Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rückschlag für die Gegner der Todesstrafe
ie internationalen Bemühungen um eine Abschaffung der Todesstrafe haben im vergangenen Jahr einen schweren Rückschlag erlitten. Amnesty International nennt im neuen Jahresbericht eine Mindestzahl von 1634 vollstreckten Todesurteilen von Staats wegen – allerdings ohne die Volksrepublik China. Die tatsächliche Zahl an Hinrichtungen weltweit liegt vermutlich mehr als doppelt so hoch.
Für ein paar Jahre gab es Hoffnung, dass es mit dem grausamen Geschäft der Henker bald vorbei sein könnte. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Das hat auch mit dem Erstarken des islamistischen Terrorismus zu tun, aber nicht nur. Pakistan beendete im Dezember 2014 ein sechsjähriges Moratorium für die Todesstrafe, nachdem Taliban-Milizen beim Angriff auf eine Schule 150 Menschen ermordet hatten. Zunächst wurden mutmaßliche Terroristen gehenkt, dann im Lauf des Jahres auch 325 andere Verurteilte. In der Henkerstaaten-Statistik 2015 liegt Pakistan damit auf Platz drei.
Den Spitzenplatz hält China. Die genaue Zahl an Hinrichtungen wird von der Volksrepublik als Staatsgeheimnis behandelt, weshalb auch Amnesty seit ein paar Jahren keine Zahl nennt. Die Menschenrechtler schätzen aber, dass sie immer noch „in die Tausende“geht. Amnesty-Experte Oliver Hendrich sagt: „Wir vermuten, dass China wieder mehr hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen.“Die renommierte Dui-Hua-Stiftung in den USA vermutet, das sich die Zahl nach einem deutlichen Rückgang vor ein paar Jahren auf der Höhe von 2400 Exekutionen stabilisiert hat.
Weltweit 4000 Hinrichtungen
Weltweit würde dies dann eine Mindestzahl von etwa 4000 Hinrichtungen bedeuten. Das hält man auch bei Amnesty für realistisch. Nicht überall hat der Anstieg seinen Grund im Kampf gegen den Terrorismus. Die Todesstrafe wird in manchen Ländern neben Kapitalverbrechen wie Mord auch wegen Korruption (China), Ehebruch (Malediven) oder Beleidigung des Propheten (Iran) verhängt.
Der Iran lag 2015 mit mindestens 977 Hinrichtungen – die meisten davon wegen Drogen-Delikten – auf Platz zwei. Saudi-Arabien ließ mindestens 158 Menschen exekutieren – so viele wie seit 1995 nicht mehr. Dort gibt es auch öffentliche Enthauptungen. Leichen werden auch heute noch öffentlich ausgestellt.
Von den großen Industrienationen ließen die USA (28) und Japan (drei) noch exekutieren. Zu den 25 Staaten, die hinrichten ließen, gehörten auch Indien, der Irak, Ägypten, Afghanistan und Nordkorea. Weltweit sitzen derzeit mehr als 20 000 Menschen in der Todeszelle.
Trotz allem gab es für die Gegner der Todesstrafe aber auch gute Nachrichten. Vier weitere Staaten schafften die Strafe endgültig ab: die Republik Kongo, Madagaskar, Surinam und die Fidschi-Inseln. Von den 193 UN-Mitgliedern verzichten darauf nun 102 Staaten komplett – mehr als die Hälfte der Welt. In Deutschland liegt die letzte Exekution mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske wegen „Hochverrats“hinrichten. (dpa)