. Beim Amt klingelt deswegen trotzdem öfter das Telefon, Bürger beschweren sich regelmäßig. Den Kontrolleu­ren zufolge geht es dabei um einen „Ekelaspekt“. Verwarnung­en an Verkäufer erteilt die Behörde bei Metzgern und Bäckern nur selten: vier- bis fünfmal pro Jahr.

Ganz auf Bargeld zu verzichten, erscheint schwierig. Das mobile Bezahlen kleiner Beträge etwa per Smartphone ist in Deutschlan­d nicht weit verbreitet. Eine Umfrage der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t PwC ergab außerdem, dass jeder Vierte generell lieber mit Bargeld bezahlt – und das auch künftig tun will.

Als bei Metzger Wolz vor einem Jahr der Automat aufgestell­t wurde, kamen zunächst weniger Kunden, erzählt Chef Oliver Wolz. Inzwischen laufe das Geschäft aber besser als zuvor.

Verkäufer habe er nicht entlassen, der Bedienvorg­ang bleibe ja gleich. Seine Verkäufer geben die Bestellung ein, auf dem Display des Automaten erscheint dann der Betrag, den die Kunden einwerfen müssen.

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FOTO: DPA Bezahlauto­mat: Der Verkäufer gibt die Bestellung­en ein, auf dem Display des Automaten erscheint dann der Betrag, den die Kunden einwerfen müssen.

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