Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Phänomen
war mal eine Randfigur, ein eher kleines Licht im Medienbetrieb. Heute ist er ein internationales Politikum – ausgezeichnet mit dem GrimmePreis. Wie hat er das nur geschafft?
Mit einem Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat Böhmermann eine Welle ausgelöst – mal wieder. Das ZDF strich den Beitrag aus der Wiederholung und aus der Mediathek, die Bundeskanzlerin telefonierte mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu und nannte das Gedicht „ bewusst verletzend“. Der 35- Jährige betitelte das Gedicht selbst als „ Schmähkritik“und reimte auf dem Niveau eines Pubertierenden Beleidigungen aneinander.
Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft Mainz ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses wird wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten geführt.
„ Er verfolgt eine gezielte Provokationsstrategie, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Diese Themen werden bewusst gesetzt“, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher von der Uni Hamburg. Sie glaubt, dass es Böhmermann daher geradezu entzückt haben dürfte zu hören, dass er mittlerweile sogar im Bundeskanzleramt Thema ist. „ Böhmermann kann man nicht ohne enge Wechselwirkungen mit dem Social Web betrachten“, sagt Bleicher.
Böhmermann ist auf allen Kanälen präsent: TV, Twitter, Facebook, überall. Mehrere Beiträge aus dem „ Neo Magazin Royale“sind zu viralen Hits geworden, wie man neudeutsch sagt. Sei es der Varoufakis- Bluff – für den er an diesem Freitag in Marl sogar den Grimme- Preis bekommt – sein Video „ Polizistensohn“oder jüngst der Clip „ Be Deutsch!“.
Wer nicht allen gefallen will, kann auch Kollateralschäden akzeptieren. Seien es kleinere wie ein angefressen wirkender Til Schweiger. Oder diplomatische Verwicklungen mit der Türkei. dpa/ epd