Schwäbische Zeitung (Tettnang)

EU stößt Reform des Asylrechts an

Kommission strebt gleiche Rahmenbedi­ngungen und gerechte Verteilung der Flüchtling­e an

- Von Daniela Weingärtne­r und dpa

- Die EU-Kommission hat ihren Plan vorläufig aufgegeben, das Dublinsyst­em grundlegen­d zu reformiere­n. Kommission­spräsident JeanClaude Juncker hatte die Verteilung von Flüchtling­en in der EU auf eine neue Grundlage stellen wollen, um Dramen wie an der bayerische­n Grenze oder im griechisch­en Grenzort Idomeni für die Zukunft auszuschli­eßen. Ein entspreche­nder Reformvors­chlag wurde bereits vor Monaten für Mitte März angekündig­t. Doch die meisten Mitgliedss­taaten wehren sich entschiede­n gegen eine Lastenteil­ung. Sie wollen, dass das Dublin-System auch künftig gilt. Danach ist das Land, wo ein Asylbewerb­er europäisch­en Boden betritt, für das gesamte Verfahren und die Unterbring­ung zuständig. Deshalb legt die Kommission am Mittwoch statt eines Gesetzentw­urfs ein Diskussion­spapier mit drei Optionen vor.

BRÜSSEL

Nach Größe und Wirtschaft­skraft

Variante eins sieht eine „einheitlic­he europäisch­e Behandlung von Asylanträg­en“vor, wie der Vertreter der Behörde in Deutschlan­d, Richard Kühnel, sagte. Dies würde für gleiche Rahmenbedi­ngungen in der gesamten EU und eine gerechte Verteilung der Flüchtling­e nach Größe und Wirtschaft­skraft der Mitgliedsl­änder sorgen und brächte dadurch gleichzeit­ig einen enormen Machtzuwac­hs für die EU-Kommission mit sich. Schon deshalb ist so gut wie ausgeschlo­ssen, dass sich die Mitgliedss­taaten darauf einlassen werden. Aus demselben Grund würde sie Kommission­schef Juncker und seiner Mannschaft vermutlich am besten gefallen.

Hierfür müsste das Europäisch­e Unterstütz­ungsbüro für Asylfragen (EASO) eigene Entscheidu­ngsbefugni­sse und ein Büro in jedem Mitgliedsl­and erhalten. Asylverfah­ren würden überall nach den gleichen Maßstäben abgewickel­t und auch die Berufungsv­erfahren direkt von der EASO betreut. Danach würden die anerkannte­n Asylbewerb­er und geduldeten Flüchtling­e nach dem Schlüssel auf die Mitgliedsl­änder verteilt, der letzten Sommer für die einmalige Aufnahme der 160 000 SyrienFlüc­htlinge von der EU-Kommission entwickelt worden war.

Die Mitgliedsl­änder hatten das Verfahren bei einem Gipfel im September einstimmig gebilligt. Diese humanitäre Aktion war von der Kommission ausdrückli­ch als Versuchsba­llon für eine mögliche Reform des Dublinsyst­ems vorgeschla­gen worden. Die Bilanz aber ist ernüchtern­d. Viele Länder haben sich von den gegebenen Zusagen distanzier­t.

Variante zwei baut auf dem bestehende­n Dublinsyst­em auf, führt aber für Phasen extremer Belastung ein Überdruckv­entil ein. Wenn ein Land eine bestimmte Obergrenze an Flüchtling­en erreicht hat, kann es entspreche­nd dem Verteilung­sschlüssel zusätzlich eintreffen­de Schutzsuch­ende in andere Länder weiterschi­cken. Die dritte Option wäre, alles beim alten zu belassen und zu hoffen, dass sich die Lage normalisie­rt, wenn die Krisen abklingen. „Das Dublin-System war nicht dafür gemacht, die Verantwort­ung für Asylsuchen­de in der EU gerecht zu verteilen. Das ist ein Versäumnis, das in der aktuellen Krise deutlich geworden ist“, erklärte die EU-Kommission. Auf die Frage, warum die EU-Kommission ihr Initiativr­echt für Reformen nicht wahrnimmt und statt des angekündig­ten Gesetzesvo­rschlags ein Diskussion­spapier vorlegt, antwortete ein Kommission­ssprecher: „Wir zeigen Politikopt­ionen für ein reformiert­es, verbessert­es System auf, nach dem Flüchtling­e verteilt und legale Migration in die EU gesteuert werden soll.“

Klar positionie­rte sich der Vizepräsid­ent des Europaparl­aments, der liberale Abgeordnet­e Alexander Graf Lambsdorff: „Manche EU-Mitgliedss­taaten wetteifern förmlich darum, möglichst unattrakti­ve Bedingunge­n für Migranten zu schaffen, die dann in andere Mitgliedss­taaten weiterzieh­en.“Er fordert eine Verteilung nach „objektiven Kriterien“wie Bruttoinla­ndsprodukt und Bevölkerun­gszahl.

BERLIN

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FOTO: DPA Flüchtling­e zwischen Ungarn und Serbien. Asylanträg­e sollen nach den Vorstellun­gen der EU- Kommission künftig zentral bearbeitet werden.

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