Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Große Empörung“

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Professor Julius Reiter (Foto: privat) vertritt als Rechtsanwa­lt die Angehörige­n von Opfern des Loveparade­Unglücks. Im Interview mit Andreas Herholz nimmt er Stellung zur Absage des Strafproze­sses.

Wie bewerten Sie die Entscheidu­ng?

Dieser Beschluss ist ein schwerer Fehler. Es ist ein Justizskan­dal. Hier wird nicht einmal versucht, ein Hauptverfa­hren zu eröffnen oder ein zweites Gutachten einzuforde­rn, um das Geschehen juristisch aufzuarbei­ten. Das ist eine Bankrotter­klärung der Justiz.

Wie reagieren die Angehörige­n auf die Absage?

Die Angehörige­n sind schockiert und entsetzt. Mit einer solchen Entscheidu­ng haben sie, aber auch ich, nicht gerechnet. Es gibt bereits Verschwöru­ngstheorie­n unter den Opfern und Angehörige­n. Einige sind der Meinung, dass hier Justiz und Politik bewusst die Verantwort­lichen schützen wollen. Es herrscht große Empörung.

Wie ist die Kritik am Gutachten zu bewerten?

Hier liegt das Gutachten eines internatio­nal renommiert­en Sachverstä­ndigen vor. Wenn das Landgerich­t diesem Experten jetzt vorwirft, dilettanti­sch gearbeitet zu haben, stellt sich die Frage, weshalb die Staatsanwa­ltschaft dieses Gutachten dann vorher als ausreichen­d erachtet hat.

Wie geht es jetzt weiter?

Es war schon ein Ärgernis, dass keine Vertreter der Polizei angeklagt wurden. Eine Nichtzulas­sungsbesch­werde der Staatsanwa­ltschaft ist bereits angekündig­t. Andernfall­s würde sich auch die Staatsanwa­ltschaft widersprüc­hlich verhalten. Schließlic­h hat sie fünfeinhal­b Jahre lang ermittelt und die Anklage vorbereite­t. Unsere Kanzlei wird zusammen mit anderen Nebenkläge­rvertreter­n ebenfalls Beschwerde einreichen.

Welche Konsequenz­en muss es auf politische­r Seite geben?

Der nordrhein-westfälisc­he Landtag sollte dringend einen Untersuchu­ngsausschu­ss einberufen. Die Stadtverwa­ltung Duisburg hat nicht einen einzigen Beamten ausgetausc­ht. Der neue Oberbürger­meister hat nicht einen verantwort­lichen Verwaltung­sbeamten auf einen anderen Platz versetzt. Und Landesinne­nminister Ralf Jäger hat sich sofort vor die Polizei gestellt, obwohl diese keine glückliche Rolle bei dieser Katastroph­e gespielt hat.

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