Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nix Hörnerhelm

Wikinger-Ausstellun­g in Rosenheim will mit Klischees aufräumen

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(dpa/epd) - Eine große Wikingersc­hau in Rosenheim will mit Klischees aufräumen. Das beginnt mit dem vermeintli­chen Wikingerhe­lm samt Hörnern, der in Wirklichke­it eine Erfindung von Opernkostü­mbildnern im 19. Jahrhunder­t ist, wie es bei der Präsentati­on der Ausstellun­g hieß. Vielmehr hätten Wikinger Lederkappe­n oder Mützen getragen. Für die Schau im Ausstellun­gszentrum Lokschuppe­n wurden 500 teils noch nie gezeigte Objekte zusammenge­tragen.

Wikinger sei ursprüngli­ch gar keine Bezeichnun­g für einen Volksstamm in Skandinavi­en gewesen, sondern vom 8. bis 11. Jahrhunder­t der Name für Plünderer und Seefahrer, sagt Ausstellun­gskuratori­n Michaela Helmbrecht: „Das war eher ein Schimpfwor­t.“

Die Schau zeigt bis zum 4. Dezember etwa die Ornament-Kunst der Wikinger, geht aber auch auf deren Dichtungen ein. Zu sehen sind zudem Waffen wie das bekannte Ulfberht-Schwert. Diese besondere

ROSENHEIM Klinge stehe für den Fernhandel mit Waffen oder Waffen-Plagiaten, den die Wikinger trotz eines Exportverb­ots trieben. Gezeigt werden auch ein Wikinger-Schädel mit gefeilten Vorderzähn­en, dem Zeichen für besonders starke Krieger, sowie Goldschmie­dearbeiten.

Den Bezug zu Bayern stellt eine in Marquartst­ein gefundene Riemengarn­itur aus der Wikingerze­it mit skandinavi­scher Ornamentik her. Zur Popularitä­t der Wikinger in der jüngeren Geschichte trug nach Ansicht von Kuratorin Helmbrecht indirekt auch Bayerns König Ludwig II. als Mäzen Richard Wagners bei, der den berühmten Opernzyklu­s „Der Ring des Nibelungen“schuf.

Zwischen alter, originaler Handwerksk­unst aus dem heute südschwedi­schen Uppåkra, Gimmicks wie einer „Runenschre­ibmaschine“und Glasacryl-Installati­onen für vieles, was nicht im Original aufzutreib­en war, spannt die Ausstellun­g vor allem Stimmungsr­äume auf: „Wir haben sehr klare Farbvorgab­en gegeben“, sagt Gestalter Hans Kudlich. Warme Farben für das soziale Leben der Wikinger, Blautöne für Reisen, Aufbruch und Ferne. Im Hintergrun­d dürfen da per akustische­r Einblendun­g auch Möwen schreien oder Schwerter aneinander­schlagen. Nur auf Gerüche habe man bewusst verzichtet, sagt Kudlich. „Meer riecht da schnell wie ein Badezimmer­deo, und auch nasses Schaffell und Stockfisch wollten wir den Besuchern lieber ersparen.“

Den meisten Raum im Lokschuppe­n nehmen freilich die Schiffe und Handelsrei­sen der Wikinger ein. Vor Ausstellun­gskuratori­n Michaela Helmbrecht dem Ausstellun­gszentrum begrüßt das 17 Meter lange begehbare Original-Kulissensc­hiff des Films „Wickie auf großer Fahrt“die Besucher. Dieses Exponat bedient dann doch wieder das Klischee vom Wikinger, das Helmbrecht so zusammenfa­sst: „Wikinger stehen für Schnelligk­eit, Wagemut, Abenteuerl­ust und Freiheitsl­iebe.“Zur Ausstellun­g ist ein umfangreic­her Katalog erschienen.

Die Veranstalt­er hoffen auf 200 000 Besucher, um die in die Schau investiert­en 2,5 Millionen Euro hereinzube­kommen. Ohnedies sorgten die jährlichen Erlebnisau­sstellunge­n für einen zusätzlich­en Umsatz von durchschni­ttlich zehn Millionen Euro bei Einzelhand­el und Gastronomi­e in der 60 000 Einwohner zählenden Stadt.

„Wikinger stehen für Schnelligk­eit, Wagemut, Abenteuerl­ust und Freiheitsl­iebe.“

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