Schwäbische Zeitung (Tettnang)
250 Jahre kaiserliches Disneyland
Der Wiener Prater ist der älteste Vergnügungspark der Welt und Wahrzeichen der Stadt
(dpa) - Seit 250 Jahren ist der Wiener Prater ein Wahrzeichen der Stadt. Einst war es das exklusive Jagdgebiet des Kaisers. 1766 wurde er dann für die Bevölkerung geöffnet. Auch heute noch punktet der Vergnügungspark mit einem Mix aus Nostalgie und Moderne.
Seit fast 120 Jahren drehen sich die roten Kabinen des Riesenrads gemächlich im Kreis und bieten eine der besten Aussichten über die österreichische Hauptstadt. Die vielen Attraktionen im Park sind dabei seit Generationen fest in der Hand einiger Familien. Lange vor Disneyland sorgten die Schausteller und Lokalbesitzer für Stunden der Ablenkung für die Bevölkerung. Aber neben Geisterbahn, Achterbahn oder Schießbuden hat der Wiener Prater im 250. Jahr seines Bestehens auch noch anderes zu bieten.
„Manchmal verlasse ich den Prater für einige Wochen nicht. Das merke ich dann immer erst, wenn ich schon so lange nicht mehr mit dem Auto gefahren bin“, erzählt Stefan Sittler-Koidl, Präsident des Praterverbandes. In vierter Generation betreibt seine Familie zahlreiche Fahrgeschäfte. Ein Leben ohne den Prater ist für den aufgedrehten Geschäftsmann nicht vorstellbar. Zwischen seinem Wohnhaus und seinem Fahrgeschäft, dem „Blumenrad“, sind es nur wenige Meter. Aber auch dem 36-Jährigen ist klar, dass der Prater mit der Zeit gehen muss. Große Vergnügungsparks wie Disneyland haben vor allem in den 1990erJahren für Besucherschwund gesorgt. „Aber so
WIEN schwerfällig hier alles ist, so beständig ist es auch“, sagt Sittler-Koidl.
Begonnen hat alles vor 250 Jahren. Am 7. April 1766 gab Kaiser Joseph II. das Gebiet für die Öffentlichkeit frei. Bis dahin diente das Areal ausschließlich dem Monarchen und seinen adeligen Freunden zur Jagd. Die Weltausstellung 1873 brachte viele Neuerungen. 1897 wurde das Riesenrad anlässlich des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. errichtet. 1949 wurde das Riesenrad im Filmklassiker „Der dritte Mann“prominent in Szene gesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem großen Brand gab es die schwierige Zeit des Wiederaufbaus. Heute erstreckt sich der Prater über sechs Quadratkilometer und ist damit doppelt so groß wie der Central Park in New York.
146 Fahrgeschäfte locken Gäste
Dabei macht der Vergnügungspark, im Volksmund „Wurstelprater“genannt, nur einen kleinen Teil aus. In den Wäldern und Wiesen joggen Tausende Menschen. Das ErnstHappel-Stadion zieht Fans zu Fußballspielen an, von März bis Oktober herrscht bei Bier und den vermeintlich besten Stelzen („Schweinshaxe“) der Stadt Oktoberfest-Stimmung. Nachts zieht die größte Disko Österreichs immer noch viele Nacht- schwärmer an. Doch auch die Tradition wird hier gepflegt. In der Geisterbahn erschrecken die Mitarbeiter die Gäste zum Teil noch mit der Hand, an Wochenenden fährt eine 80 Jahre alte Dampflokomotive lautstark ihre Runden. Um die 146 Fahrgeschäfte der rund 80 Unternehmer wirtschaftlich fit zu halten, müsse heute aber mehr geboten werden als in vergangenen Zeiten. „Nur die Saison von April bis Oktober zu bespielen, reicht nicht mehr“, sagt SittlerKoidl. Für die rund vier Millionen Besucher jährlich müssen wetterfeste Attraktionen geschaffen werden. Zuletzt ging die erste Indoor-Achterbahn im Dunkeln in Betrieb.