Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Beim Sport geht es oft unsauber zu

Große Verdienstc­hancen erschweren eine seriöse Unternehme­nsführung im Leistungss­port

- Von Wolfgang Mulke

- Gerne werben Unternehme­n mit Sportstars, deren Popularitä­t und Erfolg sich auf das jeweilige Produkt übertragen sollen. Das funktionie­rt aber nur, wenn das Image des Stars makellos bleibt. Sonst wird ein Reklamespo­t schnell zur Zielscheib­e des öffentlich­en Spotts. Das musste zum Beispiel die Hypoverein­sbank erfahren, die unter dem Motto „wo sich Geld jetzt wohlfühlt“, ausgerechn­et mit dem früheren Bayern-Boss Uli Hoeneß warb, der kurz darauf wegen Steuerhint­erziehung ins Gefängnis musste.

Auch der Sportartik­elherstell­er Nike griff einmal schwer daneben. Auf Plakaten warb das US-Unternehme­n mit dem südafrikan­ischen Läufer Oscar Pistorius unter dem Slogan „Just do it“, also mach’ es einfach, mit dem Satz: Ich bin die Kugel im Lauf. Dummerweis­e hat Pistorius dann seine Freundin erschossen. Die Plakate verschwand­en danach. Die Beispiele sind zwar nur spektakulä­re Einzelfäll­e. Doch zeigen sie den Teil eines Problems. Alle hätten gerne einen rundum sauberen Sport, den es jedoch nicht gibt.

BERLIN

Zustand des Sports ist kritisch

Das gilt nach Ansicht der Korruption­sexpertin der Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal (TI), Sylvia Schenk, für viele Bereiche des Sports. Es gibt Korruption bei der Vergabe großer Sportveran­staltungen wie der Fußball-Weltmeiste­rschaft oder den Olympische­n Spielen, Sportler manipulier­en Wettbewerb­e durch Doping oder Bestechung, es wird bei Transfers von einzelnen Profis gemauschel­t oder es werden Arbeitssta­ndards verletzt, zum Beispiel beim Stadionbau in Katar. Längst hat die Welle der Enthül- lungen auch Ikonen des Sports wie Franz Beckenbaue­r erreicht. Der Zustand ist kritisch, findet Schenk. „Es geht darum, ob wir je wieder eine Chance haben, Olympische Spiele in Deutschlan­d auszutrage­n“, sagt sie. Wie groß der Vertrauens­verlust der Bevölkerun­g in den Sport sei, zeige die Ablehnung der Bewerbung in Hamburg.

Wie verbreitet unsaubere Praktiken bei den Leistungss­portlern sind, zeigt eine Studie der Deutschen Sporthilfe aus dem Jahr 2013. Knapp sechs Prozent der Befragten gaben zu, dass sie zu Dopingmitt­eln greifen, jeder Elfte räumte ein, dass er oder sie schon mal an einer Absprache hinsichtli­ch eines Wettkampfe­s beteiligt war. Da rund 40 Prozent ehrliche Antworten verweigert­en lässt sich eine beträchtli­che Dunkelziff­er bei diesen Delikten erahnen.

Den Wissenscha­ftler Eike Emrich vom Institut für Sozioökono­mie an der Uni Saarland überrasche­n derlei Ergebnisse nicht. Er zweifelt auch an der Ernsthafti­gkeit des Kampfes ge- gen unerlaubte Mittel zur Leistungss­teigerung. „Nicht entdecktes Doping fördert das Einkommen aller“, stellt der Forscher fest. Der Sportler erhält mehr Anerkennun­g und Geld, wenn er bessere Leistungen bringt. Die Veranstalt­er können die Wettbewerb­e besser vermarkten, Sponsoren an attraktive­n Stellen werben. Schließlic­h wird auch noch das Bedürfnis des Publikums nach immer neuen Bestwerten gestillt.

Solange nicht zu viele Dopingfäll­e entdeckt würden, so folgert Emrich, funktionie­re dieses Interessen­bündnis. Die Sportverbä­nde würden Doping auch nur vordergrün­dig bekämpfen. „Es sind Investitio­nen in den Anschein von Ehrlichkei­t“, sagt der Wissenscha­ftler, der den Widerspruc­h zwischen Anspruch und Wirklichke­it vor allem beim Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) beobachtet. „Das IOC ist ein internatio­naler Monopolist, der sehr billig produziert“, erläutert Emrich. Aus Eigeninter­esse steuere das IOC den Aufwand für die Dopingbekä­mpfung so, dass seine Position nicht in Gefahr gerät.

Problemati­scher Interessen­konflikt

Für TI-Expertin Schenk ist auch die über rein ökonomisch­e Aspekte hinausgehe­nde Verquickun­g von Interessen problemati­sch. So sei mit einem Platz auf der Tribüne für Politiker oder Sponsoren ein Imagegewin­n verbunden. „Kritiker sind unerwünsch­t“, sagt Schenk. Das gilt im Übrigen auch für manche Medien, die für Senderecht­e eine Menge Geld bezahlen. Auch die Fans stehen nicht immer auf der Seite des Wahren und Klaren. Berichte über finanziell zweifelhaf­te Praktiken von Fußball-Bundesligi­sten werden dann mit bitterböse­n Briefen kommentier­t.

Im Bundeswirt­schaftsmin­isterium (BMWI) befasst sich ein Gesprächsk­reis mit der sauberen Geschäftsf­ührung im Sport. Doch öffentlich äußern mag sich das Ministeriu­m dazu nicht. Dabei sind die beiden Wirtschaft­szweige, Profisport und Breitenspo­rt, mittlerwei­le ein beträchtli­cher Faktor der Volkswirts­chaft. Laut BMWI geben die Konsumente­n im Jahr fast 88 Milliarden Euro für ihre sportliche­n Aktivitäte­n aus. Dazu kommen noch einmal rund 5,5 Milliarden Euro für den Konsum des Profi-Fußballs.

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FOTO: IMAGO WM- Baustelle in Katar: Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal spricht in etlichen Fällen von Zwangsarbe­it.

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