Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Experten für mehr Tempo
Studie der Bosch Stiftung: Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge sollte schneller geschaffen werden
- Ein schnellerer Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge ist eine der drängendsten Forderungen von Experten für eine schnellere Integration. In einer Studie der Robert Bosch Stiftung, die in Berlin vorgestellt wurde, fordert eine Expertenkommission mehr Anstrengungen der Politik. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem sich entscheidet, ob und wie wir es schaffen. Das Wie ist nicht entschieden“, sagt CDU-Vize Armin Laschet, Vorsitzender der Expertenkommission.
Nicht neu ist die gemeinsame Erkenntnis, dass Bildungs- und Arbeitsmarktzugänge entscheidend sind für die gelungene Migration. Heinrich Alt, der ehemalige Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, sieht hier noch hohe Hürden. Zwar zeigten 500 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte aus den zehn wichtigsten Herkunftsländern, dass Integration gelingen könne. Doch schnellere Verfahren, auch um Talente und Kompetenzen der Flüchtlinge zu erkennen, seien nötig. Schließlich gebe es derzeit in Deutschland einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt.
BERLIN
Nicht ans Nichtstun gewöhnen
Alt warnt davor, die Asyl- und Duldungsverfahren zu lange auszudehnen. „Der Gewöhnungseffekt ans Nichtstun ist schlecht“, sagt Alt, Flüchtlinge müssten möglichst schnell eine klare Perspektive bekommen. Die Kommission rät auch, die Altershöchstgrenze für eine Aufnahme der Ausbildung abzuschaffen. „Auch 30 Jahre ist nicht zu alt für eine duale Ausbildung“, so Alt. Außerdem müsse die Duldung während der Ausbildung und nach Möglichkeit zwei Jahre darüber hinaus gewährleistet sein.
Heinrich Alt will überdies die Vorrangprüfung aussetzen oder befristen, nach der Stellen nur dann mit Flüchtlingen besetzt werden dürfen, wenn kein deutscher oder EU-Bewerber vorhanden ist. Diese Rege- lung mache derzeit keinen Sinn. Weitere Forderung: Der Mindestlohn für deutsche Langzeitarbeitslose kann derzeit ein halbes Jahr unterschritten werden. Die Kommission möchte dies auch für Flüchtlinge erreichen. „Wer aus einem jordanischen Lager kommt und zwei Jahre ohne Beschäftigung war, für den sollten die gleichen Regeln wie für einen Langzeitarbeitslosen im Inland gelten,“so Heinrich Alt.
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, fordert mehr Tempo bei der Bearbeitung. 800 000 Fälle seien noch nicht entschieden, dabei sei schnelle Integration wichtig. Die Kommission schlägt vor, bei einer Anerkennungsquote von über 50 Prozent gleich Sprachkurse anzubieten. Das wäre dann zum Beispiel für die Afghanen der Fall. Bisher warten sie jedoch ein Jahr auf die Entscheidung. Bilkay Öney, die Stuttgarter Integrationsministerin, fordert, das Bundesamt für Migration müsse noch mehr Integrationskurse unterstützen.
Umstritten war in der Kommission die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge. Während der CDU-Politiker Laschet sie für richtig hält, und nur für Flüchtlinge, die eine Arbeit haben, fallen lassen will, will Pro Asyl keine Wohnsitzauflage.