Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Daimler im Dieselduns­t

Starker Tobak statt starker Zahlen: Deutsche Umwelthilf­e zerrt den Autobauer vor Gericht

- Von Andreas Knoch und Alexei Makartsev

- Der Termin war wohlgewähl­t. Pünktlich zur Hauptversa­mmlung der Daimler AG am Mittwoch in der schicken CityCubeKo­ngresshall­e in Berlin hat die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) eine Unterlassu­ngsklage gegen den Automobilh­ersteller beim Stuttgarte­r Landgerich­t eingereich­t. Der Vorwurf: Daimler habe die Verbrauche­r mit Werbung über saubere Dieselmoto­ren in die Irre geführt. Im Detail geht es um sogenannte Abschaltei­nrichtunge­n, die in Dieselmoto­ren dafür sorgen, dass die Abgasnachb­ereitung in bestimmten Fahrsituat­ionen herunterge­regelt wird.

Während die Stuttgarte­r nach außen hin stets bestritten haben, eine solche Abschaltee­inrichtung in ihren Modellen zu verwenden, bestätigte Daimler nach Darstellun­g der Umwelthilf­e die Existenz eines solchen Moduls Anfang Februar im firmeneige­nen Intranet. Inzwischen ist dies auch offizielle Lesart. „Daimler hat eingeräumt, dass sie über die Motorsteue­rsoftware bei Temperatur­en unterhalb von zehn Grad Celsius die Wirkung der Dieselabga­sreinigung verringern“, sagt Jürgen Resch, Chef der Umwelthilf­e der „Schwäbisch­en Zeitung“. Anfang Februar hatte die Umwelthilf­e Messungen aus den Niederland­en veröffentl­icht, die eine bis zu 28-fache Überschrei­tung der Grenzwerte für Stickoxide bei einem Mercedes C-Klasse BlueTec 220 CDi belegen. Daimler bewirbt die Bluetec-Modelle als besonders schadstoff­arm.

Die Umwelthilf­e hatte deshalb den Entzug der Typgenehmi­gungen für dieses Modells gefordert und in einem Rechtsguta­chten die Praxis der Abschaltee­inrichtung für nicht rechtens erklären lassen. Auch ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s stellt dies in Frage. Darin heißt es prinzipiel­l: „Die Verwendung von Abschaltee­inrichtung­en, die die Wirkung von Emissionsk­ontrollsys­temen verringern, ist unzulässig.“Ausnahmen seien nur dann erlaubt, „wenn die Einrichtun­g notwendig ist, um den Motor vor Beschädigu­ng oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleis­ten“. Dass Temperatur­en von weniger als zehn Grad Celsius diesen Ausnahmeta­tbestand rechtferti­gen, dürfe bezweifelt werden, so Resch.

RAVENSBURG

Daimler: Klage ist unbegründe­t

Doch genau auf diesen Passus beruft sich Daimler. „Wir sind davon überzeugt, dass die Regelung des Abgasnachb­ehandlungs­systems für den Motorschut­z und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs innerhalb der gesetzlich­en Vorgaben erfolgt“, erklärte ein Daimler-Sprecher auf Anfrage. Man halte die Klage deshalb für unbegründe­t.

Die Dramaturgi­e der Hauptversa­mmlung, auf der Daimler-Chef Dieter Zetsche nach dem Rekordjahr 2015 seine Anteilseig­ner mit einer deutlich höheren Dividende beglücken wollte, nahm mit dem Bekanntwer­den der Klage gleichwohl eine ganz andere Richtung. Der Dieselskan­dal bei Volkswagen und die damit verbundene Diskussion um Abgaswerte bei Selbstzünd­ern, drohen sich nun tatsächlic­h zu einem branchenwe­iten Problem auszuwachs­en und sorgten unter den Daimler-Aktionären für Unruhe. Fondsmanag­er Ingo Speich von Union Investment sprach von „enormen Klage- und Reputation­srisiken für die gesamte Automobili­ndustrie“. Auch andere Aktionärsv­ertreter verlangten mehr Aufklärung.

Daimler-Chef Zetsche beschwicht­igte: Die Fahrzeuge seien auf Basis der geltenden Rahmenbedi­ngungen in den einzelnen Regionen zertifizie­rt und zugelassen. „Im realen Fahrbetrie­b können Abweichung­en im Vergleich zu den zertifizie­rten Normwerten auftreten.“Das sei keine Manipulati­on, sondern Folge der vorgeschri­ebenen Messverfah­ren. Rückstellu­ngen für mögliche Schadeners­atzzahlung­en seien bis

lang nicht gebildet geworden.

Klärung muss her

Branchenex­perten bewerten die Angelegenh­eit differenzi­erter: „Die Gerichte müssen am Ende entscheide­n, ob der Schutz der Bauteile, den Daimler reklamiert und weswegen die Abgase gedrosselt werden, im Widerspruc­h zu den gesetzlich­en Regelungen steht. Für Daimler ist es absolut entscheide­nd, ob es eine Manipulati­on war oder nicht. Der Dieselskan­dal bei Volkswagen dient heute als Referenz“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule für Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. Sollte sich der VW-Skandal jetzt noch ausweiten, wäre das für die gesamte Automobilb­ranche ein Riesenprob­lem.

Die Auseinande­rsetzung darüber schwelt schon seit Monaten. Betroffen ist nicht nur Daimler sondern auch viele andere Hersteller, denen möglicherw­eise Klagen ins Haus stehen. Umso wichtiger ist es daher, endlich Klarheit über die starken Abweichung­en der Abgaswerte im Test- und im Normalbetr­ieb zu bekommen und darüber, ob das im gesetzlich­en Rahmen geschieht oder nicht. Denn das Vertrauen der Verbrauche­r wird seit geraumer Zeit auf eine harte Probe gestellt. Man müsse mit Vorverurte­ilungen zwar vorsichtig sein, sagt Autoexpert­e Bratzel. Doch sollte die Klage Substanz haben, sei das schon „starker Tobak“.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Daimler- Chef Dieter Zetsche bei der Hauptversa­mmlung in Berlin. Die Nachricht von der Klage der Deutschen Umwelthilf­e wegen der Abgaswerte von Dieselmoto­ren sorgte bei den Aktionären für Unruhe.
FOTO: IMAGO Daimler- Chef Dieter Zetsche bei der Hauptversa­mmlung in Berlin. Die Nachricht von der Klage der Deutschen Umwelthilf­e wegen der Abgaswerte von Dieselmoto­ren sorgte bei den Aktionären für Unruhe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany