Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Reine Knopfsache

Ein Paar aus Bayern sammelt Knöpfe, darunter geschichts­trächtige und wertvolle Exemplare

- Von Adriane Lochner

(lby) - „Wenn ich sage, ich sammle Knöpfe, ernte ich oft ein mitleidige­s Lächeln“, sagt die 72 Jahre alte Friederike Köstner. Dieser Spott verwandle sich aber augenblick­lich in Staunen, sobald sie ihre Schätze präsentier­e. Mit Unterstütz­ung ihres Ehemanns Klaus hat die Sammlerin aus Kulmbach in mehr als 30 Jahren eine der bedeutends­ten Kollektion­en in Europa aufgebaut: mehrere Tausend Knöpfe aus allen Epochen von der Antike bis zum Art déco. „Der Gesamtwert liegt im sechsstell­igen Bereich“, sagt Klaus Köstner – die Spitzenstü­cke müsse man im Banktresor aufbewahre­n.

Das älteste Stück der Sammlung stammt aus Ägypten aus der Zeit um 1500 vor Christus. Hält man den unscheinba­ren, spiralförm­igen Knopf ins Licht, leuchtet er strahlend blau. „Das ist Glaspaste mit Lapislazul­i versetzt“, erklärt Friederike Köstner. Die heiße Flüssigkei­t habe man mithilfe eines Stabs in Asche gegossen. Wahrschein­lich wurde der Knopf von einem Hohepriest­er oder Pharao am Zeremonial­gewand getragen. Die wohl prachtvoll­sten Knöpfe der

KULMBACH Köstners sind aus 24-karätigem Gold, in Handarbeit bemalt. Die beiden Stücke aus der Zeit um 1900 zeigen je das Porträt eines indischen Maharadsch­as und seiner Maharani. „Das ist die feinste Miniaturma­lerei, die man sich vorstellen kann“, sagt Friederike Köstner. Beim Vergrößern erkenne man sogar Details wie Barthaare und Wangenknoc­hen.

Sammlerstü­cke aus Russland vom Flohmarkt

Die Kulmbacher Knöpfesamm­ler kaufen ihre Stücke von Kunsthändl­ern, ersteigern sie bei Auktionen oder durchstöbe­rn Antiquität­engeschäft­e. Gelegentli­ch finden sie Sammlerstü­cke auf Flohmärkte­n. So kam Friederike Köstner zu einem ganz besonderen Satz Silberknöp­fe. „Am Steckbrett war eine Beschreibu­ng auf Russisch angebracht.“Der Händler, der kein Russisch konnte, verkaufte das Set zu einem günstigen Preis. Als die Köstners die Beschreibu­ng übersetzen ließen, stellte sich heraus, dass die Knöpfe aus dem 16. Jahrhunder­t stammen. Zar Iwan der Schrecklic­he hatte die filigran gearbeitet­en, stilisiert­en Mohnkapsel­n aus Silber den Bojaren als Zei- chen seiner Anerkennun­g verliehen. „Knöpfe bilden“, sagt Friederike Köstner, denn mit jedem neuen Knopf beginne die Detektivar­beit. Die Köstners wälzen Geschichts­bücher und Ornamenten­verzeichni­sse, informiere­n sich bei Experten und besuchen Museen. Gerade dieses Forschen ist es, das die Sammelleid­enschaft des Paares treibt. Klaus Köstner sagt: „Münzen oder Briefmarke­n sind schon gesammelt. Es gibt genug Leute, die sich darum kümmern.“Über Knöpfe wisse kaum jemand Bescheid, das mache das Sammeln so spannend.

Friederike Köstner zufolge sind Knöpfe ein Spiegel der Gesellscha­ft über die Jahrhunder­te hinweg. Sie haben die Menschen immer begleitet, nicht nur als Nutzgegens­tand, sondern auch als Schmuck, Statussymb­ol und sogar als Zahlungsmi­ttel. So mancher Bauer beglich seine Rechnung mit einem Silberknop­f von seiner Sonntagsja­cke. Speziell gefertigte Knöpfe gab es unter anderem für Jäger, Studenten und Mitglieder sämtlicher Berufsfeld­er. „Die Knöpfe der Berliner Droschkenk­utscher zum Beispiel sind sehr selten, kaum jemand hat sie aufgehoben“, sagt die Sammlerin. Das Anfertigen kunstvolle­r Knöpfe erforderte viel Geschick. Bis zum Ende des Biedermeie­rs gab es die Zunft des Knopfmache­rs. Dessen Ausbildung dauerte bis zu sieben Jahre. Mit der Industrial­isierung kam der Wendepunkt.

„Der Knopf ist ein Gegenstand, der verloren geht“, urteilt Friederike Köstner. Schuld sei die Massenfert­igung sowie ein Trend zu Reiß- und Klettversc­hluss. Deshalb haben es sich die Köstners zur Aufgabe gemacht, das Kulturgut Knopf zu bewahren. Derzeit schreiben sie ein Buch, denn deutschspr­achige Literatur zum Thema gibt es kaum.

Vorreiter im Knöpfesamm­eln waren die Amerikaner: Die National Button Society besteht seit 1938 und hat weltweit mehr als 3000 Mitglieder. Einer der wenigen europäisch­en Sammlerver­eine ist der Schweizer Knopfclub, in dem auch die Köstners Mitglied sind. Ihr Wissen wollen die Eheleute weitergebe­n und andere an ihrer Sammlung teilhaben lassen. Deshalb veranstalt­en sie in verschiede­nen Museen immer wieder Ausstellun­gen unter dem Motto „Historisch­e Knöpfe, die schönste Verschluss­sache seit Jahrtausen­den“

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