Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rückschlag für die Gegner der Todesstraf­e

- Von Christoph Sator, Berlin

ie internatio­nalen Bemühungen um eine Abschaffun­g der Todesstraf­e haben im vergangene­n Jahr einen schweren Rückschlag erlitten. Amnesty Internatio­nal nennt im neuen Jahresberi­cht eine Mindestzah­l von 1634 vollstreck­ten Todesurtei­len von Staats wegen – allerdings ohne die Volksrepub­lik China. Die tatsächlic­he Zahl an Hinrichtun­gen weltweit liegt vermutlich mehr als doppelt so hoch.

Für ein paar Jahre gab es Hoffnung, dass es mit dem grausamen Geschäft der Henker bald vorbei sein könnte. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Das hat auch mit dem Erstarken des islamistis­chen Terrorismu­s zu tun, aber nicht nur. Pakistan beendete im Dezember 2014 ein sechsjähri­ges Moratorium für die Todesstraf­e, nachdem Taliban-Milizen beim Angriff auf eine Schule 150 Menschen ermordet hatten. Zunächst wurden mutmaßlich­e Terroriste­n gehenkt, dann im Lauf des Jahres auch 325 andere Verurteilt­e. In der Henkerstaa­ten-Statistik 2015 liegt Pakistan damit auf Platz drei.

Den Spitzenpla­tz hält China. Die genaue Zahl an Hinrichtun­gen wird von der Volksrepub­lik als Staatsgehe­imnis behandelt, weshalb auch Amnesty seit ein paar Jahren keine Zahl nennt. Die Menschenre­chtler schätzen aber, dass sie immer noch „in die Tausende“geht. Amnesty-Experte Oliver Hendrich sagt: „Wir vermuten, dass China wieder mehr hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen.“Die renommiert­e Dui-Hua-Stiftung in den USA vermutet, das sich die Zahl nach einem deutlichen Rückgang vor ein paar Jahren auf der Höhe von 2400 Exekutione­n stabilisie­rt hat.

Weltweit 4000 Hinrichtun­gen

Weltweit würde dies dann eine Mindestzah­l von etwa 4000 Hinrichtun­gen bedeuten. Das hält man auch bei Amnesty für realistisc­h. Nicht überall hat der Anstieg seinen Grund im Kampf gegen den Terrorismu­s. Die Todesstraf­e wird in manchen Ländern neben Kapitalver­brechen wie Mord auch wegen Korruption (China), Ehebruch (Malediven) oder Beleidigun­g des Propheten (Iran) verhängt.

Der Iran lag 2015 mit mindestens 977 Hinrichtun­gen – die meisten davon wegen Drogen-Delikten – auf Platz zwei. Saudi-Arabien ließ mindestens 158 Menschen exekutiere­n – so viele wie seit 1995 nicht mehr. Dort gibt es auch öffentlich­e Enthauptun­gen. Leichen werden auch heute noch öffentlich ausgestell­t.

Von den großen Industrien­ationen ließen die USA (28) und Japan (drei) noch exekutiere­n. Zu den 25 Staaten, die hinrichten ließen, gehörten auch Indien, der Irak, Ägypten, Afghanista­n und Nordkorea. Weltweit sitzen derzeit mehr als 20 000 Menschen in der Todeszelle.

Trotz allem gab es für die Gegner der Todesstraf­e aber auch gute Nachrichte­n. Vier weitere Staaten schafften die Strafe endgültig ab: die Republik Kongo, Madagaskar, Surinam und die Fidschi-Inseln. Von den 193 UN-Mitglieder­n verzichten darauf nun 102 Staaten komplett – mehr als die Hälfte der Welt. In Deutschlan­d liegt die letzte Exekution mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske wegen „Hochverrat­s“hinrichten. (dpa)

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